Dassendorf. Ihr Mann starb, dann wurde sie querschnittsgelähmt. Brigitte Fuhrmann (72) aus Dassendorf blitzte bei Kassen ab. Was dann passierte.

Hinter Brigitte Fuhrmann (72) und ihrer Tochter Petra Fuhrmann liegen dramatische Monate. Nach zwei schweren Schicksalsschlägen wurde das Leben der beiden auf den Kopf gestellt. Und es brauchte einen langen Atem, damit es wieder Licht am Ende des Tunnels für Mutter und Tochter gab. Doch der Reihe nach.

Brigitte Fuhrmann zog am 24. August vergangenen Jahres – damals noch mit ihrem Ehemann Helmut Fuhrmann – in die Senioren-Gartenresidenz. Die beiden wollten ihren Lebensabend in dem in Wentorf gelegenen Domizil verbringen, bei Helmut Fuhrmann war Alzheimer diagnostiziert worden. Kurz nach dem Auszug schlug das Schicksal zum ersten Mal hart zu. Einen Tag nach dem Umzug wurde Helmut Fuhrmann ins Bethesda Krankenhaus in Bergedorf eingeliefert. Der Gesundheitszustand des 80-Jährigen verschlechterte sich rapide, einen knappen Monat später starb er.

Am Krankenbett versprochen, auf die Mutter aufzupassen

„An seinem Krankenbett habe ich ihm versprochen, dass ich auf meine Mama aufpassen werde und er sich keine Sorgen machen muss“, erzählt Petra Fuhrmann. Aber das Schicksal gab immer noch keine Ruhe. Kurz darauf folgt der zweite Schlag: Im Januar 2023 klagte Brigitte Fuhrmann über einen drückenden Schmerz an der Wirbelsäule: ein Aneurysma an der Aorta.

Die Ärzte im Universitätsklinikum Eppendorf setzten zwei Operationstermine an, um die Arterien-Ausbuchtung zu entfernen. Nach der ersten OP im Januar war noch alles gut. Das sollte sich ändern. Vier Wochen später wurde die zweite OP durchgeführt – mit einem bösen Ende. Das Aneurysma platzte.

Querschnittsgelähmt nach einem Hustenanfall

„Meine Mama musste notoperiert werden“, berichtet Petra Fuhrmann. „Sie ist eine Kämpferin und hat sich berappelt“. Aber am dritten Tag bekam die Seniorin einen Hustenanfall. „Ich hatte danach ein ganz komisches Gefühl in den Beinen, so, als ob sie eingeschlafen sind. Seitdem bin ich von der Hüfte an gelähmt und sitze im Rollstuhl“, sagt die 72-Jährige.

Die Hingabe ihrer Tochter gab ihr den Lebenswillen zurück. „Mami sollte bei uns wohnen, sie sollte auf keinen Fall allein zurück in die Seniorenresidenz“, sagt sie. Petra Fuhrmann suchte fieberhaft nach einem Haus, das behindertengerecht ist und Platz bot für ihre zwei Kinder, den Lebensgefährten und Hund Rambo. In der Dassendorfer Waldsiedlung mietete sie ein Fünf-Zimmer-Haus an, während Brigitte Fuhrmann eine Reha im Querschnittgelähmten-Zentrum in Boberg machte.

1200 Euro an Transportkosten – in der Woche

„Ich wusste ja, dass die Reha am 28. Juni 2023 abgeschlossen sein wird, daher wollte ich alles für meine Mami vorbereiten. Was einfach klingt, wurde zum Hürdenlauf. Meine Mutti muss drei Mal in der Woche zur Physiotherapie. Da sie ja auf den Rollstuhl angewiesen ist, wird die Fahrt durch einen Krankentransport durchgeführt“, berichtet Petra Fuhrmann.

Die Kosten hierfür belaufen sich auf 1200 Euro – für eine Woche. „Ich habe daher bei der Rentenkasse nachgefragt, ob ich die Fahrten nicht selbst organisieren kann und dafür das Benzingeld erstattet bekomme. Dort hat man mir dann unterstellt, dass ich mich bereichern will“, berichtet Petra Fuhrmann kopfschüttelnd.

