Schwarzenbek. Der Vorsitzende Rudolf Neumann will neue Angebote schaffen. Wegen Corona mussten auch die Angebote der Awo ruhen.

Wenn Gabriele und Rudolf Neumann im Programm von 2020 für den Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt blättern, erfasst die beiden Schwarzenbeker ein bisschen Wehmut. Sie hatten viel vor, um den überwiegend älteren Mitgliedern — der Altersschnitt liegt seit Langem bei etwa 75 Jahren — Kontaktmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten zu bieten. Doch dann kam Corona. Jetzt hoffen sie auf einen baldigen Neustart mit vielen neuen Ideen im gerade begonnenen Jahr 2021.

„Erstes Highlight in 2020 sollte die jährliche zehntägige Reise nach Norderney im April sein. Wenige Tage vor der Abfahrt mussten wir absagen“, erinnert sich Rudolf Neumann, der seit 2015 an der Spitze des Ortsvereins steht. Er trat die Nachfolge des mittlerweile verstorbenen SPD-Urgesteins Botho Grabbe an, der 28 Jahre an der Spitze der Awo stand und mit damals 91 Jahren nicht mehr für den Vorsitz antreten wollte.

Awo: „Wir verlieren Mitglieder aus Altersgründen oder Tod"

Damals hatte die Awo in Schwarzenbek noch 150 Mitglieder, heute sind es 96. Auch wenn die Zahlen anderes suggerieren, gibt es wenig Fluktuation. „Wir verlieren Mitglieder aus Altersgründen oder Tod. Für viele Menschen ist das Haus der Begegnung an der Kolberger Straße 12 ein wichtiger Ort der Geselligkeit. Deshalb halten sie uns die Treue, auch im Corona-Jahr“, sagt Gabriele Neumann, die seit mehreren Jahren mit einem Team von ehrenamtlichen Helferinnen für die Mittagstische zweimal im Monat sorgt.

Seit dem ersten Lockdown im März 2020 ist allerdings nicht mehr viel passiert. Spielenachmittage gab es wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr, lediglich einmal stand Gabriele Neumann am Herd. „Das war am 12. Oktober. Es gab einen Gemüseeintopf“, erzählt die Schwarzenbekerin, die genau Buch über Einnahmen und Ausgaben für ihre Mittagstische führt, weil das Geld schließlich aus der Kasse des Ortsvereins kommt.

Mietkosten laufen trotz Corona weiter

Normalerweise stehen Einnahmen über Mitgliedsbeiträge, den Verkauf von Altkleidern und kleinen Überschüssen bei den Ausfahrten und Ausgaben auf einem Niveau. „Große Sprünge können wir nicht machen, aber wir subventionieren beispielsweise soziale Aufgaben wie die Adventsfeier. Dafür sind wir schließlich auch da“, erzählt Rudolf Neumann.

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Die Awo hat seit 1998 ihren Standort an der Kolberger Straße. Damals wurde die Begegnungsstätte für 100.000 D-Mark ausgebaut. Die Räume gehören aber nicht der Awo, sondern sind angemietet. Dafür werden monatlich 690 Euro zuzüglich der Nebenkosten fällig.

Die Miete läuft weiter, aber wesentliche Einnahmen kann der Ortsverein mangels eigener Aktivitäten durch die Corona-Beschränkungen nicht generieren. „Wir haben noch eine Rücklage, aber die schrumpft. Lange können wir uns das nicht mehr leisten. Außerdem wäre das Geld für soziale Projekte sinnvoller eingesetzt“, sagt der 71-Jährige.

Arbeiterwohlfahrt hofft auf Unterstützung der Stadt

Er hat bereits einen Termin bei Bürgermeister Norbert Lütjens und hofft auf eine städtische Unterstützung in Corona-Zeiten. „Wir betreiben schließlich Seniorenarbeit. Das ist eine wichtige öffentliche Aufgabe“, argumentiert der Schwarzenbeker. Ob das die Politiker — sie entscheiden letztlich über die Vergabe freiwilliger Leistungen — auch so sehen, muss sich zeigen.

Ohnehin würde Neumann das Kapitel Kolberger Straße perspektivisch gerne beenden. Die Begegnungsstätte ist in die Jahre gekommen und die Küche zu klein geworden. „Es wäre gut, wenn wir beim geplanten Umbau der Realschule zum Bildungszentrum dort einen neuen moderneren Treffpunkt einrichten könnten", so Neumann.

An der Berliner Straße hätte die Awo mehr Platz und vor allem eine größere Küche, die als ehemalige Lehrküche bereits vorhanden ist. „Das wäre mein Wunsch für die nächsten Jahre“, so Neumann.

Neumann will sich künftig noch stärker im Ortsverein engagieren

Als Neumann 2014 stellvertretender Vorsitzender und 2015 Vorsitzender wurde, war er gerade erst in die Awo und auch in die SPD eingetreten. Davor machte er viele Jahre für die Wählergmeinschaft FWS Politik. „SPD und Awo gehört für mich untrennbar zusammen. Die Awo hat ihre Wurzeln in der Versorgung von notleidenden Arbeitern. Heute nimmt sie wichtige soziale Aufgaben insbesondere auch in der Seniorenarbeit wahr. Das hat mir gefallen. Ich habe immer schon gerne Menschen geholfen“, sagt der 71-Jährige, dessen Familie Kriegsflüchtlinge waren und der mit fünf Brüdern auf Gut Gülzow aufgewachsen ist.

Künftig will er sich noch stärker im Ortsverein engagieren. „Ich werde mich aus unserem Reisebüro zurückziehen. Dafür möchte ich nach Corona die Begegnungsstätte wesentlich öfter öffnen und neue Angebote wie Telebowling etablieren. Sie soll noch mehr den Charakter eines Treffpunkts bekommen“, so Neumann.

Senioren mögen deftiges Essen mit Fleisch

In einem Punkt ist er allerdings „gescheitert“. Bei seiner Wahl im Jahr 2015 hatte er angekündigt, dass bei den Mittagstischen leichtere Kost auf den Tisch kommen sollte. Als seine Frau die Küche von ihrer Vorgängerin Helga Dallmann übernahm, gab es als erstes Eisbein mit Sauerkraut.

„Der Fleischberg war so groß, dass ich erst gar nicht wusste, wie ich das alles kochen soll. Wir haben es später auch mit leichterer Kost versucht, aber wenn es nicht deftig ist und Fleisch dabei ist, kommen die Senioren nicht“, sagt Gabriele Neumann.

Informatinen zur Arbeiterwohlfahrt

Die AWO ist 1919 als Teil der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung entstanden. Zielvorstellung von AWO und SPD war ein demokratischer Sozialismus, dem sich die Mitglieder bis heute verpflichtet fühlen. Eine freie, gleiche und solidarische Gesellschaft vor Augen, bekämpft die AWO seitdem soziales Unrecht und dessen Ursachen politisch und leistet bei Missständen und in Notfällen engagiert Hilfe.

Heute ist die Arbeiterwohlfahrt ein dezentral organisierter deutscher Wohlfahrtsverband, der auf persönlichen Mitgliedschaften in seinen Ortsvereinen aufbaut. Sie ist einer der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und mit rund 230.000 hauptamtlichen Mitarbeitern einer der großen Arbeitgeber in Deutschland.