Lauenburg. Nur zehn Minuten lang goss es in Lauenburg wie aus Eimern. Dann flossen durch die Elbstraße wieder Unrat und Fäkalien.

Immer wenn sich dieser Tage am Himmel wieder dunkle Wolken zusammenschieben, schauen die Anwohner der Elbstraße in Lauenburg mit bangem Blick nach oben. Zwar ist die Situation mit der Unwetterkatastrophe, wie sie die Menschen vor zwei Wochen im Westen Deutschlands erleben mussten, nicht zu vergleichen, doch Sorgen gibt es hier auch. Es reichen – wie am vergangenen Montag – schon zehn Minuten Starkregen, dann schwappt braunes, stinkendes Wasser durch die Straße, hochgedrückt aus den Gullys auf dem historischen Kopfsteinpflaster.

Starkregen sorgt für überschwemmte Elbstraße in Lauenburg

„Immer wieder kommt die Schiete hier hoch!“, schimpft ein Anwohner, der die Szenerie mit seinem Handy filmt. Und tatsächlich: Die Fetzen von Toilettenpapier und sogar Fäkalien sind in der trüben Brühe nicht zu übersehen. Das war schon bei dem verheerenden Hochwasser im Juni 2013 so. In der Auswertung der Ereignisse hatte die „Betroffenegemeinschaft Hochwasser“schon damals gefordert, die Sanierung der Kanalisation dem Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz vorzuziehen.

Dazu gehöre unter anderem, dass die Stromversorgung in der Unterstadt kurzfristig auf ein hochwassersicheres Niveau gebracht werde. Außerdem müsse die Kanalisation von der Oberstadt getrennt werden. „Es kann nicht sein, dass schon bei jedem Starkregen das Wasser bei uns hier unten überläuft“, sagte Sprecher Jörg Sönksen damals. Die Befürchtung der Betroffenengemeinschaft noch heute: Was ist, wenn bei einem Hochwasser einerseits das Grundwasser in die Kanalisation drückt und bei Starkregen gleichzeitig die Abwässer aus der Oberstadt in die Altstadt fließen?

Kanalisation in der Altstadt soll saniert werden – wann ist aber offen

Die Elbstraße ist ein historisches Pflaster – und ein schwieriges dazu: Die Sanierung, einschließlich die der Kanalisation, ist eine Mammutaufgabe. Dabei sollen die alten Mischkanäle für Regen- und Schmutzwasser durch ein modernes Trennsystem ersetzt werden, das auch genügend Oberflächenwasser aufnehmen kann.

Dass bisher in dieser Hinsicht nichts passiert ist, liegt nicht am fehlenden Geld. Die Finanzierung der Maßnahme ist zu 100 Prozent aus Mitteln der Wiederaufbauhilfe nach dem Hochwasser gedeckt. Insgesamt 10,5 Millionen Euro stehen dafür bereit. Seit eineinhalb Jahren ist das Unternehmen Merkel Ingenieur Consult aus Schwerin mit der Planung der Kanalsanierung in der Elbstraße betraut.

Doch noch sind den Experten für derartige Aufgaben die Hände gebunden. Die Stadt will nämlich nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Im Klartext: Die neue Kanalisation soll dem gesamten Hochwasserschutz-Konzept für die Altstadt angepasst werden. Für den Kernbereich der Altstadt – also vom Ruferplatz bis zum Kuhgrund – sind im Mai erst die Planungsleistungen ausgeschrieben worden. „Im August wissen wir, welches Büro die Planung dieses Bereiches übernimmt“, sagt Christian Asboe, bei dem in der Lauenburger Verwaltung die Fäden der Koordination des Hochwasserschutzes zusammenlaufen.

Planung Hochwasserschutz und Kanalsanierung erfolgt parallel

„Die Situation ist unhaltbar. Wir müssen davon ausgehen, dass auch bei uns Starkregenereignisse zunehmen werden“, ist Jörg Sönksen überzeugt. Doch an eine kurz- oder mittelfristige Lösung ist nicht zu denken. Baubeginn des Hochwasserschutzes für den Bereich der Elbstraße wird nicht vor 2028 sein – so hieß es zuletzt vonseiten der Stadt. Wann die Schutzlinie dann komplett steht, darauf will Asboe sich nicht festlegen lassen. „Das hängt dann ganz von den Planern ab. Sie werden auch einen Zeitplan entwickeln“, sagt er. Vorher wird es auch keine neue Kanalisation in der Elbstraße geben.

Allerdings: Steht im nächsten Monat das Planungsbüro für den Hochwasserschutz fest, kann endlich auch das Büro Merkel mit der Planung des Kanalsystems loslegen. „Die Ausschreibung war so formuliert, dass die Planer beider Bereiche von Anfang an zusammenarbeiten“, versichert Asboe.

Mit der Sanierung der Kanäle droht Verkehrschaos in der Elbstraße

Die Planer des neuen Kanalsystems in der Elbstraße stehen nicht nur vor technischen, sondern auch vor logistischen Herausforderungen. In der engen Altstadt gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten. Wie kann die Sanierung so ablaufen, dass Anwohner, Gastronomie und Tourismus möglichst wenig beeinträchtigt werden? Das ist eine der wichtigen Fragen, die eine detaillierte Vorplanung notwendig machen. Und nicht zuletzt müssen Rettungskräfte im Ernstfall jedes Haus an der Elbstraße erreichen können. „Natürlich müssen wir Anwohner uns auf Behinderungen einstellen“, sagt Sönksen.

Gebaut werden soll abschnittsweise, was das Tempo der Arbeiten noch einmal drücken dürfte. Nachdem das neue Kanalsystem in der Erde ist, wird das Huckelpflaster der Elbstraße bei dieser Gelegenheit nicht nur neu verlegt. Auch besser befahrbare und begehbare Streifen sollen darin geschaffen werden, ähnlich wie auf dem Großen Sandberg. Damit soll die Altstadt für Rollifahrer und Gehbehinderte wieder leichter passierbar werden.