Niendorf-Stecknitz. Am Geburtstag ihres Sohnes stirbt eine 39-Jährige, als ein Transporter im Gegenverkehr ihren Wagen rammt. „Komplett sinnloser Tod.“

Mit einer Haftstrafe für Laurentiu P. (alle Namen geändert) endet der Prozess um den tödlichen Unfall auf der B207 zwischen Schwarzenbek und Breitenfelde. Er muss drei Jahre und einen Monat ins Gefängnis. Der Angeklagte soll am Nikolaustag im Dezember 2022 in einem Transporter nach Feierabend von Schwarzenbek nach Breitenfelde gefahren und dabei in den Gegenverkehr geraten sein. Dabei erfasste er das Auto von Josephine L. Die Mutter eines 13-Jährigen starb noch am Unfallort. Ihr Sohn Jonas überlebte mit nur leichten Verletzungen.

Dabei hätte der Angeklagte aus gleich mehreren Gründen gar nicht hinter dem Steuer sitzen dürfen: P. litt unter Fieber und Schüttelfrost, er hatte THC und ein Kokain-Abbauprodukt im Blut und besaß zudem nur einen britischen Lernführerschein. Daher war er vor dem Ratzeburger Amtsgericht unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.

Unfall Schwarzenbek: Mutter stirbt auf B207 – Todesfahrer muss ins Gefängnis

Mehrere Zeuginnen hatten beim ersten Verhandlungstag vor zwei Wochen zu Protokoll gegeben, dass ihnen die unsichere Fahrweise des Angeklagten aufgefallen war. P. soll mehrmals mit seinem Kastenwagen auf den Grünstreifen und auch auf die Gegenfahrbahn gekommen sein. „Ich dachte die ganze Zeit, gleich passiert etwas“, sagte eine Zeugin, die von Schwarzenbek aus kommend hinter dem Angeklagten gefahren war. Kurz hinter der Abzweigung nach Niendorf-Stecknitz ereignete sich dann der tödliche Unfall, bei dem Jonas L. seine Mutter verlor.

Wieso Laurentiu P. trotz seiner Krankheit zur Arbeit ging und anschließend in den Firmentransporter stieg, will Richter Martin Mrozek wissen. „Ich konnte es mir einfach nicht erlauben, nicht zu arbeiten“, sagt der Angeklagte, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlug. Er habe das Geld dringend gebraucht, um sich und seine in Griechenland lebenden Kinder ernähren zu können. Staatsanwältin Helena Haas da Silva hält dem Angeklagten vor, dass er dabei die Signale seines Körpers ganz bewusst missachtet hatte. „Spätestens als er in den Gegenverkehr geraten ist, hätte er die Fahrt beenden müssen. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass es nicht mehr Tote gegeben hat“, sagt sie.

Mutter stirbt auf B207 – sie war nicht angeschnallt

Sie verweist zudem auf die einschlägigen Vorstrafen, die im Zentralregisterauszug des heute 34-Jährigen vermerkt sind. Er wurde bereits wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Und: Da Unterlagen von griechischen Behörden im Ratzeburger Gericht eingetroffen waren, kam heraus, dass P. schon in Griechenland eine längere Haftstrafe verbüßt hatte. Er hatte Menschen illegal geschleust. Insgesamt hat er dort vier Jahre und sechs Monate hinter Gittern verbracht, eine Geldstrafe über 50.000 Euro wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Bei dem Unfall, der sich an einer Stelle der B207 ereignete, die als unübersichtlich gilt, kam die 39-jährige Mutter Josephine L. ums Leben. Sowohl Mutter als auch Sohn waren laut Dekra-Gutachter bei dem Unfall nicht angeschnallt. Zeugenaussagen deuten darauf hin, dass sie öfters unangeschnallt gefahren ist. Aber: Das Gutachten einer Gerichtsmedizinerin legt nahe, dass auch ein Anschnallgurt den Tod von Josephine L. nicht verhindert hätte. Sie erlitt bei dem Unfall schwerste Kopf- und Rückenverletzungen sowie innere Blutungen. Mit vergleichsweise leichten Verletzungen kam ihr damals 13-jähriger Sohn aus dem Wrack. Er hatte eine Kopfplatzwunde und diverse Prellungen und wurde von Ersthelfern versorgt.

