Schwarzenbek. Rüdiger Jekubik im Interview zu Herausforderungen an die Stadt und die Pandemie-Folgen. Schulbau und Feuerwehr sind Top-Themen.

Wichtige Projekte stehen an, aber die Stadt Schwarzenbek ist im „Corona-Modus“. Viele politische Sitzungen sind wegen der Pandemie abgesagt worden, der Kulturbetrieb ruht, die Bürger können sich wegen der Kontaktbeschränkungen wenig beteiligen und ihre Sorgen und Anregungen an die Politiker loswerden. Als oberster Repräsentant der Stadt hat Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik (SPD) einen guten Überblick über die Situation in seiner Heimatstadt. Und er hat auch einen direkten Vergleich, was sich alles geändert hat.

Denn der Sozialdemokrat war bereits von 2017 bis 2018 nach dem Rückzug von Konrad Freiberg aus der Politik Bürgervorsteher in der „Vor-Corona-Zeit“. Nach der Kommunalwahl 2018 wollte er weitermachen, das lehnte die Mehrheit der Politiker aber ab. Im September 2020 – also gleich zu Beginn des zweiten Lockdowns – ist Jekubik erneut Bürgervorsteher geworden, weil sein Vorgänger Matthias Schirmacher (Grüne) das Amt nach seiner Niederlage bei der Bürgermeisterwahl niedergelegt hat.

Herr Jekubik, sie haben das Amt des Bürgervorstehers vor und während der Corona-Pandemie ausgeübt. Außerdem haben sie zwei Bürgermeister erlebt. Was ist anders geworden?

Meine zweite Amtszeit ist deutlich anders. Im Zusammenspiel von Politik und Verwaltung hat sich vieles verändert. Die Zusammenarbeit ist in der Zwischenzeit deutlich offener geworden. Es herrscht kein Misstrauen mehr gegenüber der Verwaltungsspitze (während der Amtszeit von Bürgermeisterin Ute Borchers-Seelig gab es zum Teil heftige Auseinandersetzungen zwischen Politik und Verwaltung, unter anderem wegen der externen Verwaltungsstrukturanalyse und mangelnder Transparenz, Anm. d. Redaktion).

Der neue Bürgermeister Norbert Lütjens genießt einen gewaltigen Vertrauensvorschuss. Aber auch sonst hat sich vieles geändert. Es gibt keine repräsentativen Aufgaben. Ich habe quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Mahnmal für Zwangsarbeiter auf dem Friedhof einweiht und zum Volkstrauertag mit dem Bürgermeister ohne Gäste einen Kranz niedergelegt. Es gibt keine Veranstaltungen und keine Besuche zu Geburtstagen von älteren Bürgern. Das vermisse ich, weil ich das sehr gern mache. Aber es geht einfach momentan nicht. Das ist sehr traurig, angesichts der Pandemie aber unvermeidbar.

Viele Sitzungen wurden wegen der hohen Inzidenz vertagt. Kann sich die Stadt angesichts der vielen drängenden Probleme eine politische Sommerpause leisten?

Ja. Die großen Themen sind angeschoben und in Bearbeitung. Wir haben auch eine Verpflichtung nicht nur gegenüber unseren ehrenamtlichen Politikern, sondern auch gegenüber den Verwaltungsmitarbeitern. Alle haben langfristig ihre Urlaubsplanungen gemacht. Und es sitzen ja nicht nur Politiker in den Ausschüssen, sondern auch Fachleute aus dem Rathaus. Ich glaube nicht, dass es irgendwelche Verzögerungen gibt, wenn wir die Sitzungspause einhalten.

Was sind die drängendsten Probleme, die schnellstmöglich angegangen werden müssen?

Ganz obenan steht der Neubau der Feuerwehr. Wir müssen aber auch über die Zukunft der beiden viel zu kleinen Grundschulen entscheiden. Bis zum Jahresende werden wir auch durch externe Berater eine Entscheidungsgrundlage haben. Ich befürchte, dass wir an einem Neubau der Schulen nicht vorbei kommen werden. Alleine das wird wohl 40 Millionen Euro kosten. Es wird unsere Aufgabe sein zu sehen, woher wir das Geld bekommen und schnellstmöglich Platz für die Kinder zu schaffen. Schließlich wächst die Stadt weiter und die Schülerzahlen steigen.

Zu den Bürgern haben Sie nur bedingt Kontakt, weil Sprechstunden nur telefonisch möglich sind. Was bewegt die Menschen derzeit besonders?

