Geesthacht. Seit einem Jahr gibt es die Berufsqualifizierungsgesellschaft in Geesthacht – für Menschen mit gebrochenen Lebensläufen. Ihr Angebot.

Als im September der Sozialausschuss des Kreises zu Gast war, standen die selbst hergestellten Weihnachtsartikel in der Holzwerkstatt der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) in Geesthacht auf den Hobelbänken. Nun geben bunte Vogelhäuschen einen Vorgeschmack auf das Frühjahr. „Wie produzieren ständig etwas, jetzt für den Frühlingsmarkt“, erklärt BQG-Geschäftsführerin Ruth Bisson-Schott. Verkauft wird im April auf der Ausstellung Gartenromantik Mölln. Die Weihnachtsartikel fanden auf dem Weihnachtsmarkt in der St. Salvatoris-Kirche reißenden Absatz.

„Die Produktionen sind Mittel zum Zweck“, sagt Ruth Bisson-Schott. Soll heißen: Wenn die in den Werkstätten gefertigten Produkte draußen gut ankommen, steigt das Selbstwertgefühl der Menschen, die sie hier gefertigt haben. Und das haben die Schützlinge von Ruth Bisson-Schott und all den anderen Ausbildern bitter nötig. „Die meisten haben gebrochene Lebensläufe“, erklärt Prokurist Carsten Roock.

BQG Geesthacht berät und unterstützt Menschen ohne Arbeit

Die Gründe sind vielfältig. Die Schule wurde nicht beendet, die Gesundheit, Familiendramen, junge Leute, die den beruflichen Einstieg gar nicht erst richtig hinbekommen haben. „Irgendwo ist etwas passiert, was sie aus der Bahn geworfen hat“, weiß Ruth Bisson-Schott. Manchmal waren es nur kleine Rüttler in Beziehungen, auch bei Menschen, die bis dato immer Leistung gebracht haben. „Es sind auch Akademiker bei den Maßnahmen im BQG dabei.“

In Geesthacht am Ilenweg sollen sie alle wieder beruflich auf die Beine kommen. Die BQG Personalentwicklung GmbH wurde 1995 vom Kreis Herzogtum Lauenburg, den Städten und Ämtern im Landkreis gegründet. Aufgabe ist die Beratung und Unterstützung von Menschen ohne Arbeit. Sie sollen nach Möglichkeit ihr Leben wieder aus eigener Kraft schaffen.

Dafür werden im Auftrag des Jobcenters, der Arbeitsagentur, des Kreises und des Landes Schleswig-Holstein Projekte angeboten. Zielgruppe sind Jungerwachsene, Alleinerziehende, Benachteiligte, Langzeitarbeitslose, Migranten und Geflüchtete. „Die Erfolgsquote ist hoch“, sagt Ruth Bisson-Schott. insgesamt sind 28 Mitarbeiter tätig als Personaldisponenten, Sozialpädagogen, Ausbilder, Lehrer und Verwaltungspersonal.

Nach der Besichtigung gab es Herzblubbern

Im Sommer 2021 ist das Jugendaufbauwerk ausgezogen, im Herbst zog das BQG als Mieter der Stadt Geesthacht in die 2500 m2 großen Räumlichkeiten ein. Hier ist nun der Sitz der Gesellschaft und eine weitere Produktionsschule. Es ist das zweite Standbein, ein weiterer, älterer Standort ist in Ratzeburg. Es gibt einen Shuttle zwischen ihnen. Zum 1. Januar vor einem Jahr nahm das BQG seine Tätigkeit in Geesthacht auf. „Wir wollten gern in den Süden des Kreises“, erzählt Ruth Bisson-Schott. Im Internet hat sie dann gelesen, dass das Jugendaufbauwerk aufgehört hat. „Nach einer Besichtigung habe ich das Herzblubbern gekriegt. Genau so etwas suchte ich“.

