Geesthacht. Rauchschwalben stehen auf der roten Liste der bedrohten Tierarten. In Geesthacht wohnen sie in einer alten Tischlerei.

Die kleinen Vögel, die vor der ehemaligen Tischlerei Grabau an der Geesthachter Steinstraße hin und her flatterten, waren einer aufmerksamen Anwohnerin aufgefallen. Von ihrem Fenster aus an der Straße Elbblick hatte sie beobachtet, wie die Tiere offensichtlich versuchten, in das leerstehende Gebäude zu gelangen und verständigte daraufhin die Ortsgruppe des Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Schnell war klar, dass es sich um Rauchschwalben handelte, die nicht an ihre Brutstätte gelangen, weil einige kaputte Fensterscheiben mit Spanplatten vernagelt waren. Die eigentlichen Höhlenbrüter bauen ihre Schlammnester auch gerne in Viehställe – und manchmal ganz offensichtlich auch in leere Firmenhallen.

In Geesthacht ist ihr Vorkommen auf 35 bis 40 Exemplare zurückgegangen

Wie alle Schwalben-Arten stehen Rauchschwalben in Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. In Geesthacht ist ihr Vorkommen laut Nabu-Schätzung auf 35 bis 40 Exemplare zurückgegangen. Größere Vorkommen gibt es nur noch in den Außenbezirken, in Besenhorst oder in der Heinrich-Jebens-Siedlung.

Den letzten Standort im Innenstadtbereich werden die rund 17 bis 19 Zentimeter großen Vögel nach dieser Brutperiode aufgeben müssen. Das Gebäude wird demnächst abgerissen, um Platz für den nächsten Bauabschnitt der Geesthachter Hafencity zu machen.

Astrid Jaschke, Nabu Geesthacht, zeigt die Einflugschneise, die die Rauchschwalben nutzen, um in die ehemalige Tischlerei Grabau an der Steinstraße in Geesthacht zu kommen.
Astrid Jaschke, Nabu Geesthacht, zeigt die Einflugschneise, die die Rauchschwalben nutzen, um in die ehemalige Tischlerei Grabau an der Steinstraße in Geesthacht zu kommen. © Dirk Schulz

Firma Johann Bunte baut 203 Wohnungen im Westhafen II

Das geschieht allerdings erst, wenn die Brut dieses Jahres ausgezogen ist. Denn nachdem die Stadtverwaltung von den Schwalben Wind bekommen hatte, waren die Hindernisse am Gebäude schnell beseitigt. „Die Schutzzeit wird eingehalten“, betont Fabian Möbus, der Projektleiter der Firma Johann Bunte für das Westhafen II genannte Areal. Firmen sind dazu gesetzlich verpflichtet.

In dem Bauabschnitt sind 203 Wohneinheiten vorgesehen. „Wohnen im Westhafen“ betitelt Bunte sein Vorhaben, das nach Osten von der Straße Elbblick begrenzt wird und in der westlichen Nachbarschaft an das neue städtische Seniorenheim – gebaut von der Vorwerker-Diakonie – stößt.

Es soll Picknickbänke, eine Liege- und Spielwiese sowie einem Bewegungsbereich geben

Bunte plant neun Gebäude mit vier bis sieben Geschossen, die Höhe steigt zur Elbe hin an. Jede Wohnung soll zumindest seitlichen Blick auf den Fluss gewähren. Der in Geesthacht geforderte Anteil von 25 Prozent an geförderten Mietwohnungen bei neuen Bauvorhaben umfasst 52 Wohnungen in einem Gebäuderiegel an der Steinstraße. Eigentumswohnungen – in beiden Objekten am Wasser – soll es 53 geben, frei finanzierter Mietwohnungsbau gruppiert sich dazwischen ein mit sechs Häusern und 98 Wohnungen.

Rauchschwalben nisten auch gerne in Viehställen.
Rauchschwalben nisten auch gerne in Viehställen. © BGZ

Die Grünfläche zwischen den höchsten Gebäuden bis zur Promenade soll als „grüner Balkon“ mit einem großen Baum als Schattenspender ausgestattet werden sowie Picknickbänken, einer Liege- und Spielwiese sowie einem Bewegungsbereich für Spiele im Freien.

„Wir hatten den Abriss im dritten Quartal vorgesehen. Wir sind voll im Soll“

Derweil kommt es wegen der unerwarteten Untermieter zu keiner weitreichenden Verzögerung des Zeitplans für das gesamte Projekt. „Wir hatten den Abriss im dritten Quartal vorgesehen. Wir sind voll im Soll“, sagt Fabian Möbus. Das dritte Quartal endet am 30. September. Für die Rauchschwalben müsste das passen. „Die ziehen im September los“, weiß Friedhelm Ringe, Vogel-Experte des Geesthachter Nabu, dessen Organisation gern ein Rauchschwalben-Haus in der Umgebung schaffen möchte.

Tierische Untermieter sind in der Hafencity nichts Ungewöhnliches. Als die Architekten für das Vorwerker-Projekt im März 2021 erstmals ihre Planungen präsentierten, war auf einer Visualisierung ein Waschbär dargestellt. Hintergrund: Dieser hatte sich damals in der denkmalgeschützten Reetdachkate eingenistet.