Geesthacht. Im Geesthachter LADR-Labor von Prof. Dr. Jan Kramer wird jeder positive Corona-Test weiter untersucht. Kramer fordert mehr Testungen.

In über der Hälfte aller positiven Corona-Tests in Großbritannien kann inzwischen die sogenannte britische Virusvariante nachgewiesen werden. „Die Situation muss ernst genommen werden“, meint Prof. Dr. Jan Kramer, ärztlicher Geschäftsführer des LADR Laborverbunds mit Hauptsitz in Geesthacht. „In Deutschland liegen wir zwar noch weit davon entfernt, aber die Mutation N501Y ist bundesweit angekommen – auch in unserer Region.“

Was vereinfacht hinter der Mutation steckt und warum diese deutlich ansteckender ist, versucht Prof. Kramer anschaulich zu erklären: „Für das Andocken des Virus an die Zellen ist das Spike-Protein verantwortlich. Das ist wie beim Schlüssel-Schloss-Prinzip, bei dem sich der Schlüssel optimiert hat“, sagt der Internist und Laborarzt.

Mutiertes Coronavirus ist auch im Norden angekommen

Um genau festzustellen, wie verbreitet die Mutation hierzulande ist, hat der Interessenverband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) die Initiative ergriffen und geht den Virus-Mutanten nun intensiv auf die Spur. „Wir fühlen uns verantwortlich, so etwas durchzuführen“, sagt Jan Kramer, der stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbands ist.

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Deshalb wird nun in allen LADR-Laboren bei jedem positiven PCR-Testergebnis mittels weiterer Verfahren auch auf die Mutation gescreent, die im Fachjargon die Bezeichnung N501Y (B.1.1.7) trägt. „Die PCR-Fahndung erfolgt für die schleswig-holsteiner LADR-Labore taggleich im regionalen Zentrallabor in Geesthacht“, betont Kramer. Damit gehen die Labore weit über die Vorgaben zum Kampf gegen Mutationen, die Coronavirus-Surveillanceverordnung (CorSurV), hinaus. Die gibt vor, dass fünf Prozent der Positiv-Proben zusätzlich in ihrem gesamten Genom auf Mutationen untersucht werden sollen.

Verbreitung der britischen Corona-Variante im einstelligen Prozentbereich

Finanzielle Aspekte stecken keine dahinter, versichert Prof. Kramer. „Wir unterstützen die öffentlichen Gesundheitsdienste. Informationen zur Verbreitung der Mutationen sind so schneller verfügbar. Die 50,50 Euro, die wir pro Mutations-Test abrechnen können, decken unsere Kosten“, sagt er.

Wie hoch die Verbreitung der britischen Corona-Variante derzeit in Deutschland ist, darauf will sich Prof. Dr. Kramer noch nicht festnageln lassen. „Das muss erst zusammengefasst über das Robert-Koch-Institut ausgewertet werden. Der Wert dürfte eher im einstelligen Prozentbereich liegen“, sagt der 46-Jährige.

Kapazität von zwei Millionen Tests pro Woche

Die zusätzlichen Tests sind möglich, da derzeit nicht die komplette Kapazität ausgeschöpft wird. In der Woche vom 18. bis 24. Januar wurden nach der wöchentlichen ALM-Datenerhebung deutschlandweit 990.000 PCR-Tests durchgeführt. In der Spitze waren es Ende Oktober in den 170 an der Auswertung teilnehmenden Laboren 1,5 Millionen. „Damals waren medizinische Labore damit überlastet“, sagt Kramer. Mittlerweile konnte die Kapazität auf zwei Millionen Test pro Woche ausgedehnt werden.

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In Geesthacht beträgt die Auslastung derzeit etwa 60 Prozent. 50.000 Testungen werden pro Woche durchgeführt, über 85.000 wären möglich.

„Ich halte nichts von Testungen zu Hause und rate sogar davon dringend ab“

Wird in Deutschland also zu wenig getestet? Die Antwort von Prof. Dr. Jan Kramer ist ein „Ja, aber.“ Im konkreten Anlass zu testen, also bei Symptomen oder im Verdachtsfall, ist für den Fachmann der richtige Ansatz. „Ich halte nichts von Testungen zu Hause und rate sogar davon dringend ab“, sagt der Enkel des Laborgründers Siegfried Kramer. Bei den zur Verfügung stehenden Schnelltests gebe es zu große Qualitätsunterschiede und zudem schwarze Schafe unter den Anbietern. Folge: „Der Verbraucher kann das Testergebnis nicht beurteilen, und insgesamt wird der Überblick über das gesamte Infektionsgeschehen schlechter. Trotzdem bin ich für mehr Tests, die aber wie bisher von medizinischem Personal durchgeführt werden sollten.“

Dass es schwierig ist, an einen Test heranzukommen, selbst etwa für Menschen, die in Quarantäne sind, weil sie Kontakt zu einer corona-positiven Person hatten und gern wissen wollen, ob sie selbst infiziert sind, kann Prof. Dr. Jan Kramer nicht nachvollziehen. „Jeder, der in Quarantäne ist, hat per Verordnung ein Anrecht darauf, getestet zu werden und kann sich an die Hausärzte oder die entsprechenden Testzentren wenden“, sagt er.