Lauenburg/Büchen. Aktive aus dem Kreis Herzogtum blicken zum Waltnaturgipfel in Montreal – und formulieren Forderungen.

Für die einen sind es Minimalforderungen, die kaum helfen, andere kritisieren eine Überforderung aller. Kaum ist der Weltnaturgipfel in Montreal gestartet, wird mehr über zahlreiche Proteste als über die Beratungen der 190 Vertragsstaaten selbst berichtet. Es ist bereits absehbar, dass die bis 19. Dezember geplante Tagung vor allem eines produzieren wird: eingängige Sätze, die die Menschheit erreichen sollen. Auch im Kreis Herzogtum Lauenburg schauen Naturschützer nach Montreal.

UN-Generalsekretär fordert, „Orgie der Zerstörung beenden“

Zu Beginn hat UN-Generalsekretär António Guterres gemahnt, mit ihrem bodenlosen Appetit auf unkontrolliertes Wachstum sei die Menschheit „zu einer Massenvernichtungswaffe geworden“. Wir verwüsteten mit unserem Tun Wälder und Äcker wie auch Flüsse, Seen und Ozeane. Diese „Orgie der Zerstörung“ müsse beendet werden, die Menschheit müsse „Frieden mit der Natur schließen“.

Wie dies geschehen soll, ist zentrales Thema der multinationalen Tagung. Wichtiger Punkt ist das fortschreitende Artensterben, genauer die Frage, wie es aufgehalten, am besten gestoppt werden kann. Experten gehen davon aus, dass aktuell alle zehn Minuten eine Tier- oder Pflanzenart ausstirbt. Und damit unwiederbringlich vom Erdball verschwindet. Rund 42.000 Tier- und Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste, gelten als gefährdet.

Für den Artenschutz, ein Drittel der Welt unter Schutz stellen

Eine zentrale Förderung lautet, ein rundes Drittel der Welt unter Schutz zu stellen – Land wie auch Meeresflächen. Nur mit großräumigen, stark geschützten Gebieten lasse sich der Artenschwund verlangsamen. Die Prognose: In solchen Gebieten können sich gefährdete Tier- und Pflanzenarten so weit erholen, dass ihr Überlegen längerfristig sichergestellt werden kann.

Solche Überlegungen greifen aus Sicht vieler Naturschützer zu kurz. Heide Naderer, Vorsitzende des Naturschutzbundes Nordrhein-Westfalen, fordert, „der Schutz der Biodiversität muss oberste Priorität haben – weltweit, aber auch vor Ort“. Es werde zwar weltweit verhandelt, „doch umgesetzt werden muss das Abkommen in den Ländern und den Regionen“.

Müll und Gift stoppen nicht an imaginären Grenzen

Ohne Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen auch außerhalb von Schutzgebieten kann dies nicht funktionieren, stimmen aktive Naturschützer überein. „Plastikmüll, mit dem wir die Meere immer stärker belasten, stoppt nicht an Grenzen von Schutzgebieten“, mahnt Karl-Heinz Weber aus Siebeneichen, Nabu-Vorsitzender in der Region Büchen/Lauenburg: „An Plastikmüll in Flüssen und Meeren sterben Fische, Säugetiere und Vögel gleichermaßen, wenn sie ihn fressen – außerhalb und innerhalb von Schutzgebieten.“

Ein Mitglied des Wildnis-Komitees besprüht symbolisch als Insekten verkleidete Mitdemonstranten mit dem Herbizid Glyphosat vor einer Konferenz der Agrochemie-Lobbygruppe CropLife im Rahmen des Weltnaturgipfels in Montreal.
Ein Mitglied des Wildnis-Komitees besprüht symbolisch als Insekten verkleidete Mitdemonstranten mit dem Herbizid Glyphosat vor einer Konferenz der Agrochemie-Lobbygruppe CropLife im Rahmen des Weltnaturgipfels in Montreal. © dpa | Paul Chiasson

Lebensgrundlagen vor Ort besser schützen

Der Eintrag schädlicher Substanzen müsse verringert werden, fordert Weber, vor allem auch von Pestiziden und Fungiziden. Der Agrarsektor trage große Mitverantwortung an der Situation. „Wir können als Nabu Jahr für Jahr andere gefährdete Tiere zu Vögeln des Jahres wählen.“ Wenn es nicht gelinge, ihre Lebensräume und Lebensgrundlagen wie Insekten und Pflanzen zu schützen, werde das Artensterben voranschreiten.

„Ohne die von ihm benötigten Lebensräume wird auch das Braunkehlchen, der Vogel des Jahrs 2023, nicht überleben“, mahnt Weber. „Dem Wiesenclown fehlen die Wiesen“, hat jüngst der Nabu gewarnt. Der zwölf bis 14 Zentimeter messende Vogel benötigt artenreiche, ungespritzte Wiesen, wo er Spinnen, Insekten und deren Larven sowie Würmer und kleine Schnecken jagt.

Vogel des Jahres: Dem „Wiesenclown“ fehlen die Wiesen

Ohne Verkehrswende und Verzicht auf übermäßigen Fleischkonsum werde der Klimawandel fortschreiten, und damit das Artensterben, ist Wolfgang Pohle überzeugt. Der Büchener ist Vorstandsmitglied im BUND Kreis Herzogtum Lauenburg.

Auch im Kreis könne weitaus mehr für den Erhalt der Artenvielfalt geschehen. Dazu zählt Pohle den Verzicht auf weitere Flächenversiegelung sowie eine bessere Vernetzung von Biotopen. Die benötigen kleine Nager und Insekten wie der Laufkäfer, die in ihrer gesamten Lebenszeit nur wenige Kilometer zurücklegen: „Für sie sind Äcker von 600 Metern nicht zu überwinden. Sie benötigen besonnte Knickränder ohne Pestizide, um solche Strecken zu bewältigen.“

Vernetzung von Biotopen fördert die Artenvielfalt

Auch die Fauna benötige Hilfe. „Viele Kräuter und Gräser, deren Samen oft durch Tiere verbreitet werden, sind für ihre Keimung auf nährstoffarme Böden angewiesen“, so Pohle. In der intensiv bewirtschafteten und ausgeräumten Agrarlandschaft seien diese jedoch längst Mangelware.