Geesthacht. Die Geschichte der Menzer-Werft auf 248 Seiten: Heute ist die Halbinsel am Freibad ein beliebtes Naherholungsgebiet.

Die Kaimauern des ehemaligen Werft-Hafens gegenüber den Neubauten in der Geesthachter Hafencity sind ein stummes Zeugnis für die frühere Nutzung des heutigen Naherholungsgebiets auf der Elbhalbinsel, das seit 2006 offiziell Namen Menzer-Werft-Platz trägt. Wo heute am Wochenende Hunderte Bürger im über drei Hektar großen Uferpark ihre Freizeit verbringen, im Sommer in den Beachclub gehen oder Beachvolleyball spielen, liefen noch bis 1982 große Pötte vom Stapel – in der Schiffswerft von Ernst Menzer.

Unter der Ägide des Reeders und später der seines Sohnes Wilhelm Menzer, wurden ab 1927 bis 1982 über 200 Schiffe gebaut. Erst Binnenschiffe, später auch Chemikalientanker und sogar ein RoRo-Seeschiff (steht für Roll on, Roll off). Die beiden größten Schiffe, die „Antigua“ und die „Bonaire“, waren stolze 99,10 Meter lang, 15,50 Meter breit und 7,05 Meter hoch – was bei der Überführung nach Hamburg zu manch Problemen führte.

Buchautor Werner Hinsch (l., Leiter des Elbschifffahrtsarchivs) und Helmut Knust vom Heimatbund und Geschichtsverein Geesthacht an den noch erhaltenen Kaimauern im ehemaligen Werft-Hafen.
Buchautor Werner Hinsch (l., Leiter des Elbschifffahrtsarchivs) und Helmut Knust vom Heimatbund und Geschichtsverein Geesthacht an den noch erhaltenen Kaimauern im ehemaligen Werft-Hafen. © Dirk Schulz

Die Geschichte der Menzer-Werft auf 248 Seiten

Werner Hinsch, der Archivleiter des Lauenburger Elbschifffahrtsmuseums und von 1956 bis 1959 Lehrling auf der Werft, hat nun ein 248 Seiten starkes Buch herausgebracht, in dem der 83-jährige Hohnstorfer die Geschichte von den Anfängen bis zum Konkurs anschaulich mit 315 Abbildungen erzählt.

Es trägt den Titel „Die Schiffswerft Ernst Menzer in Geesthacht“, ist der siebte Band der Schriften des Fördervereins des Elbschifffahrtsmuseums und in der Geesthachter Tourist-Information, im Elbe-Schifffahrtsmuseum Lauenburg und der Buchhandlung Fuchs in der Hamburger Hafencity (Shanghaiallee 12) zum Selbstkostenpreis von 31 Euro erhältlich.

Hamwardes Bürgermeister Friedrich-Wilhelm Richard als Zeitzeuge befragt

Dafür sammelte Werner Hinsch, der nach der Lehre bei Menzer Schiffsbau studiert hat, über Jahre Dokumente und befragte Zeitzeugen. Dazu gehören der heutige Bürgermeister von Hamwarde, Friedrich-Wilhelm Richard, der als technischer Zeichner von 1962 bis zum Ende 1982 dabei war und weitere ehemalige Mitarbeiter wie Günter Sens senior und junior, um nur einige zu nennen.

Die verlassene Slipanlage im Jahr 1988.
Die verlassene Slipanlage im Jahr 1988. © Heimatbund und Geschichtsverein Geesthacht

Angefangen hatte es 1927, als Ernst Menzers Gelände am Schleusengraben in Bergedorf (heute Bauhaus) zu klein wurde. „Menzer übernahm die stillgelegte Werft von J. Schütt in Geesthacht, das damals noch zur Hansestadt Hamburg gehörte“, schreibt Hinsch. Hier hatte Menzer Platz, die immer größer werdenden Binnenschiffe zu bauen – dem ersten, wichtigen Standbein.

Schiffe wurden größer, die Überführung nach Hamburg schwieriger

Als das allein nicht mehr auskömmlich war, wurden die Schiffe größer und die Überführung nach Hamburg schwieriger. „Dagegen ist das, was die Meyer-Werft in Papenburg macht, ein Kindergeburtstag“, meint Friedrich-Wilhelm Richard. So mussten die Aufbauten teils gesondert verschifft werden, weil die Schiffe sonst nicht durch die Geesthachter Schleuse gepasst hätten. Bei den Sandbänken in der Elbe vor Altengamme oder der Autobahnbrücke Entenwerder warteten weitere Problemstellen.

