Geesthacht/Mölln. Eltern der Förderschulen in Geesthacht und Mölln fordern Gleichbehandlung vom Kreis. Warum CDU/Grüne einen Antrag abgelehnt haben.
Adrian Schönbeck besucht die 5. Klasse an der Hachede-Schule in Geesthacht, einem Förderzentrum für geistige Entwicklung. Der Elfjährige hat einen seltenen Gendefekt, kann weder laufen noch sprechen und leidet an starker Epilepsie. Adrian benötigt eine Betreuung rund um die Uhr. Das ist für die Eltern Ellen Schönbeck und Marko Stoll fordernd genug und wird spätestens in den Schulferien zum Problem. Denn eine Ferienbetreuung für behinderte Kinder gibt es anders als für ihre gesunden Altersgenossen im Kreis Herzogtum Lauenburg nicht. „Seit der Einschulung hatten wir keinen gemeinsamen Urlaub mehr“, sagt Ellen Schönbeck.
Ihrem Ärger verschaffen die Eltern der Hachede-Schule und der Schule Steinfeld aus Mölln jetzt Luft. Mit einer großen Delegation wollen sie die Sitzung des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses des Kreises am Donnerstag, 25. Januar, im Berufsbildungszentrum Mölln besuchen (18 Uhr, Kerschensteinerstraße 2, Musikraum, Trakt C) und ihr Ansinnen in der Einwohnerfragestunde vortragen. „Wir fordern endlich die Einrichtung einer Ferienbetreuung für behinderte Kinder, für die wir seit Jahren kämpfen“, sagt Helmut Kraut, der Elternsprecher an der Hachede-Schule.
Eltern fordern Gleichberechtigung vom Kreis
Die für die Förderzentren zuständige Kreisverwaltung wollte ein dreiwöchiges Angebot in den Sommerferien 2024 einführen. Doch CDU und Bündnis 90/Die Grünen, die eine Koalition im Ratzeburger Kreistag bilden, lehnten diesen Antrag mit ihrer Stimmenmehrheit ab. „Weil es mit hohen Kosten verbunden ist und der Rahmen völlig unklar ist“, wie Henning Lüneburg, der stellvertretende Bildungsausschuss-Vorsitzende von der CDU, erklärt. Der Antrag der Verwaltung sei „mäßig gut“ vorbereitet gewesen, ergänzt der Marcus Worm, der Grüne-Fraktionsvorsitzende im Kreistag. „Eine Aussage, wie hoch die Elternbeiträge für die Ferienbetreuung sind, hat ganz gefehlt“, bemängelt Worm.
Der Antrag sah den Aufbau einer integrativen Ferienbetreuung vor, die sich an den Zeiten orientiert, die die Kinder während der Schulzeit im Ganztag dort verbringen. Demnach wären für die Hachede-Schule knapp 52.000 Euro und für die Steinfeld-Schule gut 42.000 Euro nötig. Dazu kämen geschätzte 39.000 Euro für die Schülerbeförderung, wenn an beiden Standorten zusammen 80 Schüler in den Ferien betreut würden. Eine genauere Kalkulation wäre erst nach einer Bedarfsabfrage möglich, wenn die Wohnorte der Schüler bekannt sind. Darauf spielt CDU-Mann Lüneburg an, wenn er sagt: „Der Kostenrahmen hätte durch die Verwaltung genauer vorgelegt werden müssen, dann hätten wir intensiver beraten können.“
Behinderte Kinder brauchen Betreuung unabhängig vom Alter
Kinder mit Handicap müssen in der Regel zur Schule gefahren werden. Der gesamte Südkreis ist Einzugsgebiet der Hachede-Schule, der Norden geht zur Steinfeld-Schule. Am 29. September 2023 gingen 185 Schüler in Geesthacht und 133 in Mölln an die Förderzentren, Tendenz steigend. Zum neuen Schuljahr werden 200 beziehungsweise 150 Kinder erwartet.
„Eine Abfrage vor einer paar Jahren hat ergeben, dass ein Drittel unserer Eltern eine Ferienbetreuung unbedingt benötigen“, weiß Elternsprecher Helmut Kraut. Hier kommen für Marcus Worm die Elternbeiträge ins Spiel. „An den Regelschulen in den Kommunen sind im Schnitt 25 Prozent Beteiligung für die Eltern normal“, sagt Worm. In Geesthacht sind es 110 Euro pro Monat, in Lauenburg 86 Euro pro Woche – jeweils ohne Mittagessen.
„Bei Förderschülern benötigt man viel Personal. Da könnten wir für vier Tage im Monat bei 125 Euro liegen“, hat Worm hochgerechnet, dabei aber nur die Erst- bis Viertklässler an den Förderzentren berücksichtigt. Schließlich bestehe der ab 2026 geltende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung auch nur für Grundschüler. Ein Argument, das für Helmut Kraut nicht greift: „Warum gibt es denn den Anspruch für Grundschulkinder? Weil sie mehr Betreuungsbedarf haben. Unsere Kinder sind zum Teil mehrfach schwerstbehindert. Sie brauchen immer Betreuung, unabhängig vom Alter“, sagt Kraut.
SPD unterstützt Ansinnen der Eltern
Unterstützung bekommt er von Gitta Neemann-Güntner (SPD). „Ich fordere Gleichberechtigung für alle Kinder“, sagt die Vorsitzende im Kreis-Bildungsausschusses. „Als die Ferienbetreuung Thema im Ausschuss war, wollten CDU und Grüne die Angelegenheit zweimal erst in ihrer Fraktion besprechen, bevor sie sich festlegen. Und dann kommt im Kreistag einfach so eine Ablehnung, ohne dass wir nochmal darüber gesprochen haben“, sagt Neemann-Güntner.
Sie hätte sich gewünscht, dass die Gelder für die Ferienbetreuung zumindest mit Sperrvermerk für den Haushalt bewilligt worden wären. Das heißt, dass die Gelder zwar prinzipiell im Haushalt zur Verfügung stehen, aber erst nach weiterer Beratung und Klärung offener Fragen freigegeben werden können.
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Für Pascal Thomann, den Schulleiter der Hachede-Schule, spricht noch ein anderes Argument für die Ferienbetreuung: „Erprobt es doch, bevor der Rechtsanspruch kommt, weil unsere Schüler ganz besondere Bedarfe haben.“ Sollte nach dem Elternprotest am Donnerstag jedoch nicht erneut Bewegung in die Angelegenheit kommen, müssen sich betroffene Eltern wieder bis zur Decke strecken.
Ellen Schönbeck und Marko Stoll nehmen zur Betreuung von Adrian stets getrennt Urlaub, um alle Ferienzeiten abdecken zu können. Eine gemeinsame Auszeit ist nicht drin. „Die Betreuung von behinderten Kindern ist sehr belastend. Unsere Kinder müssen zum Teil gewickelt werden, brauchen besondere medizinische Hilfe, andere schreien. Für Eltern und Geschwisterkinder wäre eine Entlastung so wichtig“, appelliert Helmut Kraut.