Geesthacht. Studie zum Klimawandel: Was passiert in der Stadt, wenn es so stark regnet wie 2021 im Ahrtal? Und was geschieht bei großer Hitze?

So schlimm wie das Ahrtal wurde in Deutschland noch keine Region von Starkregen getroffen. Am 14. Juli 2021 kamen dort 134 Menschen ums Leben, zwei sind immer noch vermisst. Insgesamt kam es in jenem Jahr bundesweit wegen Überflutungen nach Regenfällen zu Schäden in Höhe von 80 Milliarden Euro, allein im Kreis Ahrweiler betrug der durchschnittliche Schaden pro Wohngebäude 210.000 Euro.

„In der Geesthachter Topographie sind solche Überflutungen nicht zu erwarten“, so das einigermaßen beruhigende Resümee von Markus Groth. Aber auch hier gebe es Gefahrenpunkte. Der Wissenschaftler des Gerics stellte auf dem Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung die von der Stadt beauftragte Starkregen- und Stadtklimamodellierung vor. Das „Climate Service Center“ Gerics des Helmholtz-Zentrums entwickelt Produkte und Dienstleistungen zum Thema, um Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei der Anpassung an den Klimawandels zu unterstützen.

Hitze und Starkregen: So gefährlich wird es in Geesthacht

Markus Groth (Gerics) stellt die Ergebnisse der Starkregen- und Hitzeforschung für Geesthacht auf dem Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung vor. Es sieht so aus, als ob ihn die Ergebnisse selbst ins Schwitzen bringen. Die blauen Flächen sind vollgelaufene Gebiete. Am oberen Bildrand liegt der Düneberger Sportplatz, ein Kunstrasen. „Aus Klimaaspekten sind Naturrasenplätze die bessere Wahl“, empfiehlt Markus Groth.
Markus Groth (Gerics) stellt die Ergebnisse der Starkregen- und Hitzeforschung für Geesthacht auf dem Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung vor. Es sieht so aus, als ob ihn die Ergebnisse selbst ins Schwitzen bringen. Die blauen Flächen sind vollgelaufene Gebiete. Am oberen Bildrand liegt der Düneberger Sportplatz, ein Kunstrasen. „Aus Klimaaspekten sind Naturrasenplätze die bessere Wahl“, empfiehlt Markus Groth. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Das gelingt mithilfe von einfachen, schnell zu erfassenden Visualisierungen von klimabezogenen Daten, die im Geesthachter Ratssaal an die Leinwand projiziert wurden. Eine einfache Analyse würde von entsprechenden Büros bis zu 30.000 Euro kosten. „Wir haben es unentgeltlich gemacht“, verriet Markus Groth. Zurückgegriffen für die Berechnungen hat er auf eine im Internet frei verfügbare Software des US-Militärs.

Auch in Geesthacht gab es schon Ärger wegen Sturzregen. Einen Vorgeschmack auf das, was die Zukunft bringen mag, zeigte der 15. Juni 2019. Bei der Post trieben nach einem heftigen Regen Autos in den Wassermassen, in der Oberstadt standen Gärten unter Wasser. Anwohner kennen das, die Hansastraße läuft bei sehr starkem Regen regelmäßig voll.

Acht Gefahrenpunkte für Geesthacht identifiziert

Simuliert für das Computermodell vom zentralen Stadtgebiet plus der Oberstadt – Grünhof-Tesperhude soll noch folgen – wurden verschiedene Starkregen-Ereignisse bis hin zur Stärke der Ahrtal-Sintflut. Für alle Szenarien werden Regenereignisse über Stunden bis zu zwei Tagen durchgerechnet.

Acht Hotspots identifizierte das Gerics-Team: Düneberger Straße/Neuer Krug, Wäldchen und Senke nördlich der Grenzstraße, Geesthachter Straße/Querstraße, Sandstraße/Schillerstraße, Berliner Straße/Hansastraße, Holertsche Kiesgrube, eine bewaldete Senke, der Bereich nördlich des Dialogwegs und die Ostlandsiedlung.

Je nach der Tiefe der Lage sind dort Wasserhöhen von anderthalb bis zu zwei Metern möglich. Wird die Ahrtal-Regenmasse angesetzt, kommen zu den acht Hotspots – die nun deutlich mehr Wasser führen – vier weitere hinzu: am Parkplatz Norderstraße, südlich des Lerchenweges, im Bereich zwischen Hanseatenweg/Farmsener Weg und im Bereich Horner Kamp.