Das Tankschiff Isebek quetscht sich unter der Schleuse durch. Nur zwei Etagen des Deckhauses passen durch, der Rest wurde separat auf Pontons verschifft.
Das Tankschiff Isebek quetscht sich unter der Schleuse durch. Nur zwei Etagen des Deckhauses passen durch, der Rest wurde separat auf Pontons verschifft. © Karl Müller

Durch Chemikalientanker mit Ladetanks aus Edelstahl entwickelte die Werft ein neues Standbein und baute sogar auch ein RoRo-Seeschiff für einen Auftraggeber aus Tunesien. Zum Stapellauf der „Nebanha“ (Baunummer 504) kam sogar der Botschafter 1976 nach Geesthacht. Als der Auftraggeber für die Baunummer 514 zwei Raten nicht bezahlte, musste die Menzer-Werft 1982 Konkurs anmelden. „Das war aber nur Auslöser und nicht Ursache für die Pleite“, sagt Hinsch. Die sei auf die europäische Werftenkrise zurückzuführen.

Neuanfang scheitert bereits nach fünf Jahren

Nach dem Konkurs wurde unter dem Namen SWG-Schiffswerft Geesthacht GmbH ein Neuanfang mit dem Bau und der Reparatur von kleineren Schiffen gewagt. Doch auch dieses Unternehmen meldete 1987 Konkurs an.

Nach dem endgültigen Aus standen die Hallen lange leer. Jugendliche nutzen die Grillplätze am Elbufer und fanden bei den Werfthallen manch Holzpalette, die sie verbrennen konnten. Als Werner Hinsch gemeinsam mit dem Jugendaufbauwerk die Stadtbarkasse „Piep“ in einer alten Halle restaurierte, stieß er im ersten Stock auf einen alten Schreibtisch mit vielen alten Planungsskizzen der Schiffe, die stets Unikate waren. Dazu gehörte unter anderem auch die 1928 gebaute „Energie“, die später vor Borkum sank.

Was von der Menzer-Werft in Geesthacht übrig blieb

Um die Jahrtausendwende wurde die Elbhalbinsel zum Freizeitpark umgewidmet, alle Gebäude abgerissen. 2002 wurde die Hafenbrücke eingeweiht, 2006 das im Volksmund „Roter Platz“ genannte Areal offiziell in „Menzer-Werft-Platz“ umbenannt.

Die Reste der Slipanlage sind eine der wenigen Überreste der Schiffswerft von Ernst Menzer. Gruppenbild, v.l.: Zeitzeuge Friedrich-Wilhelm Richard (heute Bürgermeister Hamwarde), Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, Autor Werner Hinsch (Leiter Elbschifffahrtsmuseum), Helmut Knust (Heimatbund und Geschichtsverein), Markus Reich (Förderverein Elbschifffahrtsmuseum), Bernd Dittmer (stellv. Archivleiter).
Die Reste der Slipanlage sind eine der wenigen Überreste der Schiffswerft von Ernst Menzer. Gruppenbild, v.l.: Zeitzeuge Friedrich-Wilhelm Richard (heute Bürgermeister Hamwarde), Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze, Autor Werner Hinsch (Leiter Elbschifffahrtsmuseum), Helmut Knust (Heimatbund und Geschichtsverein), Markus Reich (Förderverein Elbschifffahrtsmuseum), Bernd Dittmer (stellv. Archivleiter). © Dirk Schulz

Von der alten Werft ist außer den Kaimauern des Werft-Hafens nicht mehr viel erhalten geblieben. Dazu zählt die Slipanlage neben der Hafenbrücke. Zudem sind hinter der BMX-Strecke noch einige Fundamente zu sehen. Einige Schiffe aus der Menzer-Werft fuhren derweil noch Jahre weiter, etwa die Binnenschiffe „Ideal“ und „Renate“ – wie sie heute heißen. Sie tragen die Baunummern 413 und 437.

Wer mehr über die Menzer-Werft wissen will: Am 19. Januar 2023 hält Buchautor Werner Hinsch einen Vortrag in der Christuskirche am Neuen Krug.