Schwarzenbek. Auf dem neuen Friedhof an der Möllner Straße soll es einen Gedenkstein geben. Ende eines sechsjährigen Streits ist in Sicht.
Über kaum ein Thema wurde so intensiv und auch so lange in Schwarzenbek gestritten, wie über die Mahnmale für die Vertriebenen aus dem Zweiten Weltkrieg und das für die Zwangsarbeiter. Gerade die Jahre der Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg in vier Lagern in Schwarzenbek gehören zu den dunkelsten Kapiteln in der Europastadt. Jetzt gibt es für beide Gedenkstätten eine Lösung — auch wenn diese nicht unbedingt allen Beteiligten gefällt.
Wie berichtet, bekommen die Vertriebenen aus Schlesien, Ostpreußen und weiteren ehemaligen deutschen Gebieten einen großen Gedenkstein in der Nähe der Brücke bei der Kerntangente. Dort steht auch bereits ein Grenzpfosten, der an die Deutsche Teilung erinnert. Für das Mahnmal der Zwangsarbeiter soll es einen Gedenkstein auf dem neuen Friedhof an der Möllner Straße geben. Darauf haben sich Pastor Andreas Schöer, Stadtarchivar Dr. Lukas Schaefer und Gisela Berger, Vorsitzende des Heimatbundes und Geschichtsvereins kurz vor Jahresende verständigt.
Planung sieht eine 1,45 Meter hohe und 50 Zentimeter breite Stele vor
„Das ist eine gute Lösung. Der Ort passt. Dort haben wir bereits auch Gedenkstätten für verstorbene russische Soldaten, Litauer, Letten und Kinder von Zwangsarbeitern“, sagt Pastor Andreas Schöer. Das sieht auch Gisela Berger so. „Verstorbene Zwangsarbeiter sind hier beerdigt. Da ist eine Stele zu ihrem Gedenken an dieser Stelle genau richtig. Diese Idee könnte das Ende eines sechsjährigen Streits sein“, betonte die Hobbyhistorikerin.
Denn bislang ist es nur eine konsensfähige Idee, die noch nicht in den politischen Gremien diskutiert ist. Die Politiker hatten Schaefer den Auftrag erteilt, eine Lösung zu suchen. Die liegt jetzt auf dem Tisch. Es gibt auch einen Entwurf für das Mahnmal und ein Steinmetz aus der Region würde die Arbeiten übernehmen. Nach den aktuellen Planungen handelt es sich dabei um eine 1,45 Meter hohe und 50 Zentimeter breite Stele, mit einem umfangreicheren Text, der an die Zwangsarbeiter erinnert.
Mehr als 2000 Menschen haben seit 1940 in Lagern gelebt
Gerade das Thema Zwangsarbeiter ist überaus sensibel. Mehr als 2000 Menschen, überwiegend aus Osteuropa, lebten seit 1940 in Lagern in Schwarzenbek rund um die Grabauer Straße. Der Großteil leistete Zwangsarbeit in der rüstungswichtigen Schraubenfabrik Bauer & Schaurte. Allein dieses Unternehmen hatte zehn Baracken und elf Steingebäude, um diese Menschen, die aus vielen Teilen Europas stammten, einzusperren und zur Arbeit zu zwingen.
Seit sechs Jahren ging es darum, ein Mahnmal für diese Menschen zu schaffen. Als idealen Standort wählten Politik und die damalige Archivarin Dr. Anke Mührenberg eine Stelle vor dem Firmengebäude der LMT Group, die sich als Nachfolger der Schraubenfabrik 1953 in Schwarzenberg ansiedelte.
Damals firmierte das mittelständische Unternehmen noch unter dem Namen Fette, wurde mit ehemals 800 Beschäftigten (heute mehr als 1000) zum größten Arbeitgeber der Stadt und ein Motor für den Aufschwung Schwarzenbeks. Da das Unternehmen mit den Zwangsarbeitern in Schwarzenbek nichts zu tun hat und außerhalb von Corona-Zeiten zahlreiche Firmenbesucher aus allen Teilen der Welt zu Gast hat, wollte die Firmenleitung kein Zwangsarbeiter-Mahnmal vor der eigenen Haustür.