Zuschuss für behindertengerechtes Auto wollten die Kassen nicht gewähren

Auch ein Zuschuss für ein behindertengerechtes Auto habe weder die Renten- noch die Krankenkasse gewähren wollen, sagt Petra Fuhrmann. Die Rentenkasse habe argumentiert, sie sei nicht zuständig, da sie nur bei Berufsunfällen greife. Auf ebenso taube Ohren stieß sie bei der Frage nach einem Zuschuss für eine Duschrampe. „Ich habe jetzt selbst eine gebastelt, damit Mami duschen kann“, berichtet sie.

An Improvisationstalent fehlt es Petra Fuhrmann nicht. Aus einer Bodenfliese hat sie eine Rampe für die bodentiefe Dusche gefertigt. An der Terrassentür dienen Metallroste, die eigentlich auf Drainagen verbaut werden, als Rampe. Und an der Haustür stehen zwei Gummi-Multifunktionsrampen bereit, die Petra Fuhrmann über das Internet bezogen hat und die nun als Rampe für den Rollstuhl dienen.

Beim behindertengerechten Ausbau wurde improvisiert: Diese Rampe hat Petra Fuhrmann mit Rinnenrosten gelegt.
Beim behindertengerechten Ausbau wurde improvisiert: Diese Rampe hat Petra Fuhrmann mit Rinnenrosten gelegt. © Ariaane D. Funke | Ariaane D. Funke

Die Mutter sollte weiterhin am Leben teilnehmen können

Verzweifelt suchte die Wahldassendorferin noch nach einem behindertengerechten Auto. Erneut blieb die Anfrage nach Förderung bei Kranken- und Rentenkasse erfolglos „Ich kann und möchte meine Mami mit ihrem Schicksal nicht allein lassen. Sie soll weiterhin am Leben teilnehmen“, sagt Petra Fuhrmann.

Insgesamt fragte sie bei 50 Organisationen an, um ein passendes Fahrzeug bezuschusst zu bekommen. Sie stieß auf die Gisela Hagemann Stiftung mit Sitz in Kiel, sie fördert Querschnittsgelähmte. So kam der Kontakt zu Ann-Kathrin Zimanji zustande. Die Berlinerin ist die Nichte von Dr. Irmhild Bärend, die ebenfalls auf einen Rollstuhl angewiesen war und 2021 verstorben ist.

Im Nachlass befand sich ein behindertengerecht umgebauter VW-Van

In ihrem Nachlass befand sich ein VW T5 Van, der behindertengerecht umgebaut worden war. Neben dem Fahrer und dem Rollstuhl hat der T5 Platz für zwei weitere Mitfahrer. „Wir werden noch eine zusätzliche Bank anschaffen, dann kann die ganze Familie mitfahren“, berichtet Petra Fuhrmann.

Die Gisela Hagemann Stiftung sprang ein und kaufte den Wagen für 30.000 Euro. „Das ist der erste Wagen, den wir angeschafft haben. Die Stiftung ist Käuferin, der Wagen wird auch über uns angemeldet“, erklärt Volker Paustian, der zum Vorstand gehört.

Erste Fahrt steht schon fest: Erst mal zum Supermarkt

Jetzt war die Freude groß, als das Fahrzeug übergeben wurde. Ann-Kathrin Zimanji kam extra aus Berlin angereist, um zu sehen, in welchen Händen das Auto ihrer verstorbenen Tante gelandet ist. Volker Paustian war als Vertreter für die Gisela Hagemann Stiftung zu Gast.

Der erste Fahrt ist schon geplant. „Es geht zum Einkaufen. Mutti ist, seitdem sie aus der Reha zurück ist, nicht mehr im Supermarkt gewesen. Sie möchte nun gerne selbst mal schauen, was es so gibt“, berichtet Petra Fuhrmann.