Geesthacht. Höhere Preise sorgen bei vielen Menschen für Unmut – und die Erklärung dafür, wie sie zustande gekommen sind, für Verwunderung.
Die neuen Eintrittspreise des Geesthachter Freizeitbades stoßen auf massive Kritik (wir berichteten). Künftig sollen alle Nutzer ab sechs Jahre zwei Euro die Stunde zahlen, Rabatte durch ein Wertmarkensystem erfordern zum Teile hohe Vorauszahlungen. Markus Prang, Geschäftsführer der das Freizeitbad betreibenden Wirtschaftsbetriebe Geesthacht GmbH, und Bürgermeister Olaf Schulze, der dem Aufsichtsrat der Wirtschaftsbetriebe vorsteht, stellten sich in einer Online-Konferenz kritischen Fragen.
Geesthacht teurer als Sylt: Info-Termin schafft wenig Klarheit
Torben Heuer (Fachdienst Innere Verwaltung) moderierte die Veranstaltung. Zu 16 Mails kamen über den Live-Chat insgesamt 112 Kommentare, davon 34 weitere Fragen. Maximal verfolgten 127 Personen den Live-Stream. Gegen 19 Uhr vermeldete Heuer, dass keine Fragen mehr eingingen. Nach einer Stunde war Schluss.
„Wir haben den Weg der Online-Information gewählt, um möglichst viele Interessierte zu erreichen. Das Freizeitbad, dessen Umbau und die neue Preisgestaltung beschäftigen sehr viele Menschen“, hatte Olaf Schulze den Grund der Veranstaltung erklärt. „Uns ist es wichtig, dass die Menschen unsere neuen Eintrittspreise und die Hintergründe verstehen.“
Nimmt man diese Absicht als Maßstab, dann ist das Unterfangen voll in die Badehose gegangen. Das wurde schon während der Live-Kommentare deutlich, die eingeblendet wurden. „Langer Monolog, wenig Ehrlichkeit und Einsicht“, befand eine Teilnehmerin. „Wollt ihr überhaupt euer Preismodell überdenken?“, zweifelte ein anderer.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Preismodell
Wie sind die Preise festgelegt worden?
Die Antwort über das Zustandekommen verwunderte viele. „Der Preis wird im Bauch entschieden“, legte Markus Prang dar. „Es gibt immer ein Preisgefühl, wo man sagt, das könnte angemessen sein.“ Volker Harburg, Fraktionschef der Bürger für Geesthacht in der Ratsversammlung, reagierte mit Unverständnis: „Ich kann Preise doch nicht aus einem Bauchgefühl machen, wer macht denn so etwas in der Wirtschaft?“ Er gehörte schon vor Bekanntgabe des Preismodells zu den größten Kritikern. „Und ich bin genauso kritisch wie vorher“, meint Volker Harburg. Er setzt darauf, dass die Preiserhöhungen so nicht Realität werden. Die BfG werde im Hauptausschuss den Antrag der Grünen unterstützen, Änderungen durchzusetzen. Es geht unter anderem um die Wiedereinführung von Jahreskarten und günstigere Tagespreise.
Warum gibt es keine günstigen Jahreskarten mehr?
Prang verwies auf maximal 2096 Menschen, die sich aus Sicherheitsgründen zeitgleich im Bad aufhalten dürften, im Tagesverlauf seien es 5000 Besucher. „Mit diesen Grenzen ist es schwierig, Saisonkarten auszugeben“, erklärte Prang. Wenn das Limit erreicht werde, müsste man Dauerkarteninhaber abweisen. Die langjährige Dauerkartenbesitzerin Margarete Esser, Schwimmtrainerin bei der SG Bille, findet das Argument nicht plausibel. Im Coronasommer 2020 betrug die Höchstgrenze sogar nur 900 Besucher, und die wurde selten erreicht, habe sie beobachtet. Sie fände es nicht schlimm, dann zu warten oder nach Hause zu gehen. „Wenn ausverkauft ist, komme ich ja auch nicht ins Kino.“
Margarete Esser hat ihren Sportlern nun eine Frist bis Dienstag gesetzt, um sich zu äußern, ob sie nach Lauenburg umziehen. „Wir haben viele Geesthachter dabei, die regelmäßig von der Stadt als Sportler des Jahres ausgezeichnet werden.“ Sie selbst wurde es bei der bis dato letzten Ehrung. Sie fühlt sich und die Sportler schlecht behandelt, „und die Stadt schmückt sich mit uns“.