Es folgte eine lange und schwierige Diskussion mit ebenfalls langen Stillstands-Phasen. Geschichtsvereinsmitglied und SPD-Politiker Reinhard Wiese wurde indes nicht müde, immer wieder den aktuellen Sachstand abzufragen. Eine Zeit lang im Gespräch war ein „Pfad der Erinnerung“, auf dem auch ein Gedenkstein für die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten Platz finden sollte, im Amtsrichtergarten. Das scheiterte unter anderem am Denkmalschutz, aber auch am Widerstand der Landsmannschaft der West- und Ostpreußen. Nun zeichnet sich die Lösung für das Zwangsarbeiter-Mahnmal auf dem Friedhof ab.
+++ Zwangsarbeiter in Schwarzenbek +++
Im gesamten Deutschen Reich wurden von 1940 an Lager zur Unterbringung von Kriegsgefangenen, Fremd- und Zwangsarbeitern errichtet, die in kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben sowie in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Im Herzogtum Lauenburg gab es Anfang der 1940er-Jahre etwa 100 Lager, von denen die größeren in Geesthacht (Dynamit AG Düneberg und Dynamit AG Krümmel) sowie in Schwarzenbek waren. Letzteres war für die aus Neuss (Nordrhein-Westfalen) stammende Firma Bauer & Schaurte gebaut worden.
Sie hatte ab 1938 einen Teil ihres Betriebes wegen eines möglichen Kriegsausbruches nach Schwarzenbek verlagert. Genutzt wurde das Gelände der ehemaligen Korkenfabrik auf dem einstigen Gerichtskamp (heute Sitz der Firma LMT Fette).
Nach Kriegsbeginn wurden viele einheimische Arbeiter als Soldaten eingezogen, so dass schnell ausländische ZivilarbeiterInnen und Kriegsgefangene eingesetzt werden mussten, um die Produktion aufrecht zur erhalten. Bauer & Schaurte (Grabauer Straße 24) beutete 2000 Zwangsarbeiter aus, der Industriebetrieb Crone & Co. hatte 100 Zwangsarbeiter, die Ziegelei Stock (Uhlenhorst 43) 30 und die Gastwirtschaft Mennrich (Hamburger Straße 27) setzte 50 Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft ein.
Die Arbeitszeit betrug täglich (auch sonntags) acht bis zwölf Stunden ohne Bewachung. Es wurde „normaler Tariflohn“ gezahlt, auch außerhalb des Lagers wurden die Insassen angeblich nicht bewacht. Das besagen zumindest Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Mit dem Kriegsende wurden alle Lagerbewohner aufgefordert, zunächst in den Einrichtungen zu bleiben und sich bei den Alliierten zu melden. Aus Zwangsarbeitern wurden nun Displaced Persons (DP).
Viele Insassen, insbesondere aus den westlichen Nationen, verließen jedoch zügig das Lager. Am 25. Mai 1945 kamen zudem zahlreiche vor der Roten Armee flüchtende Balten (Esten, Letten) in Schwarzenbek an. Sie wurden in den Baracken, dem Verwaltungsgebäude sowie der Maschinenhalle untergebracht und warteten auf ihre Ausreise z. B nach Amerika.
Am 10. September 1945 ist das DP-Lager aufgelöst, die verbliebenen DP’s wurden in das Lager nach Wentorf verbracht. Ab November 1945 diente das Lager an der Grabauer Straße dann deutschen Flüchtlingsfamilien als Unterkunft. Erst Ende der 1950er-Jahre begann der Abriss des Lagers, der sich bis Anfang der 1960er-Jahre hinzog.