Lauenburg. Corona bringt für Kinder viele Einschränkungen mit sich. In der Lauenburger Weingartenschule soll die Sozialarbeit gestärkt werden.

Emilian ist sieben Jahre alt und eigentlich ein fröhlicher Junge. Er hatte es kaum erwarten können, endlich in die Schule zu gehen. Jetzt möchte er dort am liebsten gar nicht mehr hin. Im Unterricht muss der Junge weitab von den anderen Kindern sitzen. Und erst wenn alle den Raum verlassen haben, darf er in die Pause gehen. Emilian soll sich fernhalten von den anderen Kindern, denn die tragen eine Maske, er selbst aber nicht.

„Mein Sohn hat erhebliche gesundheitliche Probleme. Der Kinderarzt hat vom Tragen einer Maske dringend abgeraten und ein Attest ausgestellt“, sagt seine Mutter Laureen Plath. Dabei habe Emilian noch Glück. „Er hat eine Klassenlehrerin, die versucht, ihn immer wieder aufzufangen. Aber das kann sie gar nicht immer leisten.“

Lauenburger Politiker einig: Weitere Stelle für Schulsozialarbeit

Wie denn auch? Die coronabedingten Regeln machen es derzeit den Lehrkräften schwer. „Ansonsten stille und angepasste Kinder werden zunehmend verhaltensauffällig. Eltern aus allen Schichten berichten über Kinder, die ihnen gegenüber aggressiv werden und derer sie sich nicht zu erwehren wissen“, weiß Stadtjugendpflegerin Friederike Betge. Die Leiterin der Weingartenschule, Victoria Schulz, hat einen Hilferuf an die Stadt geschickt. „Kinder und Jugendliche zeigen vermehrt Ängste, die Schule überhaupt wieder zu betreten. Depressionen häufen sich. Eltern berichten, dass manche Kinder die Wohnung, sogar ihr Zimmer, gar nicht oder nur widerwillig verlassen. Die Anforderungen an Schulsozialarbeiter und die Schulassistenten steigen immer mehr“, heißt es darin. Die Bitte der Schulleiterin: Zu den zwei bereits bestehenden Stellen für die Schulsozialarbeit soll zusätzlich eine halbe Stelle geschaffen werden.

Während der jüngsten Stadtvertretersitzung stand dieses Thema auf der Tagesordnung. Eine kontroverse Diskussion gab es nicht. Einstimmig beschlossen die Fraktionen, der Beschlussvorlage der Verwaltung zu folgen.

Kinderärzte warnen vor langfristigen psychischen Schäden

An der Weingartenschule arbeiten ein Schulsozialarbeiter mit 25 Stunden, eine Schulsozialarbeiterin mit 15 Stunden sowie eine Sozialpädagogin im Anerkennungsjahr mit 20 Wochenstunden. An der Grundschule lernen 408 Kinder. Durch das neue Wohngebiet Birnbaumkamp, in dem derzeit viele Familien ein neues Zuhause finden, wird die Zahl der Schüler in Lauenburgs einziger Grundschule noch erheblich steigen.

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Axel Gerschlauer ist Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte für die Region Nordrhein. Er weiß aus seiner täglichen Praxis, wie es den 13,5 Millionen Minderjährigen in Deutschland in der Corona-Krise geht. Deutschland werde viel Zeit und Geld investieren müssen, um Hunderttausende von Mädchen und Jungen wieder einigermaßen in die Spur zu bekommen. „Das wird eine riesige Aufgabe. In den nächsten zwei Jahren werden wir einen Plan brauchen und massiv Personal ausbauen müssen. Vor allem bei den Psychotherapeuten brauchen wir 50 Prozent mehr“, so Gerschlauer im Online-Magazin „Made for minds“.

Alle Entscheidungen nur mit Blick auf die Infektionszahlen getroffen

Genau das macht auch Laureen Plath Angst. „Ich will ja gar nicht über den Sinn der Maskenpflicht oder der verpflichtenden Testung der Kinder im Unterricht diskutieren“, sagt die 29-Jährige. Was ihr jedoch aufgefallen sei: Alle Entscheidungen der vergangenen Monate, vor allem diejenigen, die Kinder betreffen, seien aus ihrer Sicht immer nur mit Blick auf Infektionszahlen und Inzidenzwerte getroffen worden. Sie habe nicht den Eindruck, dass irgendjemand den Nutzen und die psychischen Folgen für die Kinder gegeneinander abwägt.

„Ich wünsche mir, dass Kinder ihre Gefühle kundtun können, dass sie ernst genommen werden. Schaut auch auf die Kinder, nicht nur auf die Zahlen“, fordert sie.

  • Corona und Kinderpsyche:

Die sogenannte COPSY-Studie wurde im Juni vergangenen Jahres vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erstellt. In dieser Zeit wurden Schulen und Freizeiteinrichtungen langsam wieder geöffnet und Kontaktbeschränkungen gelockert. 3600 Familien mit Kindern zwischen sieben und 17 Jahren nahmen an der Studie teil. Sie wurden befragt, welche Auswirkungen die erste Welle der Pandemie auf die Psyche der Kinder hatte.

Insgesamt fühlten sich 70,7 Prozent der Kinder und 75,4 der Eltern durch die Pandemie und die damit einhergehenden Veränderungen belastet. Die Kinder empfanden Homeschooling als extrem belastend (64,4 Prozent). Schlimmer noch wog die Tatsache, dass der Kontakt zu Freunden stark eingeschränkt war (82,8 Prozent). 27,6 Prozent der Befragten gaben an, dass es häufiger Streit in der Familie gab.

Das Vorkommen psychischer Auffälligkeiten bei Kindern stieg von 17,6 Prozent vor der Pandemie auf 30,4 Prozent während des ersten Lockdowns. Damit wurden bei etwa jedem dritten Kind aufgrund der coronabedingten Einschränkungen psychische Auffälligkeiten festgestellt. 63 Prozent der befragten Eltern wünschten sich im Umgang mit ihrem Kind während der Corona-Pandemie mehr Unterstützung.