Warum gibt es bis auf das Wertkartenmodell keine Rabatte mehr?
Prang verwies darauf, dass es früher mehr als 60 Tarife gegeben habe, jetzt ging es auch um Vereinfachung. Wo solle bei Rabatten bei welchen Gruppen angefangen werden? „Am Ende sind wir wieder bei Maximalrabattierung“, meinte er. Ein Weg, soziale Gruppen zu entlasten, könnte stattdessen das Aufbuchen von Geld seitens der Stadt auf die Guthabenkarten sein.
Lassen sich die neuen Preise noch verhindern?
Technisch wären andere Preise offenbar keine große Sache für die Kassen. „Die Umstellung geht relativ schnell“, so Prang. Möglich sind Änderungen durch den Hauptausschuss am Donnerstag. Die Grünen haben einen Antrag gestellt mit eigenen Vorstellungen. Auch deren Fraktionsvorsitzende Ali Demirhan lehnt die neuen Preise weiter strikt ab. „Das war eine Showveranstaltung“, meint er. „Sie vergessen beide, dass das Freizeitbad ausschließlich eine soziale Funktion hat. Es ist kein Wirtschaftsunternehmen und muss kein Geld verdienen“, sagte er mit Blick auf Markus Prang und Bürgermeister Olaf Schulze.
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Was unsere Leser meinen
Armutszeugnis für die Stadt
Die völlig überhöhte Preissteigerung ist wirklich ein Armutszeugnis für die Stadt Geesthacht und die Entscheider und Entscheiderinnen, die für diese Erhöhung gestimmt haben. Die unverhältnismäßige Preiserhöhung wird nämlich zur Folge haben, dass Menschen mit geringem Einkommen, die sich keine Urlaubsreisen leisten können, vor der Tür bleiben müssen. Das betrifft also Familien mit Kindern, insbesondere Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern, Senioren mit geringer Rente, Bürger im Sozialleistungsbezug u.a. Ich selbst bin in Geesthacht aufgewachsen und als Kind einer klassischen Arbeiterfamilie habe ich sehr viele Stunden in meiner Kindheit und Jugend im Freibad verbracht, das war großartig. Vielen Geesthachter Kindern und Jugendlichen wird dies 2022 nicht möglich sein. Aber dafür können sie durch den Zaun sehen, wie hübsch die neuen tollen Rutschen geworden sind…Meine eindringliche Bitte an alle Entscheider und Entscheiderinnen: Warten Sie mit der Wiedervorlage nicht bis 2023, nehmen Sie sich diesen Vorgang sofort wieder auf die Agenda und entscheiden Sie im Sinne der Geesthachter und Geesthachterinnen, die keine Lobby haben, und beschließen Sie umgehend eine sozialverträgliche Preisregelung!! Nicole Hellwig
Mir fehlen die Worte!
