Ratzeburg. Die Ausschreibung wurde ein zweites Mal verlängert. Ratzeburg will weiter Mediziner als Leiharbeiter. Der aktuelle Stand.
Die Ausschreibung für die Neuvergabe der Notarztversorgung im Kreis Herzogtum Lauenburg ist ein zweites Mal verlängert worden. Wie bereits für das Rettungswesen sind verschiedene Anpassungen erfolgt, die eine erneute Fristverlängerung notwendig machten, hat Landrat Dr. Christoph Mager bestätigt. Die von den Verantwortlichen zunächst betriebene Dreiteilung analog zu den ursprünglichen Plänen für den Rettungsdienst ist jetzt auch im Falle der Notärzte vom Tisch. Bieter oder Gemeinschaften dürfen sich nun für alle drei Standorte bewerben, von denen bislang die Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) ausrücken: für Ratzeburg, Mölln und Geesthacht.
Mit Unbehagen reagieren Bürger, Lokalpolitiker und das Personal in den Krankenhäusern Mölln-Ratzeburg (Betreiber DRK) und Geesthacht (Johanniter) auf die Entwicklung. Die Stadtvertretung Mölln hat eine Resolution beschlossen. Inhalt: Der Kreis dürfe mit der Neuordnung von Rettungsdienst und Notärzten nicht die Existenz des DRK-Krankenhauses und die medizinische Versorgung in der Region gefährden. Wie berichtet, hat der Kreis die Neuvergabe des Rettungswesens nach Ausschreibungsende gekippt: Statt DRK, Johannitern, DLRG oder ASB soll die 2020 für Managementaufgaben gegründete Herzogtum Lauenburg Rettungsdienstgesellschaft (HLR) ab Jahreswechsel den Rettungsdienst nicht nur organisieren, sondern mit eigenem Personal betreiben.
Herzogtum Lauenburg: Nachbesserung beim Kampf um die Notärzte
Für die drei NEF stellen die beiden Krankenhäuser im Kreis einen wichtigen Teil der Notärzte. Freiberuflich tätige Mediziner komplettieren die Besetzung. Dies ist nach Auffassung von Landrat Mager jedoch nicht zulässig.
Nach Urteilen von Landessozialgerichten in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg dürften nur noch festangestellte Ärzte auf den NEF Dienst tun, ist der Volljurist überzeugt. In Schleswig-Holstein war, wie berichtet, ein Notarzt vor Gesicht mit der Forderung gescheitert, seine Tätigkeit als freiberuflich anzuerkennen, ihn damit von Sozialabgaben zu befreien. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Überlassung der Ärzte für den Dienst auf den Notarztfahrzeugen zu fordern“, folgert Mager. Das würde auch für die beiden Krankenhäuser gelten.
Auf 18 Monate Leiharbeit folgt eine dreimonatige Zwangspause
Die Arbeitsagentur habe bereits Zustimmung zu einer solchen Arbeitnehmerüberlassung signalisiert, so Mager. Probleme bleiben: Es müssen sich Bieter finden, die die Notarztversorgung sicherstellen können. Dazu müssen diese Ärzte finden, die sie einstellen und dann dem Kreis überlassen. Auf 18 Monate Leiharbeit folgt, gesetzlich gefordert, eine dreimonatige Zwangspause, auch für Notärzte.
Einen Paradigmenwechsel kann Mager nicht erkennen: „Bisher werden die Notärzte dem DRK-Kreisverband überlassen.“ Künftig trete die HLR an diese Stelle. Dass dies so funktionieren wird, daran gibt es weiter Zweifel – in der Ärzteschaft wie an den Krankenhäusern.
Viele Notärzten stehen nicht für Leiharbeit zur Verfügung
Eine wichtige Größe im aktuellen System, der Notarztverein Lauenburg, hat bereits erklärt, nicht mitzuspielen. Es sei nicht beabsichtigt, die rund 30 Ärzte, die bislang als Vereinsmitglieder die Notarztfahrzeuge in Mölln und Ratzeburg außerhalb der regulären Dienstzeiten besetzen, künftig einzustellen, so der Vorsitzende bereits vor Wochen. Der Verein werde dem Kreis nicht das selbst gewählte Risiko abnehmen: Abgesehen davon würden sich kaum Ärzte finden, die für einen solchen befristeten Leiharbeitsjob eine Anstellung eingehen.
Die Angst wächst, dass mit Rettungswesen und Notarztversorgung die medizinische Versorgung im Kreis ins Rutschen gerät. Was geschieht mit den beiden verhältnismäßig kleinen Krankenhäusern im Kreisgebiet, wenn Großkliniken künftig die Notärzte stellen und mit deren Hilfe die Patienten in ihre weiter entfernten Häuser umleiten?
Ohne die Krankenhäuser funktioniert die Notarztversorgung nicht
Dies verböten die Regeln, welche Krankenhäuser mit welchen Erkrankungen angefahren werden müssten, hält Landrat Mager dagegen: „Ein Schlaganfall-Patient gehört in die nächstgelegene Stroke-Unit.“ So ganz ausschließen lasse sich aber nicht in jedem Fall, „dass Notärzte die Krankenhäuser bevorzugen, in denen sie angestellt sind“.
Dr. Roland Preuss, Chefarzt Innere Medizin im DRK-Krankenhaus Mölln-Ratzeburg, hält es für undenkbar, dass der Kreis für die künftige Notarztversorgung auf die Krankenhausärzte aus Mölln-Ratzeburg und dem Johanniter-Klinikum Geesthacht verzichten kann. „Die Notarztversorgung im Kreisgebiet wird ohne die beiden Krankenhäuser nicht funktionieren.“
“Es macht möglicherweise Sinn, administrative Aufgaben zu zentralisieren“
Angesichts des wachsenden Ärztemangels hat Preuss prinzipiell Zweifel am Ergebnis der beabsichtigten Neuordnung: „Ich kann nicht erkennen, wie der Kreis die Notarztversorgung mittels Arbeitnehmer-Überlassung sicherstellen will.“ Carsten Schwaab, Geschäftsführer des Krankenhauses Geesthacht, hält sich bedeckt. Es mache möglicherweise Sinn, administrative Aufgaben zu zentralisieren. Was für einen Bereich passe, sei für einen anderen dagegen kaum vorstellbar: „Die Besetzung der drei Notarzteinsatzfahrzeuge (Geesthacht, Mölln, Ratzeburg) rund um die Uhr muss vor Ost sichergestellt werden.“
Zur Frage, ob sich sein Krankenhaus um den Betrieb des in Nachbarschaft stationierten NEF beworben habe, schweigt der Geesthachter Klinikchef vielsagend: „Wenn eine Arge für den Betrieb aller drei Standorte den Zuschlag erhielte, böte sich möglicherweise die Chance, die Besetzung übergreifend zu koordinieren, um personellen Problemen vorzubeugen.“