Aufsichtsrat beschließt neue Tarifstruktur. Vor allem für Familien mit mehreren Kindern wird es jetzt richtig teuer.
Geesthacht. Am 1. Mai öffnet das Geesthachter Freizeitbad seine Pforten. Wegen eines Umbaus blieb es 2021 geschlossen, seine Wiedereröffnung wurde sehnsüchtig in der gesamten Region erwartet. Seit Freitag sind die neuen Eintrittspreise auf der Homepage (freizeitbad-geesthacht.de) veröffentlicht – sie sind eine kalte Dusche für die meisten Badegäste. Es wird deutlich teurer. Vor allem für Familien mit mehreren Kindern.
Als neue Attraktionen auf dem Gelände finden sich nun unter anderem die längste Breitwellenrutsche des Nordens und eine Rutsche, bei der man Gefühle wie im freien Fall erleben kann. Nur die Preise bewegen sich in eine andere Richtung: nach oben. Auch sie sind im Norden nach Recherche unserer Redaktion ziemlich einzigartig. So wird etwa das Planschen im Geesthachter Pool für Kinder teurer als in einem Wellenbad auf der Luxusinsel Sylt. Dort müssten sie für fünf Stunden Badespaß 9 Euro bezahlen, in Geesthacht sind es 10.
Tages-, Jahres- und Familienkarten sind abgeschafft
Denn Tages-, Jahres- und Familienkarten sind abgeschafft. Alle Gäste ab sechs Jahre müssen zwei Euro für jede Stunde auf dem Freibadgelände berappen. Für eine vierköpfige Familie mit Aufenthalt von fünf Stunden fallen ergo künftig 40 Euro an pro Tag. So etwas wie die Reste des alten Rabattierungsmodells finden sich nur in drei Wertkarten-Guthaben. Beim ersten zahlt man 40 Euro für einen Gegenwert von 60 Euro – entspricht dreißig Stunden Aufenthalt –, beim zweiten 80 Euro für einen Gegenwert von 120 Euro, beim dritten 120 Euro für einen Gegenwert von 180 Euro.
Zum Vergleich: 2020 kostete eine Tageskarte für einen Erwachsenen noch vier Euro, Jugendliche zahlten 2,50 Euro, und eine Familienkarte für zwei Erwachsene mit zwei Kindern lag bei 10 Euro – beziehungsweise 120 Euro für das ganze Jahr bei unbeschränktem Zeitlimit beim Aufenthalt.
Preisschock: Teuerung hat mit aktuellen Krisen nichts zu tun
Mit den aktuellen Teuerungen wegen der Krisen haben die Preise nichts zu tun. Sie wurden nach Informationen unserer Zeitung bereits am 25. November auf der Aufsichtsratssitzung der Wirtschaftsbetriebe, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt Geesthacht, beschlossen. Dort sind stimmberechtigt neben Bürgermeister Olaf Schulze als Vorsitzendem auch Abgeordnete der Fraktionen vertreten. SPD und CDU stellen je drei Mitglieder, die Grünen zwei, BfG, FDP und Linke je eines. Es gab eine Mehrheit von zehn Stimmen für das jetzige Preismodell bei zwei Gegenstimmen, wurde unter der Hand berichtet. Zuerst war kein Rabattsystem vorgesehen gewesen, mit der Einführung der „Wertkarten“ zur Abmilderung wurde erst am 3. März nachgebessert. Diese Vorgänge mussten mit Verschwiegenheit behandelt werden.
Preisschock: Stadtwerke nennen es „flexibel, einfach und fair“
„Tatsächlich ist das Preismodell eine hauseigene Idee, wir haben relativ lang überlegt, wie wir es flexibel, einfach und fair gestalten können“, sagt Stadtwerke-Sprecherin Carolin Wettern. „Das neue Preismodell orientiert sich am tatsächlichen Nutzungsverhalten unserer Badegäste. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Freizeitbad Geesthacht betrug drei Stunden.“ Und: „Das alte Preismodell war sehr unübersichtlich und beinhaltete insgesamt mehr als 60 Tarife. Unser Ziel war eine übersichtliche und diskriminierungsfreie Preisgestaltung“, erklärt die Stadtwerke-Sprecherin weiter. „Wir rechnen mit 100.000 Besuchen in der Saison 2022.“ Durch neue Sicherheits- und Hygienestandards dürfen sich zukünftig 2000 Gäste gleichzeitig im Bad aufhalten, mit Mehrerlösen wird nicht geplant.
Das Freizeitbad wird von der Stadt aus Gewinnen der Stadtwerke bezuschusst, bei eigenen Einnahmen in Höhe von etwa 300.000 Euro waren das zuletzt etwa eine Million Euro pro Saison. Die letzte Erhöhung datiert von 2013.
Grünen-Fraktionschef ist geschockt
Diese Redaktion fragte Geesthachter Politiker zu ihrer Meinung. Ali Demirhan, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, hält diese Entwicklung für völlig falsch: „Wir sind geschockt. Dieser Einheitspreis passt zu einem privat betriebenen Hallenbad, aber nicht zu einem städtischen Freibad mit einer wichtigen sozialen Funktion.“
Dass man die Preise mal wieder anpasst und auch das Preissystem verschlankt, dafür hat Volker Harburg Verständnis: „Aber nicht so“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Bürger für Geesthacht. An so einen Preissprung könne er sich nicht erinnern. „Das Freibad ist der Urlaub des kleinen Mannes – und das sollte es bleiben.“ Er mahnt eine sozialverträgliche Lösung an, will sich die Entwicklung in diesem Jahr aber erst mal anschauen.
Preisschock: FDP sieht auch einen positiven Aspekt
In diese Kerbe schlägt auch Rüdiger Tonn, der Fraktionsvorsitzende der FDP. „Ich finde es selbst auch etwas teuer, aber schweren Herzens sage ich ja dazu“, meint er. „Selbstverständlich muss man sich die Entwicklung nach einem Jahr noch einmal anschauen“. Rüdiger Tonn sieht auch Positives: „Wer sich zehn Stunden dort aufhält, der blockiert das Bad ja für andere. Das ist auch nicht in Ordnung. Die Preispolitik steuert den Aufenthalt“, sagt er mit Blick auf das Limit von 2000 Gästen.
Sommer in Geesthacht fällt aus
Das sieht Arne Ertelt ähnlich. „Zu betrauern ist, dass die Jahreskarte weggefallen ist, gerade für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen täglich schwimmen wollen“, meint der Fraktionsvorsitzende der CDU. Auch er plädiert für eine einjährige Beobachtungsphase. Danach wünscht er sich, dass man über einen Bonus für Stadtwerke-Kunden nachdenkt.
Hamburger Schwimmbäder planen keine Preiserhöhung
Eine Gegnerin des Modells ist Petra Burmeister, die Fraktionsvorsitzende der SPD. „Die SPD hat sich im Aufsichtsrat für andere Lösungen eingesetzt“, erklärt sie. „Leider hat es dafür keine Mehrheit gegeben. Die SPD-Fraktion findet die Entscheidung sozial- und familienpolitisch nicht ausgewogen. Ich persönlich bedauere die Entscheidung sehr.“
Die Bäderland-Schwimmbäder in Hamburg visieren hingegen keine Preiserhöhung an – auch im Bergedorfer Bille-Bad wird sich voraussichtlich nichts ändern. Bäderland-Sprecher Michael Dietel: „Mindestens für das Jahr 2022 werden die Preise so bleiben.“