Lauenburg. Karneval im Spätsommer – wo gibt’s denn sowas? In einem Dorf im Lauenburgischen. Hier zeigen Narren, dass sie richtig feiern können.
So mancher Jeck aus dem Rheinland hätte wohl seinen Augen nicht getraut: Karneval in Norddeutschland und das Anfang September? Doch spätestens, als sich am Sonnabend der fröhliche Zug und die buntgeschmückten Wagen in Bewegung setzten, dürfte auch dem letzten Zweifler klar geworden sein: Schnakenbek ist eine Karnevalshochburg.
Zugegeben, es war eine ziemlich verrückte Idee, den im Februar coronabedingt ausgefallenen Umzug in den Spätsommer zu verlegen. Schließlich endet die fünfte Jahreszeit bekanntermaßen am Aschermittwoch und der fiel in diesem Jahr auf den 2. März. Doch im Vorstand des Schnakenbeker Carnevalsvereins fand man schnell ein Motto für die ausgefallene Idee: Copacabana am Elbstrand.
Wasserduschen, Rosen und Kamelle für das Fußvolk
Eigentlich war erst mal alles wie immer. Pünktlich 12.11 Uhr setzten sich die Wagen auf Höhe des Heidelbeerhofes in Bewegung: an der Spitze mit dem Prinzenpaar Hans-Joachim „Moses“ Faust und Bettina Haack sowie der Karnevalsprinzessin Mareike Fechner. Dahinter dann die geschmückten Themenwagen und der des ehrwürdigen Elferrates.
Ganz Schnakenbek schien auf den Beinen, und auch viele Besucher von außerhalb wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Von allen Wagen dröhnte Musik. Wer nicht am Straßenrand tanzte, wippte mit den Füßen. Als der umstrittene Ballermann-Hit „Layla“ durch das Dorf schallte, ging die Post so richtig ab. „Den Song haben wir uns extra gewünscht“, erklärte Prinz Moses.
Man musste schon ein ausgesprochener Karnevalsmuffel sein, um sich von der fröhlichen Stimmung nicht anstecken zu lassen. Viele Besucher am Straßenrand hatten sich ebenfalls verkleidet: Kleine Prinzessinnen und Cowboys sammelten kiloweise Kamelle auf, die von den Wagen in die Menge flogen. Das Prinzenpaar verteilte artig Rosen.
Auf einem anderen Wagen gab „Elvis“ – vom Original kaum zu unterscheiden – den Ton an. Schwer zu sagen, ob beim Fußvolk die kleinen Schnäpse oder die Duschen aus der Wasserpistole besser ankamen. Auf jeden Fall kamen beim Umzug alle ordentlich ins Schwitzen. Auch das war eine Premiere in diesem Jahr: Zwar nicht ganz so heiß wie an der Copacabana, aber dennoch gab die Septembersonne alles. „Es ist das erste Mal, dass ich bei einem Umzug nicht gefroren habe“, stellte Prinzgemahlin Bettina fest.
Die große Party geht auf dem Sportplatz weiter
Weil in diesem Jahr sowieso alles anders ist: Warum nicht ein großes Sommerfest nach dem Karnevalsumzug feiern?
Und so endete der Umzug der Schnakenbeker Jecken auf dem Sportplatz der Gemeinde. Hier zeigten dann auch die verschiedenen Gruppen des Vereins ihr Können. Für die Nachwuchs-Garde war der Auftritt eine Premiere. Die Drei- bis Sechsjährigen werden sicher dafür sorgen, dass der Karneval in Schnakenbek auch in den nächsten Jahrzehnten eine Zukunft hat.
Beim Sommerfest zeigte sich einmal mehr, wie groß der Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist. Man traf sich auf ein Bier oder Wein, schnackte über dies und das. Die Mitglieder der Schnakenbeker Feuerwehr, die beim Umzug für Sicherheit gesorgt hatten, konnten jetzt auch entspannen, die Kinder des Dorfes tobten sich auf der großen Hüpfburg aus. Das Prinzenpaar waltete noch mal seines Amtes und begrüßte Vertreter der befreundeten Karnevalsvereine des Nordens. Davon gibt es gar übrigens nicht so wenig, wie man meinen könnte. Allerdings sind diese Traditionen meist importiert.
So war es auch beim Schnakenbeker Carnevalsverein. Irgendwann in den 1980er-Jahren zog es einen Rheinländer in den Ort. Viel mehr ist über ihn nicht mehr bekannt, nur soviel: Er vermisste hier im Norden wohl den Karneval. Weil er nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollte, gründete er zu jener Zeit zunächst das Männerballett. Im Jahre 1990 war es dann so weit: Der Rheinländer hatte die Nordlichter mit dem Karnevalsvirus infiziert. Der Schnakenbeker Carnevalsverein von 1990 wurde ins Vereinsregister eingetragen.
Norddeutscher Karnevalsverband schon 1953 gegründet
Was bei den Jecken im Rheinland wohl kaum jemand für möglich halten wird: Es gibt schon seit 1953 einen Norddeutschen Karnevalsverband. Insgesamt 40 Vereine aus Schleswig-Holstein und Hamburg sind derzeit darin vertreten.
Die heimliche Sehnsucht der Norddeutschen nach Karneval kannte nämlich schon der Schriftsteller Theodor Storm (1817-1888):
O wär im Februar doch auch,
wie’s ander Orten ist der Brauch
bei uns die Narrheit zünftig!
Denn wer, so lang das Jahr sich
misst, nicht einmal herzlich
närrisch ist, wie wäre der zu
andrer Frist wohl jemals ganz
vernünftig.