Den persönlichen Kontakt vermisse ich in der Tat sehr. Erstaunlicherweise sind es keine Fragen rund um Corona, die die Menschen bewegen. Es geht um ganz alltägliche Ärgernisse wie Löcher in Zäunen, Schlaglöcher in Straßen oder zu schnelles Fahren auf der Uhlenhorst nach der Sanierung der Straße.

Das gesamte öffentliche Leben ruht, damit auch der Kulturbetrieb. Die Theatersaison im Herbst steht auf der Kippe und es gibt nach wie vor kein Konzept für das Amtsrichterhaus. Wie kommt alles wieder ins Laufen?

Ich bin in Kontakt mit den Vereinsvorsitzenden und mache ihnen Mut. Wir werden seitens Politik und Verwaltung so gut es geht unterstützen, dass das das öffentliche Leben wieder Fahrt aufnimmt. Vielleicht gibt es dieser Jahr noch einen Weihnachtsmarkt und eine Aktion der Kaufleute im Spätherbst, wie das Lichterfest. Mehr wird nicht möglich sein. Hoffentlich bekommen wir nächstes Jahr wieder ein Stadtvergnügen, Aral-Open-Konzerte, einen Literaturherbst und vielleicht auch eine WVS-Messe. Wir wollen auch in jedem Fall den Kulturbetrieb im Amtsrichterhaus aufrecht erhalten.

An einem Konzept arbeiten wir, seitdem sich die Louisenhof gGmbH aus der Arbeit im Haus zurückgezogen hat. Eine Idee könnte es sein, Standesamt, Trauzimmer und die Kulturbeauftragte der Stadt dorthin umziehen zu lassen. Möglicherweise könnten wir auch einen Kunst-Stipendiaten dort einziehen lassen, um die Kulturarbeit mit zu organisieren. Optimal wäre natürlich ein städtischer Kulturmanager oder eine Kulturmanagerin, aber das können wir uns nicht leisten.

Die Jugendarbeit und Bildung leiden unter Corona. Was ist in diesen Punkten zu tun?

Der Jugendtreff kommt langsam wieder mit Kleingruppen in Betrieb. Aufsuchende Jugendarbeit bei Problemgruppen ist weiterhin schwierig, weil sich viele Treffen von der Straße in den privaten Raum verlagert haben. Es gibt aber auch großen Nachholbedarf in den Schulen durch verpassten Unterricht und geschlossene Angebote wie Hausaufgabenhilfe. Die Folgen werden wir erst nach der Pandemie sehen. Da gibt es viel Nachholbedarf und das wird uns als Stadt und Schulträger auch Geld kosten.

Sie sind nicht nur Bürgervorsteher, sondern auch Vorsitzender des Sozialausschusses. Beißt sich das nicht?

Jugend, Kultur und Soziales sind mir eine Herzensangelegenheit. Ich möchte etwas für die Stadt tun, deshalb bin ich auch in die Politik gegangen. Ich würde den Sozialausschuss gern abgeben, aber es hat sich noch kein Nachfolger gefunden. Daran arbeiten wir. Bis es so weit ist, mache ich das weiter. Natürlich versuche ich, neutral zu sein. Aber ich bin auch Sozialdemokrat und trete für meine Überzeugungen ein.

Rüdiger Jekubik ist 60 Jahre alt, ist verheiratet und arbeitet bei der Polizei in Hamburg. Er wohnt seit 1995 in Schwarzenbek und gehört der SPD seit 2012 an. In diesem Jahr geht er in den Ruhestand. Dann will er sich noch stärker ehrenamtlich als Bürgervorsteher engagieren.

  • Das macht ein Bürgervorsteher:

Der Bürgervorsteher ist der Vorsitzende der Gemeinde- beziehungsweise der Stadtvertretung in Kommunen mit hauptamtlichem Bürgermeister in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern. Zugleich ist er der oberste Repräsentant der Stadt. Er lädt zu politischen Sitzungen ein und teilt sich mit dem Bürgermeister repräsentative Aufgaben wie etwa die Eröffnung von Stadtfesten, Messen oder anderen Großveranstaltungen. Der Bürgervorsteher ist auch Mittler innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung zwischen Politik und Verwaltung. Er ist Ansprechpartner für die Bürger für Anfragen an die Stadtvertretung und beruft Einwohnerversammlungen ein, die er auch leitet.