Lauenburg/Behlendorf. Die literarische „Tour de Grass“ entlang des Elbe-Lübeck-Kanals erzählt vom Leben des Nobelpreisträgers in seiner Wahlheimat.

„Illsebill salzte nach.“ Der erste Satz in Günter Grass’ Roman „Der Butt“ gewann 2007 einen Hauptpreis der Initiative Deutsche Sprache für den schönsten ersten Satz. Salz ist auch das Stichwort, für eine ungewöhnliche Radtour, die einem Teil der Alten Salzstraße zwischen Lübeck und Lüneburg folgt.

Dabei geht es allerdings nicht um das „weiße Gold“, sondern um das Leben einer der berühmtesten deutschen Schriftsteller der Neuzeit, Günter Grass. Es ist die nach ihm benannte „Tour de Grass“. Die Wegstrecke führt über Behlendorf, eine Gemeinde, in der Grass von 1997 an lebte und 20154 begraben wurde.

24 Stationen rund um Leben und Werk des gebürtigen Danzigers

Bevor es am Günter-Grass-Haus in der Lübecker Altstadt losgeht, sollte man sich die kostenlose App „Tour de Grass“ herunterladen. Mit ihrer Hilfe gelangt man zu insgesamt 24 Stationen, die im Leben und Werk des gebürtigen Danzigers eine Rolle gespielt haben.

Wer sich auf die literarische Entdeckungsreise begibt, hört auf dem Weg Geschichten und Anekdoten aus dem Leben des Nobelpreisträgers.

In der Marienkirche Günter Grass als Maler und Grafiker entdecken

Start der 46 Kilometer langen Tour ist am historischen Gebäude an der Glockengießerstraße 21. Doch zunächst heißt es schieben und zwar zur Marienkirche. Hier befindet sich die erste Station. Wer den Barcode scannt, erlebt einen virtuellen Rundgang durch die Kirche.

Was nicht jeder weiß: Grass war auch Maler und Grafiker. In der Kirche hängt ein dreiteiliges Bild von ihm. Schauspielerin Katharina Thalbach – die übrigens alle Texte spricht – liest das Gedicht „Die Wolke als Faust überm Wald. Ein Nachruf“.

Dichterfürst ließ sich von Lübecker Marzipan-Tempel inspirieren

Vor dem Hause Niederegger erfahren die Teilnehmer, dass das berühmte Marzipan-Café Grass inspiriert hat, seine Vision eines multikulturellen und friedlichen Miteinanders in einem Gedicht niederzuschreiben. Jetzt geht es weiter Richtung Mölln immer am Elbe-Lübeck-Kanal entlang.

Grass hat oft betont, wie sehr ihm die Landschaft seiner Wahlheimat beflügelt. Nächste Station: Die Skulptur „Fisch im Kopf“. Über die App erfahren die Radwanderer Wissenswertes über die Geschichte der Alten Salzstraße.

Felder soweit das Auge reicht, Schafe und saftige Wiesen

Nach knapp 16 Kilometern ist das kleine Dörfchen Behlendorf erreicht. An der Schleuse steht die Skulptur „Kanalhering“ – und natürlich die nächste Möglichkeit, die App zum Einsatz zu bringen. Katharina Thalbach liest den Text „Genau hingucken. Zum Tod des Bildhauers Karl Hartung“.

Es lohnt sich, in Behlendorf noch etwas zu verweilen. In den idyllischen Fleckchen Erde lebte Grass 30 Jahre mit seiner Ehefrau Ute. Wer sich genau umschaut, hat eine Ahnung davon, was den damals schon berühmten Schriftsteller an dem Ort faszinierte: Felder soweit das Auge reicht, Schafe und saftige Wiesen.

Katharina Thalbach liest mal einfühlsam, mal voller Leidenschaft

Die Schleuse von Behlendorf überwindet den Höhenunterschied von 12 Metern zwischen der Trave bei Lübeck und der Elbe bei Lauenburg – auch das erfahren die Teilnehmer über die App. An einer weiteren Station erzählt Katharina Thalbach, dass Grass an dieser Stelle oft mit seiner Staffelei anzutreffen war. Er liebte es, die idyllische Landschaft in Bildern festzuhalten.

In Behlendorf gibt es natürlich die meisten Stationen, an denen man dem Schriftsteller ganz nah sein kann. Und immer wieder die Stimme der Thalbach, die mal einfühlsam, mal voller Leidenschaft ein Bild des Schriftstellers schafft.

Bundes-Landwirtschaftsministerium hat das Projekt gefördert

Wer sein Auto in Lübeck stehen gelassen hat, kann bequem mit der Bahn ab Mölln zurückfahren. Der Zug fährt stündlich und ist in 35 Minuten wieder in der Hansestadt. Zum Abschluss bietet sich ein Besuch im Günter-Grass-Haus an. Wahrscheinlich wird man den Nobelpreisträger dann mit anderen Augen sehen.

Die „Tour de Grass“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über das Förderprogramms LandKultur mit knapp 100.000 Euro unterstützt. Für den Inhalt der App ist die Kuratorin Julia Wittmer verantwortlich.

Günter Grass (1927-2015)

Günter Wilhelm Grass wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig geboren. Verstorben ist er am 13. April 2015 in Lübeck.

Es war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Bildhauer, Maler und Grafiker.

Grass gehörte seit 1957 zur Gruppe 47 und wurde mit seinem Debütroman Die Blechtrommel 1959 zu einem international geachteten Autor der deutschen Nachkriegsliteratur.

Seine zentrale Motivation war der Verlust seiner Heimat Danzig und die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, die sich vielfach in seinen Werken widerspiegelt.

Seine Popularität als Schriftsteller nutzte er häufig, um das politische und gesellschaftliche Tagesgeschehen öffentlich zu kommentieren.