Geesthacht. Zum Weltfrauentag kritisieren Gleichstellungsbeauftragte: Mütter verzichten zu oft auf den Beruf. Was sich dagegen tun ließe.

Unter den 172 Beratungen, die Geesthachts Gleichstellungsbeauftragte Anja Nowatzky, zwischen Mitte 2019 und Ende 2021 durchgeführt hat, waren gerade mal in drei Fällen Männer die Klienten. Einer davon wandte sich an sie, weil er sich wegen einer Kita-Schließung in der Corona-Zeit um die Betreuung der Kinder kümmern wollte. „Von seinem Arbeitgeber wurde er gefragt, ob er keine Frau habe, die zu Hause bleiben könne. Der Arbeitgeber musste sich nach Einschaltung des Personalrates später bei ihm entschuldigen“, berichtet Nowatzky anlässlich des Weltfrauentages am 8. März. Und: Der Mann durfte zu Hause bleiben.

Zusammen mit dem Equal-Pay-Day (7. März), an dem es um die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleicher Tätigkeit geht, soll der Aktionstag dazu dienen, dass die Geschlechter gleichberechtigt behandelt werden. Hier hat sich in Deutschland zwar schon einiges getan, doch es müsse sich noch viel mehr verändern. Davon ist außer Anja Nowatzky, die sowohl für die Angestellten der Stadt Geesthacht als auch alle Bürger zuständig ist, auch Elena Valli überzeugt. Sie ist Gleichstellungsbeauftragte beim Helmholtz-Zentrum Hereon (HZG) mit seinen 1100 Angestellten.

Weltfrauentag: Junge Männer immer noch schief angeguckt, wenn sie Kinder erziehen

„Wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen haben wollen, sind junge Männer der Schlüssel auf dem Weg zur Gleichstellung“, sagt Valli. Väter dürften eben nicht mehr schief angeguckt werden, wenn sie sich länger als ein paar Wochen oder wenige Monate um den Nachwuchs kümmern wollen.

Die Realität sieht anders aus. Im Kreis Herzogtum Lauenburg sind 59 Prozent der Minijobs in Frauenhand, bei den Teilzeitjobs sind es sogar 81 Prozent. Das teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit. Im Geesthachter Rathaus beträgt die Frauenquote bei der Teilzeit sogar 95 Prozent. Der Unterschied beim Gehalt liegt laut Statistikamt Nord in Schleswig-Holstein bei zwölf Prozent. In Hamburg verdienen Frauen sogar durchschnittlich 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.

Deutsche Frau und ihre Sozialisierung seien das Problem

Dass es bei der Gleichstellung hakt, liege aber auch an deutschen Frauen und ihrer Sozialisierung, hat die aus Finnland stammende Valli beobachtet. „Deutsche Frauen mit Kindern sind lieber gleich in Teilzeit gegangen, während Männer eher die Arbeit im Home-Office in Anspruch nehmen“, sagt Valli, die – neu in Deutschland – einen Kulturschock erlebte. „Als ich als Alleinerziehende meine heute 23-jährige Tochter mit einem Jahr von 9 bis 17 Uhr in die Krippe gab, galt ich als Rabenmutter. In Finnland war das normal. Dort werden die Jobs nicht so gut bezahlt, da mussten immer beide Elternteile arbeiten gehen“, sagt sie.

„Gleichstellung müssen wir üben“, ergänzt Anja Nowatzky. Aus anderen Ländern könne man sich einiges abschauen. In Frankreich etwa würden Parteien nur zugelassen, wenn sie paritätisch besetzt sind. Dazu Nowatzky: „Glauben sie mir, Männer würden sich in diesem Fall schon etwas einfallen, wie sie genug Frauen einbinden können.“

Teilzeitarbeit – bei einer Trennung die Armutsfalle

Frauen, die viel in Teilzeit arbeiten und womöglich später in Trennung leben, laufen zudem Gefahr, später in die Altersarmut zu rutschen. Anja Nowatzky coacht Frauen für Bewerbungsgespräche, dass sie dort mit mehr Selbstwertgefühl auftreten und für mehr Gehalt kämpfen. Sie berät aber auch bei häuslicher Gewalt oder bei Mobbing am Arbeitsplatz (Kontakt: Telefon 04152/13-366, E-Mail anja.nowatzky@geesthacht.de).

Festzuhalten bleibe, dass es in Deutschland immer noch ein gesellschaftlich strukturiertes System gebe, in dem Frauen im Familien- und Erwerbsleben benachteiligt werden. Immer noch gibt es verhältnismäßig wenig Frauen in Führungspositionen, und selbst wenn, würde diese sich oft immer noch zusätzlich um Haushalt und Familie kümmern, so Nowatzky. „Eine Frau sagte mir, sie hätten keine Probleme, weil ihr Mann ihr im Haushalt helfe. Wenn sie das so sagt, ist das genau das Problem. Hier müssen Frauen umlernen. Richtig wäre, wenn sie sagt, dass sie sich den Haushalt teilen.“

Weltfrauentag: Geesthachter Stadtverwaltung setzt auf Frauen in Führungspositionen

Die Stadtverwaltung Geesthacht befindet sich derweil auf dem richtigen Weg. Waren kürzlich die fünf höchsten Posten im Rathaus (Bürgermeister, Erster Stadtrat, drei Fachbereichsleiter) allesamt von Männern besetzt, liegt das Verhältnis jetzt „nur“ noch bei drei zu zwei, nachdem Melanie Grimm-Meyer (Erste Stadträtin) und Dagmar Poltier (Bildung und Soziales) eingestiegen sind. In der Ebene darunter, bei den 16 Fachdienstleitungen, sind es sieben Frauen.

Auch am Helmholtz-Zentrum gibt es mit sehr flexiblen Arbeitszeitregelung (seit 1999), einer großzügigen Home-Office-Regelung (50 Prozent) und der Betriebskita (seit 2008) gute Rahmenbedingungen. Was laut Elena Valli noch fehlt, ist die bessere Schulung von Führungskräften und das Verständnis, dass sich Führungsaufgaben auch auf zwei Arbeitnehmer aufteilen lassen – egal, ob Mann oder Frau.

Anlässlich des Weltfrauentags verteilen Melanie Grimm-Meyer, die im Rathaus für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Kerstin Reinhardt sowie Anja Nowatzky ab 10.30 Uhr fair gehandelte Rosen in der Fußgängerzone. Bürgermeister Olaf Schulze tut dies im Rathaus und seinen Außenstellen.

Am Donnerstag, 9. März liest Schriftstellerin Christine Drews im Geesthacht-Museum (Bergedorfer Straße 28) aus ihrem Buch „Freiflug“. Es geht um das Leben von Rita Maiburg, die sich in den 1970er-Jahren das Recht erstritt, als erste Pilotin auf regulären Linienflügen eingesetzt zu werden.