Ich kann die Politik nicht verstehen, dass sie diesem Preismodell zugestimmt hat. Es war nicht nur für mich, sondern auch für sehr viele andere „Viel-Schwimmer“ ein Schock! Dass nach einer solchen tollen Renovierung eine Preisanpassung vollzogen wird, ist nachvollziehbar. Aber ohne eine Tarifstruktur fehlt mir jegliches Verständnis. Die neuen Preise treffen nicht nur die „Viel-Schwimmer“, sondern auch Kinder und Familien. Nicht nachzuvollziehen ist dieses Zeit-Modell. Denn in einem Freizeitbad möchten die Besucher und Besucherinnen nicht die gesamte Erholungszeit auf die Uhr schauen müssen. Nette Wörtchen mit dem Bad-Personal oder den vielen Gästen zu wechseln, sind in Zukunft ein teures Vergnügen. Dabei haben diese Gespräche den Aufenthalt in den vergangenen Jahren noch schöner gemacht. (...) Das neue Preismodell lädt die „Stammgäste“ förmlich dazu ein, in benachbarte Freibäder zu wechseln. In der letzten Freibadsaison habe ich eine Jahreskarte für 65 Euro erworben. Bei gleicher Besuchsanzahl müsste ich dieses Jahr über 350 Euro zahlen. Da fehlen mir die Worte! Ilka Flügge-Steffen, Geesthacht
Ab jetzt regiert die Uhr
Zunächst dachte ich an einen Aprilscherz, als ich die neu veröffentlichten Eintrittspreise sah. Doch schnell realisierte ich, die meinen das wirklich ernst. Die neue Preisgestaltung ist fernab der Realität und gegen die Geesthachter Gäste – klein und groß. Natürlich werden in den ersten Tagen aus Neugierde einige Menschen kommen, doch sowas flacht bekanntlich schnell ab. Eine Familie, die bisher mit knapp 100 Euro eine Saisonkarte hatte, muss nun bei nur drei Stunden Verweildauer 24 Euro zahlen, einmalig. Einzelne Besucher, die nur schwimmen wollen, bezahlen bei einem Besuch von viermal die Woche für zwei Stunden 64 Euro im Monat. Wer, außer Besserverdienende kann sich das leisten? Hier werden Rentner, Kinder und der Normalbürger so hoch belastet, dass sie wohl kaum noch einen schönen Tag im Freibad Geesthacht haben können. (...) Es wird dazu führen, dass viele das kommende günstige HVV-Ticket nutzen werden und in die Freibäder wie z.B. Lauenburg fahren, wo auch diese Saison familienfreundliche Preise angesetzt sind. Dort lässt sich das ein Tag stressfreier gestalten. (...) Es ist traurig für alle Kinder und Jugendlichen, die dort oft und gern waren und einen schönen Tag mit Freunden hatten. Es ist traurig für alle Rentner, die sich nun ihr Schwimmen nicht mehr leisten können. Benjamin Ahlborn, Geesthacht
Abseits der sozialen Realität
Wer war mal wieder so real- und sozialabstinent und hat im „unermesslichen, weisen Ratschluss derart exorbitante, oder soll ich sagen unverschämte Preiserhöhungen abseits jeglicher sozialer Realität diktiert? Hier in Geesthacht haben sich im Laufe der Jahre viele nette Schwimmgruppen zusammengefunden, die z.B. als Frühschwimmer nur die Zeit zwischen sieben und neun Uhr kontinuierlich nutzen und zwar saisongemäß für 100 bis 120 Euro. (...) Ich bin sicher, dass viele Schwimmer diese dreisten Erhöhungen boykottieren werden. Klaus Schmerberg, Geesthacht
Das soll die Lösung sein?
Nun steht es also da, das Protzbad, (...) Und jetzt sollen die Bürger für diese Fehlleistung mit überhöhten Eintrittsgeldern haften? Das kann ja wohl nicht die Lösung sein! Man sollte die Verantwortlichen mit der Sammelbüchse losschicken, damit sie selbst für einen Ausgleich sorgen. Es mutet doch wie ein Witz an, dass ein Teil der Regierungspartei sich für Erhöhung der H4-Sätze und des Kindergeldes einsetzt, und die Verantwortlichen der Stadt Geesthacht speziell den Kindern der Wenigerverdienenden den Eintritt des Bades durch Wucherpreise verwehrt. (...) Im Übrigen hätte man für einen Teil des nunmehr wohl feststehenden Gesamtinvestitionsvolumens durchaus eine beheizbare Traglufthalle für die kalte Jahreszeit über die bisher bestehenden Becken, finanziert über Leasing oder Mieten, ins Auge fassen können. Dann hätte das Bad rund ums Jahr genutzt werden können und das sicher zu günstigeren Preisen. Peter Meinke, Geesthacht