Schwarzenbek. Warum der Angeklagte vor Gericht mit einer Bewährungsstrafe glimpflich davongekommen ist – und viele Täter zittern müssen.
Er steht auf Pornofilme, die Gewalt gegen Frauen zeigen – allerdings gespielte Vergewaltigungen, keine Videos von echten Straftaten, die im Darknet verfügbar sind. „Das mag man sehen, wie man will, aber es ist wurscht. Das ist legal“, betonte Amtsrichter Suntke Aden bei der Urteilsverkündung gegen den 26-jährigen Handwerker Sven Sch. (Name von der Redaktion geändert) aus Lauenburg.
Denn was nicht legal ist, ist der Besitz und die Weitergabe von Kinderpornos und Jugendpornografie. Und genau das wurde dem eher bieder wirkenden Lauenburger vorgeworfen, der mit weißem Hemd, Jeans und korrektem Seitenscheitel schweigend neben seiner Anwältin auf der Anklagebank saß.
Amtsgericht Schwarzenbek: Milde Strafe für Besitz von Kinderpornos
Da es sich um eine sehr geringe Zahl von Filmen handelte und ihm keine pädophilen Neigungen nachgewiesen werden konnten, blieb es bei einer vergleichsweise geringen Strafe. Außerdem ist der Lauenburger noch nie in seinem Leben straffällig geworden. Wegen des Besitzes von zwei Kinder- und 14 Jugendpornos sowie dem Hochladen einer kinderpornografischen Datei wurde der 26-Jährige von einem Schwarzenbeker Schöffengericht unter dem Vorsitz von Suntke Aden zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
„Damit bewegen wir uns am untersten Rand des möglichen Strafmaßes, weil wir in der Prognose von keiner Wiederholungsgefahr ausgehen. Aber gerade der hochgeladene Film zeigt eine echte, brutale Vergewaltigung eines fünf bis sieben Jahre alten Mädchens. Wer so etwas besitzt und weiterleitet begeht ein Verbrechen und versorgt einen Markt, der gierig auf solche Bilder wartet. Damit heizt er die Nachfrage an“, betonte der Richter.
8000 Videos mit Erniedrigung von Frauen auf dem Rechner
Mit dem Urteil folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft in weiten Teilen. Die Verteidigerin des Angeklagten, Franziska Maier, hatte auf Freispruch plädiert, weil ihr Mandant Dateien in sehr großem Umfang – insgesamt 8000 Videos und Bilder – besitze: Vieles habe er in Paketen empfangen und versandt, sodass einzelne Dateien auch unwissentlich in seinen Besitz gelangt und hochgeladen worden sein könnten. Sie bezeichnete die Kinderpornos als „Beifang“, den er möglicherweise gar nicht realisiert habe.
Diese Einschätzung teilten Gericht und Staatsanwaltschaft indes nicht. „Das war ein bewusster Prozess. Solche Dateien fängt man sich nicht einfach so ein. Auch das Hochladen geschah bewusst, weil man in Internetforen auch etwas veröffentlichen muss, wenn man nicht aus der Gruppe rausfliegen will. Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte sich mit dem hochgeladenen Video interessant machen wollte“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
2400 Strafe gehen an die Opferhilfe „Dunkelziffer e. V.“
Zusätzlich muss der Lauenburger 2400 Euro an den Opferhilfe-Verein „Dunkelziffer e. V.“ überweisen. „Das Leid der Opfer von Kinderpornografie ist groß. Das Geld wird dort dringend für Beratung und Therapie benötigt“, so der Richter. Nicht folgen wollte das Gericht der Forderung der Staatsanwältin, dem Angeklagten fünf Beratungsstunden bei „Pro Familia“ aufzuerlegen. „Wer solche Gewaltfantasien anschaut, kann leicht selbst zum Täter werden. Das wären präventive Beratungen“, so die Staatsanwältin. „Die Videos sind nicht strafbar, deshalb kann das Gericht auch keine Therapie anordnen“, entgegnete Suntke Aden in seiner Urteilsbegründung.
Aufgeflogen war der Lauenburger – wie sehr viele andere Besitzer von Kinderpornografie – durch die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden. In den Vereinigten Staaten müssen Provider auffällige Dateien melden. Allein im vergangenen Jahr haben die US-Behörden mehr als 136.000 Fälle an das Bundeskriminalamt in Wiesbaden weitergeleitet. So auch den Fall von Sven Sch., der auf dem werbefinanzierten Messengerdienst „Kik“ unterwegs war und dort Pornofilme mit anderen Nutzern austauschte.
Fahnder kommen Lauenburger über IP-Adresse auf die Schliche
Als er dann das Vergewaltigungsvideo hochlud, alarmierte der Provider die Behörden. Insgesamt haben die US-Behörden in den vergangenen Jahren sogar mehr als 300.000 Fälle an das Bundeskriminalamt gemeldet. Von dort aus werden die Fälle dann an die regional zuständigen Polizeidienststellen weitergeleitet.
„Wir haben die IP-Adresse und das Video bekommen. Wir konnten die Daten zu dem Angeklagten zurückverfolgen“, sagte Kriminalkommissar Kjelt D., der in der Lübecker Bezirkskriminalinspektion für die Verfolgung von Kinderpornografie zuständig ist. Das gelingt oft nicht, weil es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung gibt und IP-Adressen oft nicht nachverfolgbar sind. Im Fall des Lauenburgers hatten die Fahnder Glück.
Der Lauenburger musste fast zwei Jahre auf seinen Prozess warten
Die Polizisten stellten den Angeklagten an seiner Arbeitsstelle zur Rede, er fuhr dann mit den Beamten in sein Wohnhaus. Dort stellten die Fahnder einen USB-Stick, zwei Handys und eine Festplatte sicher. Bereitwillig gab der Lauenburger auch die Passworte und Bewegungsmuster zum Entsperren der Handys heraus. „Er zeigte sich kooperativ und sagte, dass die Videos, in denen Frauen erniedrigt werden, sein Fetisch seien“, so der Kriminalkommissar.
Die Daten wurden dann in Lübeck ausgewertet und die strafrechtlich relevanten Informationen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die dann Anklage erhoben hat. Die Sicherstellung erfolgte bereits im Sommer 2021. Der Lauenburger musste fast zwei Jahre auf seinen Prozess warten.
Auffällig wenig Kinderpornos auf dem Rechner gefunden
Was auffällig gewesen sei, sei die sehr hohe Zahl der legalen Gewaltvideos und die sehr geringe Zahl von Kinderpornografie gewesen. Ein Indiz dafür, dass sich der Lauenburger dafür nicht weiter interessiere und nicht gezielt danach gesucht habe. Das bestätigten auch die zum Teil rekonstruierbaren Suchverläufe im Internet. Dort hätten sich keine Suchen nach Kinderpornografie gefunden. Das sei bei Pädophilen, die Hunderte oder Tausende Videos und Bilder horten würden, ganz anders, so der Kriminalkommissar weiter.
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Zu den Vorwürfen selbst äußerte sich der Lauenburger vor Gericht indes nicht. Er sagte im Verlauf der Verhandlung lediglich: „Ich schließe mich den Ausführungen meiner Verteidigerin an.“
„Auf die Erfahrungen der speziell geschulten Beamten aus Lübeck werden wir in nächster Zeit wohl noch häufiger zurückgreifen müssen. Es gibt eine Vielzahl von Verfahren wegen Kinderpornografie, die durch Hinweise aus den USA aufgedeckt wurden“, sagte Richter Aden.