Das Projekt „Von Nachbars Höfen“ bündelt 24 Erzeuger aus der Region. So funktioniert das neue Netzwerk der Landwirte.
Gute Lebensmittel aus der Region, direkt von Bauernhöfen gekauft, ohne dort hinzufahren zu müssen: Das ist das Konzept des Projekts Von Nachbars Höfen. „Wir wollen Höfe, die aufgrund ihres Standorts oder aus Kapazitätsgründen ihre Ware nicht selbst vermarkten können, mit Kunden verbinden, die frische, hochwertige Lebensmittel schätzen“, sagt Sybille Kahnenbley vom Maschinenring Harburg. Die CDU-Kreistagsabgeordnete initiierte und koordiniert das Projekt.
Vor einem Jahr fragte die Agrarexpertin in ihrem Kundenkreis herum, ob Interesse bestehe, nicht nur gemeinsam landwirtschaftliche Maschinen zu nutzen, sondern auch die jeweiligen Erzeugnisse gemeinsam zu vermarkten. Sie stieß auf großes Interesse. Kahnenbley: „Zunächst hatten wir an einen Laden gedacht, der allerdings keine Konkurrenz zu den bestehenden Hofläden im Landkreis Harburg darstellen sollte. Dann kam Corona und wir beschlossen, den ohnehin in einer zweiten Phase geplanten Online-Verkauf vorzuziehen.“
Lebensmitteleinkauf läuft zunächst digital
Unter vonnachbarshoefen.de erledigen die Kunden ihren Lebensmitteleinkauf digital. Die bezahlte Ware holen sie an einem bestimmten Wochentag an einem von sechs Standorten ab. „Wir möchten die Produkte aus der Region möglichst nahe zu den Kunden bringen und stehen dort, wo sie wohnen, arbeiten oder wo viele Menschen vorbeikommen“, sagt Kahnenbley.
Die Standorte zeigen, dass das Projekt vor allem die Hamburger Kundschaft im Blick hat: Der Verkaufswagen fährt nach Eimsbüttel, Winterhude, Barmbek und Nienstedten sowie nach Marmstorf (Parkplatz der Baumschule von Ehren, donnerstags 16 bis 18 Uhr) und Buchholz (Parkplatz Beisner Druck, freitags 14 bis 16 Uhr).
24 Erzeuger beteiligen sich an dem Projekt, größtenteils liegen sie im Landkreis Harburg. 19 von ihnen sind Höfe, dazu gesellen sich der Bäcker Becker, die Landbrauerei Hacker, die Imkerei Stöckmann, die Fleischerei Röhrs und der Heideröster (Kaffee). Damit alle Zutaten für eine komplette Mahlzeit von Nachbars Höfen kommen können, gebe es auch Gemüse aus den Vier- und Marschlanden, so Kahnenbley. Und ein Uelzener Betrieb liefere Süßkartoffeln – „die kommen sonst immer aus den USA“.
Höfe haben Anteile gezeichnet
„Wir sind im Oktober gestartet“, sagt Nina Riege, die den Online-Auftritt und weitere Marketing-Aktivitäten verantwortet. „Das Unternehmen gehört der Landwirtschaft. Die Höfe haben Anteile gezeichnet. Wir haben bereits Nachfragen von weiteren Höfen, die mitmachen möchten. Aber wir wollen jetzt erst einmal eine Testphase bewältigen und im kommenden Jahr weitersehen.“
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Familienbetriebe mit Rindern zur Fleischerzeugung oder als Milchvieh bilden derzeit einen Schwerpunkt unter den nachbarlichen Höfen. „Wir legen Wert auf eine gute Produktion. Weidehaltung sollte schon sein“, sagt Kahnenbley. Gewünscht seien Familienbetriebe, die transparent arbeiten und – im Rahmen der Hygieneanforderungen – Besucher auf ihre Höfe und in die Ställe lassen. Einer, der die Kriterien voll erfüllt, ist der Hof Ramdohr in Tönnhausen. Helmut Ramdohr und seine Tochter Janine waren von Anfang an dabei.
„Wir haben hier in der Marsch zahlreiche Umweltauflagen einzuhalten. Auch die nachhaltige Produktion wird immer wichtiger. Als fest stand, dass meine Tochter in der Landwirtschaft arbeiten möchte und hier eine Lehre gemacht hat, mussten wir uns überlegen, wie es mit dem Hof weitergeht.“
25 Rinder für die neue Vermarktungsschiene
Die Marschroute ist klar: Im Laufe der Zeit sollen immer mehr der 260 Rinder, die auf dem Hof leben, als Mastrinder mit Weidehaltung aufgezogen und über das neue Projekt vermarktet werden. Ramdohr: „Vor zwei Jahren haben wir erstmals Rinder aus unseren Laufställen auf die Weide gelassen. Das macht einfach Spaß, sie dort grasen zu sehen.“
Bislang sind nur 25 Rinder für die neue Vermarktungsschiene vorgesehen. 32 Bullen ziehen die Ramdohrs für einen anderen Betrieb groß; alle anderen sind Zuchtrinder für die Milchwirtschaft. Die Kühe kommen als Kälbchen auf den Hof, werden groß gezogen und kurz vor dem Milchgeben weiterverkauft.
In diesem Bereich seien die Preise jedoch auf einem Niveau, bei dem Weidehaltung nicht wirtschaftlich sei, so Ramdohr. Mit dem Fleisch der Masttiere könne er mehr Geld erwirtschaften, so dass sich hier die Weidehaltung, bei der die Rinder langsamer wachsen, rechne. „Die Landwirte können jetzt so arbeiten, wie sie es wollen“, ergänzt Nina Riege.
Höfe im Umland einer Großstadt wie Hamburg haben es schwer
Generell haben es die Höfe im Umkreis einer Großstadt besonders schwer. Das ländliche Umland ist relativ dicht besiedelt, die Flächenkonkurrenz groß. „Wir wollen die Betriebe am Rande der Großstadt erhalten“, sagt Riege. „Das folgt dem Gedanken, dass sich die Großstadt möglichst stark aus ihrem Umland ernährt.“ Dabei können die Großstädter bei Hofbesuchen lernen, wie moderne Landwirtschaft funktioniert.
Helmut Ramdohr freut sich immer, wenn Städter auf seinen Hof kommen: „Ich habe Freunde in Hamburg. Die haben eine völlig falsche Vorstellung von der Landwirtschaft, sie haben die Massentierhaltung im Kopf. Als sie unsere Ställe sahen, waren sie positiv überrascht.“
„Wir können in dem Projekt direkt an die Kunden liefern und unseren Produkten wieder Wert geben“ , sagt Janine Ramdohr. Und dieser Wert ist nicht nur in Euro zu beziffern. „Wenn die Leute kommen und sagen ,das ist toll, was ihr hier macht’, dann tut das richtig gut“, sagt der Vater. „Das ist dann ein Teil der Entlohnung.“