Die meisten Todesfälle gibt es durch Hitzestress

Die Regenmenge, die insgesamt über das Jahr falle, werde übrigens zukünftig nicht weniger, führte Markus Groth aus. Sie verteile sich nur anders. Nach längeren Durststrecken gehe ganz viel auf einmal nieder. Er empfiehlt, das Wasser zu sammeln, wenn viel da ist, für die Zeiten, in denen es länger trocken ist.

Eine zweite Untersuchung des Gerics widmet sich dem Einfluss der städtischen Bebauung auf die Wärmebelastung im Stadtgebiet. „Die meisten Todesfälle gibt es durch Hitze“, stellte Markus Groth die Wichtigkeit der Untersuchung klar. Und hier hat er eine schlechte Nachricht parat: „Der Temperaturanstieg wird auf jeden Fall weitergehen, der langfristige Trend ist ganz klar“, sagte er.

Das Problem in Kurzform: Ein verdichtetes Stadtgebiet führt zu großer Hitzebelastung. Verkehrsflächen und versiegelte Flächen erhitzen sich stark, geben die Wärme dann auch nachts ab, sodass es kaum zu Abkühlung kommt, wenn die Sonne untergegangen ist. „Hier muss man kleinteilig gucken, da ist nicht viel mit nur einer Maßnahme machbar“, erklärtr Markus Groth. „Wir brauchen Kaltluftschneisen, man muss aufpassen, dass man die nicht zubaut“.

Die Oberflächentemperaturen steigen auf bis zu 60 Grad

Bei der räumlichen Verteilung der Oberflächentemperatur sind laut der Untersuchung für einen durchschnittlich heißen Sommertag um vier Uhr die niedrigsten Werte bei den Wasserflächen an Elbe und Staubecken (unter 16 Grad) und auf den unbebauten Flächen der Düneberger Straße. Während im dünner besiedelten Umland Temperaturen von bis zu 18 Grad herrschen, werden im Geesthachter Stadtgebiet zum Teil bereits Werte von 22 Grad erreicht.

Zwölf Stunden später hat sich das Bild dramatisch verändert. Aus den noch moderaten Oberflächentemperaturen in der Stadt haben sich heiße Flächen von bis zu 60 Grad bei hochversiegelten Flächen entwickelt. Die Wasserflächen weisen mit 30 Grad immer noch die niedrigsten Werte auf, Flächen im Umland weisen bis zu 42 Grad auf.

Erkenntnisse aus der Arbeit fließen in die Nachverdichtung ein

Misst man die Werte um vier Uhr in zwei Metern Höhe, ergibt sich eine Zweiteilung: Westlich der Stadt ist es bis zu 19 Grad warm, in den nördlichen und östlichen Stadtgebieten schon 23 Grad. Trennendes Element ist der Stadtwald. Fazit: Fast im gesamten bebauten Stadtgebiet, vor allem im Umfeld der Verkehrsflächen, sei ein starker bis sehr starker Hitzestress (37 bis 39 Grad) zu erkennen, heißt es im Bericht.

Erkenntnisse aus der Arbeit hat die Stadtverwaltung bereits bei einer ersten Umsetzung im Blick. Bei der der Nachverdichtung dienenden Bebauung zwischen Silberberg und Keil an der Geesthachter Straße soll es eine Grünflächenschneise geben, zudem müssen die entstehenden Wohnblöcke Raum für die Belüftung des Areals lassen.

Gerics würde Projekt gern weiter begleiten

Mehr Umsetzungen sind noch nicht in Sicht, aber das war auch nicht die Aufgabe des Projektes. Die Arbeit sollte einer ersten, umfassenden Information dienen. Markus Groth hat für das Gerics angeboten, das Projekt weiter zu begleiten. Die Fraktionsvorsitzende der SPD und Mitglied des Stadtplanungsausschusses, Petra Burmeister, kann sich vorstellen, die Erkenntnisse zur Umsetzung zumindest auf freiwilliger Basis mit in die Verfahrensabläufe für B-Pläne einfließen zu lassen.

Gerhard Boll (Grüne), nun durch Bernd Reddig (BfG) abgelöster ehemaliger Vorsitzender des Stadtplanungsausschusses, war dabei, als das Projekt vor vier Jahren ins Leben gerufen wurde. Die damals spontane Idee entstammt einem Besuch des Ausschusses im Helmholtz-Zentrum. Gerhard Boll verweist auf die Reform des Klimaschutzgesetzes bezüglich des Bauens und der Einarbeitung zu Klimaschutzfolgen. „Da sind wir im Prinzip in Geesthacht schon weiter“, meint er.

Der Report ist online zu lesen unter www.climate-service-center.de.