Lauenburg. Der akustische Rundgang durch die Stadt macht den Pfingstspaziergang zum Erlebnis. Es gibt 15 verschiedene Stationen.
Unter einem Parcours stellen sich die meisten Menschen wahrscheinlich eine abgesteckte Strecke vor, die – versehen mit allerlei Hindernissen – die Teilnehmer zu sportlichen Höchstleistungen antreibt. Was ein „Klangparcours“ ist, erschließt sich dagegen nicht im ersten Moment. Unter Leitung von Kunstvermittler Benjamin Stumpf und dem Team des Künstlerhauses ist in Lauenburg ein akustischer Rundgang entstanden.
Der Lauenburger Autor Stefan Tomaszewski hat sich auf den Weg gemacht und wird am Ende wissen, warum der Begriff Parcours durchaus passend ist.
Klangparcours in Lauenburg startet in der Touristinformation an der Elbstraße
„Es ergibt Sinn, sich den Parcours häppchenweise zu gestalten“, hatte Benjamin Stumpf bei der offiziellen Vorstellung des Klangparcours in Lauenburg geraten. Fünfzehn Stationen mit ganz unterschiedlichen akustischen Darbietungen erwarten mich, digital verschlüsselt auf einem blauen Schild. Ausgestattet mit einem aufgeladenen Smartphone mache ich mich auf, dem Weg der Töne dieser Stadt zu folgen.
Am Eingang der Touristinformation prangt das erste blaue Schild: Ich fotografiere das schwarz-weiße Quadrat in der Mitte mit der Handykamera und schon höre ich den Zeitzeugen Gerhard C. Er erzählt aus seinem Leben in Lauenburg, wie er als Junge im Sommer in der Elbe badete, sogar von der Kanalbrücke gesprungen ist. Von den Zuständen im Krieg, in dem sein Vater auf der Boizenburger Werft Ein-Mann-U-Boote bauen musste und wie er seine Frau beim Tanz kennengelernt hat. Ein rührendes Stück Zeitgeschichte.
Offene Worte einer Frau, die den Wandel der Stadt miterlebt hat
Station Nummer zwei finde ich an der Promenade am Ende der Möller-Twiete, die direkt vom Marktplatz zur Elbe führt. Der französische Künstler Boy Jonathan untersucht in seinem Projekt „Inbetween“ die Lauenburger Unterstadt und die Elbe. Ich höre Bootsmotoren und Pfeifen, Wellenschlag, das Publikum einer Musikveranstaltung; ein bisschen wie ein akustisches Ratespiel.
Und so geht es weiter die Promenade entlang, am Ruferplatz vorbei zum „Alten Schifferhaus“. Dort bekomme ich harsche Kritik einer Lauenburger Zeitzeugin auf die Ohren: „Früher war es in der Elbstraße immer schön, da gab es viele Lebensmittelgeschäfte, Kneipen und Hotels. Aber der schönste Platz war immer an der Elbe“, schwärmt die alte Dame. Und im selben Atemzug: „Aber jetzt ist es ja ziemlich tot da unten“ und die Oberstadt sei ein Schandfleck. Offene Worte einer Frau, die den Wandel der Stadt miterlebt hat.
Über steile Treppen geht es hinauf in die Lauenburger Oberstadt
„Der Klangparcours ist nicht barrierefrei“, steht auf dem Faltblatt aus der Touristinformation. Als ich zu den Askanierstufen komme, ist sofort klar, warum: Die Treppe hinauf zum Fürstengarten ist nicht nur unüberschaubar lang und steil, sondern stellenweise auch uneben.
Selbst für durchschnittlich Trainierte ist dieser Aufstieg eine kleine Herausforderung. An einer Straßenlaterne am unteren Absatz entdecke ich die nächste Station und ich höre auf meinem Smartphone, wie der Künstler Vasco Frontzek diese Stufen hinaufgestiegen ist: Zweieinhalb Minuten begleiten mich seine Schritte und der immer schwerer werdende Atem, bis auch ich endlich schnaufend oben im Fürstengarten ankomme.
An der Friedrichsbrücke wartet ein weiterer Zeitzeuge
An der Grotte erwartet mich ein geschichtlicher Abriss der Geschichte Lauenburgs, an der Holzbrücke zum Schloss schildert Alfred K. in einem Interview eindringlich seine Erfahrungen und Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg in Breslau und Gleiwitz. Und als ich am Schloss den Ausblick über die Elbe genieße, hör ich mir ein Stück der Komponistin Fazia Fallah an, die 2019 Stipendiatin im Künstlerhaus Lauenburg war. Ungewohnte Klänge aus Horn und Viola beschreiben das Tanzen des Lichtes auf dem Wasser, die Möwenschreie und springende Fische.
An der Friedrichsbrücke wartet ein weiterer Zeitzeuge auf mich und auf der Brachfläche zwischen „Lütten Markt“ und Berliner Straße kann ich ein Video der ehemaligen Stipendiatin Fumiko Kikuchi ansehen, in dem vier bekannte Gebäude Lauenburgs im doppelten Sinne des Wortes zur Sprache kommen.
Zweistündiger Fußmarsch mit ausreichendem Klangmaterial
Als ich auf dem Weg zurück in die Unterstadt die letzte Station im Graben erreiche, höre ich von der ehemaligen Stipendiatin Areum Lee eine moderne Komposition „für Schlagzeug-Solo mit Elektronik“, die mich bis zur Tourist-Information begleitet.
Über zwei Stunden Klangmaterial und einen ordentlichen Fußmarsch habe ich schließlich hinter mir. Vielleicht hätte ich auf den Rat von Benjamin Stumpf hören sollen. Aber spannend war es allemal.
- Der Klangparcours in Lauenburg:
15 hörbare Kunstwerke laden Interessierte zu einem außergewöhnlichen Rundweg ein. Ausgestattet mit Smartphone oder Tablet erleben Interessierte Lauenburg aus einem ganz neuen Blickwinkel. Über QR-Codes an den Klangstationen werden Verbindungen geschaffen zwischen dem jeweiligen Ort und den Tönen, die ihm zugedacht sind. Wer sich ganz ohne technische Hilfsmittel auf den Weg machen möchte, kann sich in der Touristinformation unter Telefon 041 53/5 90 92 20 zu einer akustischen Führung anmelden.