Mutter stirbt auf B207: Unfall passierte am Geburtstag des Sohnes

Laut Zeugenaussagen soll sich Laurentiu P. nach dem Unfall in den Graben gesetzt und eine Zigarette geraucht haben. An den Hilfsmaßnahmen soll er sich hingegen nicht beteiligt haben. Möglich erscheint, dass er unter Schock stand. Der Angeklagte selbst berichtete, dass er sich auf den Boden gelegt hatte und anschließend von einem Helfer in ein Auto gebracht wurde.

Begleitet wurden die beiden Verhandlungstage auch von Familienmitgliedern von Josephine L., die immer wieder mit den Tränen rangen. „Wir müssen auch die Folgen für die Hinterbliebenen beachten“, erinnert die Staatsanwältin. Schließlich müssen diese nun mit dem Verlust klarkommen. Da sich der Unfall am Geburtstag ihres Sohnes ereignete, werde er für den Rest seines Lebens seinen Geburtstag mit diesem Unglück verbinden. Sie fordert eine Haftstrafe von drei Jahren und einem Monat für Laurentiu P.

Prozess um Unfall auf B207: Opferanwalt fordert höhere Strafe

Eine noch höhere Strafe fordert der Rechtsbeistand der Opferfamilie. „Sie haben alles außer Acht gelassen, was man außer Acht lassen kann“, sagt er zum Angeklagten. Die Entschuldigung, die Laurentiu P. am ersten Verhandlungstag an Jonas und dessen Vater gerichtet hatte, nimmt er ihm nicht ab. Das habe er nur gemacht, um eine mildere Strafe zu erhalten. Er forderte drei Jahre und sechs Monate Haft und ein Schmerzensgeld von 5000 Euro für den Sohn.

Als einen Griff zu weit oben ins Regal bezeichnet der Verteidiger diese Forderung. Schließlich habe sein Mandant unter großem finanziellen Druck gestanden. Außerdem habe er nicht gewusst, dass die Medikamente, die er einnahm, seine Fahrtauglichkeit einschränken können. Er plädiert für eine Haftstrafe von zwei Jahren – dem Höchstmaß, das noch eine Bewährungsstrafe zulässt. Eine solche bringt er vorsichtig ins Spiel.

Mutter stirbt auf B207: Panne bei Schmerzensgeldforderung

Richter Martin Mrozek folgt schließlich der Forderung, die von der Lübecker Staatsanwaltschaft vorgebracht wurde. Drei Jahre und einen Monat muss Laurentiu P. hinter Gitter. Es zeuge nicht von Verantwortungsbewusstsein, sich in dem Zustand, in dem sich der Angeklagte befand, hinters Steuer zu setzen. „Das war ein komplett sinnloser Tod. Für die Tote selbst und auch für die Angehörigen“, sagt Mrozek. Schwer wiege dabei auch, dass es sich nicht um eine einmalige Unaufmerksamkeit handelte, die zum Unfall führte. Stattdessen habe Laurentiu P. es durch seine Fahruntauglichkeit billigend in Kauf genommen, dass etwas passierte.

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Möglich erscheint, dass es nicht der letzte Prozess rund um den Unfall war. Auch dem Chef von Laurentiu P., der ihn trotz Krankheit arbeiten und Auto fahren ließ, droht Ärger. Eine Schlappe muss derweil die Nebenklage einstecken. Da der Antrag auf 5000 Euro Schmerzensgeld erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und somit zu spät gestellt wurde, ist dieser nicht berücksichtigt worden. Fraglich bleibt, ob der Angeklagte die Summe überhaupt hätte aufbringen können.