Kröppelshagen/Hamburg. Der Mann, der gegen die Box-Legende Muhammed Ali kämpfte, hat im Ewigforst Sachsenwald seine Ruhestätte gefunden.

„Das Herz eines Boxers kennt nur eine Liebe: Den Kampf um den Sieg ganz allein.“ So hat es Max Schmeling, der größte aller deutschen Boxer, einst höchstpersönlich 1930 im Refrain des Boxerlieds gesungen, dem Titelsong des Films „Liebe im Ring“.

In den frühen 1970er-Jahren war Jürgen Blin der beste deutsche Boxer. Der Boberger gewann anders als Schmeling zwar nie den Weltmeistertitel im Schwergewicht, dafür kämpfte er neben Karl Mildenberger als einer von nur zwei Deutschen gegen den großen Muhammad Ali. Sieben Runden hielt Blin gegen den „Greatest of all times“ durch, ehe er k.o. ging – das war am 26. Dezember 1971.

Jürgen Blin: 60 Familienangehörige und Freunde trauern

Am 7. Mai dieses Jahres ist Jürgen Blin im Alter von 79 Jahren an den Folgen eines Nierenleidens gestorben. Zu Beginn der Trauerfeier für den früheren Europameister im Schwergewicht erklang das Boxerlied durch den Ewigforst Sachsenwald bei Kröppelshagen.

Rund 60 Familienangehörige, Freunde und Weggefährten gaben ihm das letzte Geleit. Darunter unter anderem der frühere Deutsche Meister Heini Meinhardt mit Frau oder Helmut Mistol, ein weiterer ehemaliger Boxgefährte. Auch Alexandra Kottysch, Tochter des 2017 verstorbenen ersten deutschen Box-Olympiasiegers Dieter Kottysch, weilte unter den Trauergästen. Vertreter des Bund Deutscher Berufsboxer suchte man derweil vergeblich.

Jürgen Blin im Kampf gegen Muhammad Ali in Zürich 1971.
Jürgen Blin im Kampf gegen Muhammad Ali in Zürich 1971. © Jürgen Blin Stiftung Hamburg | Unbekannt

„Das Herz eines Boxers kennt nur eine Sorge: Im Ring stets der Erste zu sein“, heißt es im Refrain des Boxerlieds weiter. Der Weg an die Spitze war für Jürgen Blin steinig. Der Sohn eines alkoholkranken Melkers wuchs auf Fehmarn auf und berichtete häufig von seiner schweren Kindheit. Mit 14 Jahren ging er von zu Hause weg, war Schiffsjunge und später Fleischermeister in Hamburg.

Kampf gegen Muhammad Ali am zweiten Weihnachtstag 1971

In dieser Zeit begann er mit dem Boxen. Fünfmal wurde er Hamburger Meister, 1964 Deutscher Amateurmeister im Schwergewicht. Der Kampf, mit dem Blin bekannt wurde, stieg am zweiten Weihnachtstag 1971 in Zürich.

„Muhammad Ali suchte nach seiner Niederlage gegen Joe Frazier nach mittelstarken Aufbaugegnern, die ihm nicht gefährlich werden“, erzählte Jürgen Blin dem Autor dieser Zeilen anlässlich des 40. Jahrestages des Kampfes. Blin, mit 85 Kilogramm eigentlich zu leicht fürs Schwergewicht, passte ins Raster. „Ich habe vor keinem Angst gehabt. Doch vor Ali hatte ich schon Manschetten“, verriet Blin damals.

Auch Pastor Thies Hagge erinnert an den Ali-Kampf

Auch Pastor Thies Hagge von der Friedenskirche in Jenfeld erinnerte bei seiner Rede natürlich an den Ali-Kampf, und dass sich Blin manchmal ärgerte, auf diesen einen Tag reduziert zu werden. Andererseits kokettierte er auch damit. „Das Bild von ihm im Kampf mit Ali hat er gern weitergegeben und wie eine Visitenkarte benutzt.“ Als Hagge dies sagte, huschte so manch Anwesendem ein Lächeln übers Gesicht.

Jürgen Blin 2011 in seiner Bar am Hauptbahnhof.
Jürgen Blin 2011 in seiner Bar am Hauptbahnhof. © Thomas Rokos | Thomas Rokos

Hagge lernte Blin 2006 kennen, als der Verein Arche für hilfsbedürftige Kinder gegründet wurde. „Er rief mich an und sagte, dass er gerne Boxtraining mit den Kindern machen möchte“, erzählte Hagge, den sich Blin als Trauerredner gewünscht hatte, obwohl er selbst nicht in der Kirche war. Noch bis 2021 gab Blin Kindern Boxtraining.

Alexandra Kottysch hatte derweil noch einen letzten Auftrag an Jürgen Blin

Mit Pastor Hagge blieb er bis zuletzt verbunden, mehrfach lud er ihn zu Boxevents ein. Dass unter Blins harter Schale ein weicher Kern steckte, zeigte er bis zuletzt: So drückte er Pastor Hagge während der Pandemie 500 Euro in die Hand. „Für die Arche-Kinder“, sagte er.

In der Trauerrede zitierte Hagge Auszüge aus dem Nachruf des „Spiegel“. Der schrieb, dass Blin ein Boxerleben geführt hat, wie man es sich in Hollywood vorstellt. Sogar der New York Times war sein Tod einen Artikel wert. Und natürlich endete die Zeremonie so wie sie begonnen hatte – mit einem Lied, das durchs Boxen bekannt wurde: „Time To Say Goodbye“ von Andrea Bocelli und Sarah Brightman, das zum Abschied von Henry Maske aufgenommen worden war.

Anschließend machte sich der Trauerzug auf den Weg zur Urnenbeisetzung. Alexandra Kottysch hatte derweil noch einen letzten Auftrag an Jürgen Blin. „Grüß meinen Papa, wenn du oben ankommst“, hatte sie ihm ins Kondolenzbuch geschrieben.