Lauenburg. Am 1. April beginnt die Amtszeit von Thorben Brackmann als Lauenburgs Bürgermeister. Zuvor hat seine Tochter die Hauptrolle gespielt.
Stendals Landrat Patrick Puhlmann hat es getan, Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay will es und auch Thorben Brackmann hat es getan: Sie haben oder wollen Elternzeit in Anspruch nehmen – trotz ihres Amtes. Allerdings: Puhlmann und Onay wollen ihre Arbeitszeit nur für zwei Monate auf 32 Stunden reduzieren, Brackmann hingegen ist zwei Monate komplett zu Hause geblieben – jedoch bevor er sein Amt als Bürgermeister der Stadt Lauenburg angetreten hat.
„Von der Zeitlinie hat es bei uns super geklappt“, sagt Brackmann, der im Januar Vater einer Tochter geworden ist. Da war der 32-Jährige als Marineoffizier noch bei der Bundeswehr beschäftigt – und ist für zwei Monate komplett zu Hause geblieben. Am 16. März ist seine Elternzeit abgelaufen, seither ist Brackmann freigestellt: „Das Soldatengesetz regelt, dass meine Dienstpflicht ruht, so lange ich kommunaler Wahlbeamter bin.“ Nach dem Ende der Wahlperiode – Brackmann ist für sechs Jahre gewählt – könnte er auf Antrag zurück in die Bundeswehr wechseln. Das hat der 32-Jährige jedoch nicht vor: „Ich habe Lust, etwas zu bewegen.“
Dienstbeginn im Lauenburger Schloss am 3. April
Damit kann der junge Vater am Montag, 3. April, loslegen: Dann wird er erstmals als Bürgermeister am Schreibtisch im ersten Obergeschoss des Lauenburger Schlosses Platz nehmen. In der Stadtvertretersitzung am Dienstag, 28. März, wird Brackmann im Forum der Gemeinschaftsschule (Schulstraße 1) vereidigt, gleichzeitig Amtsvorgänger Andreas Thiede verabschiedet. Am 6. November 2022 hatte sich Brackmann bei der Direktwahl des Stadtoberhauptes mit 58,3 Prozent der Stimmen klar im ersten Wahlgang gegen seine beiden Mitbewerber durchgesetzt, hatte dann wieder seinen Dienst bei der Bundesmarine aufgenommen.
Seine zwei Monate Elternzeit hat der 32-Jährige unter anderem für den Umzug von Potsdam zurück nach Lauenburg genutzt und für ein Praktikum bei seinem Amtsvorgänger. „Uns beiden war es sehr wichtig, für einen geordneten Übergang zu sorgen“, sagt Brackmann, der im Februar und März jeweils für eine Woche Thiede über die Schulter schaute. Zwar verfüge er über Führungserfahrung in seiner Tätigkeit bei der Bundesmarine, so Brackmann: „Doch dieses Amt ist zu vielfältig und besonders, als das man einen Kaltstart hinlegen kann.“
Brackmann will Kommunikation mit Bürgern stärken
Ein Thema, das er als Bürgermeister angehen will, ist die Kommunikation der Verwaltung mit ihren Bürgern: „Viele sehen etwa die Brandruine an der Hamburger Straße und fragen sich, warum sich dort nichts tut.“ Hinter den Kulissen tut sich hingegen sehr viel, das will Brackmann nun auch stärker kommunizieren – über die Internetseite der Stadt oder die sozialen Medien. Ein zweites Thema, das ihm am Herzen liegt, ist der Fahrradverkehr in der Stadt. Radfahrern ist in der Schifferstadt eine Herausforderung – und das nicht nur wegen des Höhenunterschieds von etwa 30 Metern zwischen Altstadt und Oberstadt. Vor allem im Bereich der Oberstadt fehlt entlang der Bundesstraße 5, die im vergangenen Jahr mit einem Fahrradschutzstreifen ausgestattet wurde, der Platz für Radwege. Hinzu kommen weitere Themen wie der Neubau der Stadtbücherei als Medienzentrum, der Ausbau der Weingartenschule oder der Neubau der Elbbrücke.
