Lauenburg. Der Kirchenkreis will mit Veranstaltungen Friedhöfe wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen rücken. Was dahinter steckt.
Für Bernd K. Jacob, Friedhofsbeauftragter des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, steht fest: Friedhöfe sind schon längst mehr als triste Grabreihen. Mit dem Wandel der Trauerkultur verändern sich auch Friedhöfe – weg von reinen Bestattungsorten, die von Tränen und Trauer geprägt sind, hin zu parkähnlichen Anlagen, die auch soziale, ökologische und kulturelle Funktionen erfüllen.
Um zur Ruhe zu kommen im stressigen Alltag. Um Gefühlen einen Raum zu geben, die sonst untergehen könnten. Um wieder eine Beziehung zum Tod als Teil des Lebens zu entwickeln.
Gelungene erste Ansätze auf dem Friedhof in Lauenburg
Ein gutes Beispiel dafür ist für ihn der Friedhof Lauenburg, der mit seinen vielfältigen Themengärten, einem Kunstpfad sowie dem Himmelsgarten für Bestattungen, Konzerte und Lesungen unter freiem Himmel bereits seit Längerem neue Wege geht, und das sehr erfolgreich.
Kultur auf dem Friedhof – ein Teil der neuen Friedhofskultur? Jacob nickt. „Wir benötigen moderne Konzepte“, sagt er. Gemeinsam mit Mitarbeitern hat er in einem Workshop Möglichkeiten erarbeitet, wie Friedhöfe wieder mehr in den Fokus gerückt werden können. Die Frage dabei war: Wie kann man sie für die Öffentlichkeit interessant machen?
Zwölf Tage ein Potpourri aus Musik, Tanz, Film und Ausstellungen
„Es geht uns nicht um eine neue Rolle für die Friedhöfe. Vielmehr sollen sie ihren Platz im Herzen der Orte und der Menschen nicht verlieren“, sagt Jacob. Statt an den Rand des Denkens und das Ende des Lebens gedrängt zu werden, sollen es Orte der Begegnung sein, grüne Oasen mitten im Leben, die eine lange Geschichte haben.
„Grün ist die Hoffnung – Kultur auf dem Gottesacker“ lautet das Motto einer Reihe kultureller Veranstaltungen, die vom 17. bis 29. September auf Friedhöfen im Herzogtum Lauenburg stattfinden werden. Zwölf Tage wird es ein Potpourri an Musik, Tanz, Film, Ausstellung geben.
Demnächst wird eine Homepage mit weiteren Informationen freigeschaltet
„Noch sind wir bei letzten Vorbereitungen“, sagt Jacob. Bald wird eine Homepage unter www.kirche-ll.de freigeschaltet, über die sich Interessierte für einen Newsletter eintragen können. Ab August gibt es dort weitere Infos.
Es gibt noch einen anderen Aspekt für die Aktion, einen wirtschaftlichen. „Wir müssen konkurrenzfähig bleiben und für unsere Friedhöfe werben“, sagt er. Kirchliche Friedhöfe finanzieren sich durch die Gebühren und müssen kostendeckend arbeiten.
Die UNESCO hat die Friedhofskultur zum immateriellen Kulturerbe erhoben
„Es gibt mittlerweile viele Mitbewerber in puncto Bestattung. Aber Kirche hat viele Vorteile: Sie war immer nah am Menschen, nah an den Hinterbliebenen. Das wollen wir den Menschen ins Gedächtnis rufen.“
Einen letzten Anstoß für die Planung gab die Auszeichnung der Friedhofskultur als immaterielles Kulturerbe der UNESCO im vergangenen Jahr, berichtet Jacob. „Wir haben festgestellt, dass Friedhöfe während der Pandemie wieder belebte Orte wurden – auch für Menschen, die nicht trauerten“, sagt er. Zusammen mit einem Netzwerk aus Kirche, Kultur und Verwaltung hat er das Programm erarbeitet.
Freiflächen auf den Friedhöfen bieten vielfältige Möglichkeiten
„Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass wir Kultur auf dem Friedhof anbieten, und zwar nicht nur klassische Konzerte, sondern auch Kino in der Kapelle sowie eine Ausstellung zum Totenkopf als Alltagsgegenstand“, sagt er. „Wir sind uns bewusst, dass wir damit in die Diskussion gehen. Wir wollen nicht provozieren, sondern die Möglichkeiten kommunizieren, die Friedhöfe bieten.“
Und davon gibt es viele, das haben bereits die ersten Konzerte auf Friedhöfen im Rahmen des Kultursommers am Kanal gezeigt. Da sind die Freiflächen der Gottesacker, die Events unter freiem Himmel ermöglichen, aber auch die Kapellen, die nicht nur für Gottesdienste und Beisetzungen genutzt werden, sondern in denen es auch fröhlich zugehen kann, wie bei einem Film der in Worth gezeigt wird. „Das wird Gesprächsstoff bieten. Aus dem Grund sich direkt an die Vorführung ein Diskurs über das Thema an: Geht das – Popcorn, wo sonst Tränen fließen?“ sagt Jacob. Er meint, es geht.
Der Höhepunkt ist ein Abend mit dem Bundesjugendballett John Neumeier
„Freude darf durchaus neben Trauer existieren.“ Das sei ein Weg, um das Tabuthema Tod aufzubrechen und wieder als Teil des Lebens zu sehen. Ein Höhepunkt ist ein Abend mit dem Bundesjugendballett John Neumeier in Ratzeburg sowie der Michaelisempfang von Pröpstin Frauke Eiben am 29. September, der den Schlusspunkt setzt.