Lauenburg. Vor 50 Jahren machte der Raddampfer “Kaiser Wilhelm“ erstmals in Lauenburg fest. Geplante Sonderfahrt musste coronabedingt ausfallen.

„Der Tag, als wir mit dem Schiff in Lauenburg ankamen, war total verregnet. Schirm an Schirm standen die Menschen auf der Elbuferpromenade “, erinnert sich Werner Hinsch an den 25. Oktober 1970. Neun Tage war die fünfköpfige Mannschaft damals unterwegs gewesen, um den Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ von der Weser auf die Elbe zu überführen. Nach nun 50 Jahren wollte die heutige Crew die Ankunft noch einmal nachempfinden. Doch angesichts der wieder steigenden Corona-Zahlen fiel die Sonderfahrt ins Wasser.

Im Jahr 1967 gründete Hinsch als damaliger Leiter des Elbschiffahrtsmuseums unter anderem mit Dr. Ernst Schmidt aus Großhansdorf den Verein zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums. Zwei Jahre später landeten Hinsch und Schmidt den großen Coup: Der Raddampfer „Kaiser Wilhelm“, der damals auf der Weser fuhr, sollte eigentlich das Schicksal der meisten Dampfschiffe teilen und in der Schrottpresse enden.

Nicht alle Lauenburger waren von der Idee begeistert

Doch Ernst Schmidt handelte mit Vertretern der Oberweser-Dampfschifffahrtsgesellschaft den Abkauf aus. Denn was wäre passender gewesen, als den „Kaiser“ am Leben zu erhalten, das Schiff, auf dem Ernst Schmidt selbst schon 1930 als Dreijähriger erstmals mitgefahren war. Das Erlebnis aus der Kinderzeit blieb unvergessen.

Dr. Ernst Schmidt (1926-2018) fädelte den Verkauf des Raddampfers an den Verein zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums ein.
Dr. Ernst Schmidt (1926-2018) fädelte den Verkauf des Raddampfers an den Verein zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums ein. © BGZ / Elke Richel | Elke Richel

Hinsch lotete derweil aus, wie man in Lauenburg auf den Schiffsveteran reagieren würde. „Es ist ja nicht so, dass wir mit unserer Idee überall auf Begeisterung stießen. Es gab Leute, die fragten, was wir mit dem Schrott in Lauenburg wollen“, erzählt der heute 80-Jährige. Selbst der damalige Lauenburger Bürgermeister Dieter Wollenberg wusste von dem Deal lange Zeit nichts. „Ick heff em nich köfft“, soll er gesagt haben. Trotzdem war er letztlich stolz, als er 1970 mit dem neuen Vorsitzenden des Fördervereins des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums, Rudolf von der Heide, nach Hameln fahren konnte, um der ersten Crew eine gute Fahrt nach Lauenburg zu wünschen.

Mannschaft hatte einen Schein in der Tasche

Am 17. Oktober legte der Dampfer nach Lauenburg ab. Es ging von Hameln nach Minden, durch den Mittellandkanal – und dann ein gutes Stück durch die DDR. Damit es keine Probleme mit den Grenzern gab, hatte die Mannschaft einen Schein in der Tasche: „Ein Stück Raddampfer“ stand darauf. Die ostdeutschen Behörden waren trotzdem misstrauisch. Möglicherweise wollte die Mannschaft die Überfahrt des „Kaisers“ ja nutzen, um einem DDR-Bürger zur Flucht in den Westen zu verhelfen? „Die Grenzer kamen mit Hunden an Bord und wir mussten jede einzelne Tür öffnen“, erinnert sich Hinsch.

Als das Schiff am 25. Oktober 1970 endlich in Lauenburg ankam, war die Freude groß. Die Zweifler waren verstummt und das 1900 in Dresden erbaute Schiff wurde von typisch norddeutschem Schietwetter begrüßt.

1978 erste Sorgenfalten – "Kaiser Wilhelm" liegt fest

Zur Crew, die das Schiff nach Lauenburg holte, gehörten Hugo Burmester, Matthias Burmester, Heinz Trost, Werner Hinsch und Gerhard Groth.
Zur Crew, die das Schiff nach Lauenburg holte, gehörten Hugo Burmester, Matthias Burmester, Heinz Trost, Werner Hinsch und Gerhard Groth. © BGZ / Elke Richel | Elke Richel

Doch zunächst lag der „Kaiser“ immer wieder auf dem Trockenen, so auch 1978. Damals fehlten nicht nur die neuerdings vorgeschriebenen Rettungswesten. Auch der technische Zustand des Dampfers trieb dem damaligen Geschäftsführer des Fördervereins, Gerhard Groth, Sorgenfalten auf die Stirn. Statt Gäste an Bord zu nehmen, lag der „Kaiser“ auf der Slipanlage der ehemaligen Werft Schiffer und Goern fest. Doch dann kam aus Kiel die erlösende Nachricht: Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg hatte persönlich entschieden, 8000 D-Mark für die Arbeiten lockerzumachen.

„In Zukunft wird man in Lauenburg jedoch nicht mehr mit Fördergeldern rechnen können. Denn die Staatskanzlei weist ausdrücklich auf die Einmaligkeit der Sonderförderung hin und bittet darum, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass der Unterhalt des Raddampfers aus eigenen Mitteln bestritten werden kann“, schrieb die Lauenburgische Landeszeitung.

Da irrten die damaligen Kollegen zum Glück. Es sollte nämlich nicht die letzte Finanzspritze von Bund und Land sein, die seitdem den „Kaiser“ am Leben erhält. In diesem Jahr wurde der Schiffsveteran mit Fördermitteln des Bundes in Höhe von 950.000 Euro auf der Hitzler-Werft umfassend saniert.