„Ich bin in einem sehr politischen Haushalt aufgewachsen“, sagt der 32-Jähriger. Vater Norbert Brackmann war CDU-Bundestagsabgeordneter und ist aktuell Spitzenkandidat der CDU für die Kreistagswahl, Großvater Hans-Günther war in den 1980er-Jahren Bürgervorsteher in der Schifferstadt – ebenfalls für die CDU. „Das ist der Wertekanon, mit dem ich mich am meisten identifiziere“, sagt Brackmann. Das Amt des Bürgermeisters sei aber überparteilich: „Am Ende werde ich pragmatisch entscheiden“, sagt Brackmann, der mit allen Fraktionen vertrauensvoll zusammenarbeiten möchte. Auch mit seinem Vater will sich Thorben Brackmann austauschen: „Er hat enorm viel politische Erfahrung etwa wenn es um das Generieren von Fördermitteln geht.“ Im Wahlkampf hatte Brackmann senior hingegen keine Rolle gespielt: „Ich bin als Thorben Brackmann angetreten und das wird auch im Bürgermeisteramt so sein.“
Der Sonntag ist für die Familie reserviert
Dafür werden die Lauenburger den Ex-Bundespolitiker künftig in einer anderen Rolle erleben: als Großvater mit Kinderwagen. Um den Spagat zwischen Amt und Familie zu schaffen, setzt die junge Familie auf die Hilfe der Eltern und Schwiegereltern sowie von Freunden. Klar ist für Brackmann, dass er anders als Puhlmann und Onay seine Dienstzeit nicht auf 32 Stunden pro Woche, das ist die maximale Arbeitszeit in der Elternzeit, verkürzen wird.
In der Anfangszeit seines neuen Amtes sei dies kaum möglich, allerdings werde er versuchen, mittags nach Hause zu kommen und den Sonntag für die Familie frei zu halten. „Diese zwei Monate Elternzeit habe ich sehr gerne gemacht. Zwei oder drei Jahre zu Hause zu bleiben, kann ich mir hingegen nicht vorstellen“, so der junge Vater. Was aber, wenn in der sechsjährigen Wahlperiode die Familie weiter wächst? Er könne jeden Vater verstehen, der Zeit mit seinen Kindern verbringen möchte, sagt Brackmann: „Ich werde dann natürlich Urlaub nehmen. Ob ich aber auch wieder zwei Monate zu Hause bleibe, kann ich noch nicht sagen“, sagt Brackmann.
Nur 43 Prozent der Väter beantragen Elterngeld
Diesen Zwiespalt teilt Brackmann mit anderen Vätern: Nur 43 Prozent beantragen überhaupt Elternzeit und Elterngeld. Seit 2007 erhalten Eltern, die für die Betreuung ihrer Kinder im Job pausieren, vom Staat zwei Drittel ihres bisherigen Gehalts. Ihnen stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate nach der Geburt des Kindes an Basiselterngeld zu, sofern sich beide an der Betreuung beteiligen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen. 75 Prozent der Väter, so eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, nehmen ihre Elternzeit gemeinsam mit der Mutter. 20 Prozent bleiben im 13. und 14. Monat zu Hause, allerdings bleiben nach dem Auslaufen des Elterngeldes viele Mütter in unbezahlter Elternzeit weiterhin zu Hause.
Ob er mit dem Blick eines jungen Vaters andere Schwerpunkte in der Stadtpolitik setzen wird, kann Brackmann noch nicht abschätzen. Eines ist ihm jedoch schon aufgefallen: In den Fahrradständern und Fahrradgaragen gibt es keine Plätze für Lastenfahrräder. So eines besitzt die Familie Brackmann: Im vergangenen Herbst diente es als ungewöhnliches Wahlkampfmobil, künftig soll es für den Kindertransport eingesetzt werden.
Mit 32 Jahren ist Brackmann nicht nur der jüngste Bürgermeister in der Geschichte Lauenburgs ist, sondern auch landesweit. Doch es gibt durchaus noch jüngere Amtskollegen, die sich im „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen“ zusammengeschlossen haben: Lucas Halle etwa war 24, als er zum Verwaltungschef der brandenburgischen Stadt Zehdenick gewählt wurde, Henning Evers, Bürgermeister der niedersächsischen Samtgemeinde Hankensbüttel, war 25 Jahre alt.