Lauenburg. Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ hat einen kleine Bruder. Erst fuhr die Miniaturausgabe auf der Weser, jetzt auf dem Neckar.

„Ich bin ein bisschen verrückt“, sagt Rolf Wieprecht von sich selbst. Da ist vermutlich etwas dran. Dem 64-Jährigen aus dem idyllischen Städtchen Eberbach in Baden-Württemberg ist gelungen, dass der Raddampfer „Kaiser Wilhelm“ jetzt auf dem Neckar schippert. Gefunden hatte der Freizeitkapitän das Schiff auf der Plattform Ebay.

„Kaiser Wilhelm“ bei Ebay versteigert

In Lauenburg muss sich trotzdem niemand Sorgen machen. Rolf Wieprecht hat nämlich einen sieben Meter langen Nachbau ersteigert – gebaut und angeboten von einem, der wohl genauso „verrückt“ ist, wie er selbst. „Ich habe das Schiff im Internet gesehen und sofort ein Angebot gemacht“, erzählt Wieprecht. Eine ganze Nacht lang musste er sich gedulden, dann war der Handel perfekt. Mit Auto und Anhänger fuhr er im März dieses Jahres an die Weser zu Dieter Drubel. „Ich habe den ,Kaiser’ gesehen und war hin und weg“, erzählt Wieprecht, der bis dahin ganz „vergessen“ hatte, seiner Frau von dem ungewöhnlichen Geschäft zu erzählen. Dafür sei später immer noch Zeit, dachte er, und hörte sich 300 Kilometer von zu Hause entfernt, erstmal die Geschichte des „Kaisers“ an:

Kleiner Junge liebt den Ton der Dampfpfeife

Dieter Drubel war am Ufer der Weser aufgewachsen. Bis zum Sommer 1970 stand das Schiff hier im Liniendienst zwischen Hann. Münden und Hameln. Der kleine Dieter konnte es immer kaum erwarten, den satten Ton der Dampfpfeife zu hören, wenn der „Kaiser“ an seinem Elternhaus vorüberfuhr. Irgendwann nahm sich der Junge vor: „Dieses Schiff baue ich nach.“ Doch dann kam der Abschied. Im Auftrag des Vereins zur Förderung des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums kaufte Dr. Ernst Schmidt den damals 70 Jahre alten Raddampfer. Nach der Fahrt über den Mittellandkanal und die Elbe durch die DDR traf das Schiff am 25. Oktober 1970 in Lauenburg ein.

Der „kleinen Kaiser“ kommt in gute Hände

Doch Dieter Drubel hatte seinen Plan nie aufgegeben. Jahre später besorgte er sich Unterlagen seines Lieblingsschiffes und sammelte alles, was mit seinen Erinnerungen an die Kindertage am Weserufer und dem Schiff zu tun hatte. Im Jahre 2009 schwamm der „Kaiser Wilhelm“ endlich wieder auf der Weser, wenn auch nur in einem sieben Meter langen Miniformat – angetrieben von einem acht PS starken Verdampfer-Dieselmotor. Viele Male hatte Dieter Drubel mit seinem Eigenbau auf der Weser Aufsehen erregt. Auf Youtube gibt es sogar einen 13-minütigen Film „Kleiner Raddampfer Fulda“ über das Schiff. Doch irgendwann entschied er sich, seinen „Kaiser“ in gute Hände abzugeben, und so stellte er das Schiff bei Ebay ein. Mit Rolf Wieprecht hat der Modellbauer offensichtlich eine gute Wahl getroffen. Die kleinen „Macken“ des inzwischen achtjährigen Schiffes hat der Eberbacher seit März in 200 Arbeitsstunden bereits ausgemerzt.

„Kaiser-Treue“ besiegelt Männerfreundschaft

In der vergangenen Woche haben sich die beiden Männer nach der Übergabe des Schiffes zum ersten Mal getroffen – und beide waren überrascht, wie viel sie außer der „Kaiser-Treue“ verbindet. Rolf Wieprecht hat sogar eine äußerliche Ähnlichkeit ausgemacht: „Wir sind uns doch wie aus dem Gesicht geschnitten“, findet er . Zwei Tage hatte Dieter Drubel für seinen Besuch in Baden-Württemberg eingeplant. Er hätte Tränen in den Augen gehabt, als er seinen „Kaiser“ wiedersah, will Rolf Wieprecht beobachtet haben. Eines haben sich die beiden Männer beim Abschied in die Hand versprochen: Wenn immer Dieter Drubel Zeit und Lust hat, wird er seinen „Kaiser“ auf dem Neckar besuchen und ihn natürlich steuern.

Auf zu neuen Abenteuern

Im nächsten Jahr will Rolf Wieprecht mit dem „Kaiser“ ein großes Abenteuer wagen und auf der alten Neckartal-Raddampferroute von Heilbronn bis Mannheim schippern – mit etwa zehn Stundenkilometern, eine Woche lang auf dem Wasser. Und dann geistert dem umtriebigen Mann noch eine Idee im Kopf herum: Den „echten Kaiser“ auf der Elbe in Lauenburg besuchen. „Verrückt genug bin ich ja“, sagt er lachend.