Im Gebäude des Jugendaufbauwerkes in Geesthacht ist nun die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) des Kreises eingezogen.
Im Gebäude des Jugendaufbauwerkes in Geesthacht ist nun die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) des Kreises eingezogen. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Der Verkauf von Waren ist natürlich nicht das Kerngeschäft des BQG, im Gegenteil. Wettbewerb mit den regionalen Unternehmen darf nicht sein. Es gibt Holz- und Metallwerkstätten, Platz für Beratungs-, Gruppen- und Sozialräume sowie Büros. Und eine Küche. „Auch im Catering sind wir sehr leistungsstark“, sagt Ruth Bisson-Schott. „Wir dürfen aber nicht in Konkurrenz zur regionalen Wirtschaft stehen und niemandem den Auftrag wegnehmen“. Das, was gemacht werden kann, ist mit den Innungen abgeklärt worden. Externe Dienstleistungen im Rahmen der Gartenpflege rund ums Haus dürfen allerdings die „Grönen Helpers“ anbieten, weil die drei Mitarbeiter nicht gefördert werden durch öffentliche Gelder.

Im September stellte Ruth Bisson-Schott die Schulungsräume, Werkstätten und professionelle Lehrküche dem Sozialausschuss des Kreises vor. Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze nahm als Gast an der Führung teil.
Im September stellte Ruth Bisson-Schott die Schulungsräume, Werkstätten und professionelle Lehrküche dem Sozialausschuss des Kreises vor. Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze nahm als Gast an der Führung teil. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Es brummt vom Start weg in Geesthacht. Es gibt hier 20 Maßnahmeplatzierungen, in Ratzeburg 16. Die Maßnahmen werden in unterschiedlicher zeitlicher Länge vom Jobcenter finanziert, deshalb gibt es viel Austausch. „Sie waren sofort voll“, sagt Carsten Roock. Angenommen wird innerhalb von 24 Stunden. Für die Produktionsschule in Geesthacht stehen neben Carsten Roock als Leiter fünf Anleiter und Lehrer zur Verfügung, hinzu kommt ein Koordinator für das Projekt „Schulische und berufliche Integration für Geflüchtete“. Auch hier gilt: Experten sind rar gesät auf dem Arbeitsmarkt. „So ist es unheimlich schwierig, Anleiter im Metallbau zu bekommen“, sagt Carsten Roock. Sie hätten zwei Baustellen zu bedienen: Einmal gute Erzieher zu sein – und dann auch noch ein Handwerk zu beherrschen.

Grundlagenhandwerk auch in Sachen Verhalten

Vermittelt wird den Teilnehmern der Maßnahmen Grundlagenhandwerk, auch in Sachen Verhalten im Betrieb. Das man sich zum Beispiel abmeldet, wenn man krank ist, ist vielfach nicht selbstverständlich. Beginn im BQG ist um 7.30 Uhr, Ende um 16.15 Uhr. „Genau wie in der freien Wirtschaft“, sagt Carsten Roock. Allerdings nicht ohne Ausnahmen. Roock: „Es ist schon toll, wenn einer um acht Uhr kommt, wo er sonst immer erst um elf Uhr aufgestanden ist. Als Pädagogen haben wir gelernt, individuelle Lösungen zu finden. Das machen wir, weil alle unterschiedlich sind. Wichtig ist, dass sie überhaupt zum Lehrgangsort kommen“. Falls mal nicht, werde man allerdings aktiv. Das geht dann bis zum Hausbesuch.

Auf Wunsch der Schüler gibt es auch eine Nachbetreuung nach der Maßnahme. „Diese Gesprächsangebote kriegen wir nicht bezahlt“, sagt Ruth Bisson-Schott. „In Ratzeburg war ein junger Mann, der hat bei uns die Mittlere Reife erworben, später noch das Abitur. Jetzt studiert er EDV. Da sieht man, was in denen steckt. Es ist das, was uns unheimlich Spaß macht, wenn einer seinen Weg schafft“.