Schwarzenbek. Wo jetzt Budni und Penny residieren, stand einst das Vorwerk der Askanier. Protz und Verschwendung gehörten zum Leben der Adeligen.
„Mr. Spock und die Askanier“, das ginge als Star-Trek-Episodentitel geschmeidig durch. Leider pure Fantasie, denn die Zeitachsen von Vulkaniern und Askaniern treffen sich in keiner Dimension. Das Geschlecht der Askanier hat sich bereits vor knapp 350 Jahren vom Planeten Erde verabschiedet. Zuvor prägte es bis 1689 knapp fünf Jahrhunderte das Schicksal vieler Menschen im Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Nicht immer zum Guten und teilweise mit so verheerenden Folgen, dass spätere Landesregierungen alles taten, um die Erinnerungen an das Adelsgeschlecht vergessen zu machen.
Christian Lopau, Leiter der Archivgemeinschaft Nordkreis Herzogtum Lauenburg, lädt jetzt dazu ein, sich wieder mit den Askaniern zu beschäftigen. „Auf den Spuren der Askanier“ heißt sein Vortrag am Sonnabend, 4. November, 15 Uhr, Amtsrichterhaus Schwarzenbek (Körnerplatz 10). Der Eintritt ist frei, um eine kleine Spende wird gebeten.
Vortrag zur Geschichte der Askanier im Lauenburgischen
Lopaus Entdeckungsreise führt zu Kirchen und Gräbern, in das Kreismuseum Ratzeburg und zu Stätten, die bis heute an das Fürstengeschlecht erinnern. Zum Beispiel in Lauenburg: Unterhalb der Reste ihres ehemaligen Schlosses gewährt dort der „Askanierblick“ an hellen Tagen freie Sicht bis Lüneburg. Der angrenzende Fürstengarten geht auf eine Anlage des Askaniers Franz II. zurück und in der Grotte am Elbhang erklären Schautafeln, welche Herzöge hier einst mit ihren Liebschaften die Füße ins Elbwasser tauchten. Fundamente eines Schlosses finden sich auch in Ratzeburg, Nebenresidenzen unterhielten die Askanier in Franzhagen, Groß Grönau und Schwarzenbek.
Christian Lopaus Kollege Lukas Schaefer weiß genau, wo die Askanier einst tafelten: „Hier, wo jetzt Penny und Budni residieren, standen bis in die 60er-Jahre die Reste ihres Vorwerks“, berichtet Schwarzenbeks Stadtarchivar. Der Komplex umfasste mehrere Gebäude und war Sitz verschiedener Amtsmänner. Lange bevor die Struktur eines Amtswesens eingeführt wurde, stand an gleicher Stelle auch eine ihrer Burgen. Schaefer bestätigt das Klischee von den verschwendungssüchtigen Fürsten, die nicht nur Geliebte, sondern gleich ganze Nebenfamilien ausstatten mussten und dadurch in die Schuldenfalle gerieten.
Franz I. galt seit seinem Amtsantritt anno 1543 als willensschwach und genusssüchtig zugleich. Eine Kombination, die viele Adelige dazu verführte, ihre Kassen durch den Einsatz von Söldnerheeren zu füllen. Julius Franz dagegen, der letzte Lauenburger Herzog aus arkanischem Hause, starb 1689 ohne männliche Nachkommen und ging als einer der fähigsten Fürsten seines Geschlechts in die Geschichte ein.
Akten des Bundesgrenzschutzes neu im Archiv
Wie sein Kollege in Ratzeburg spürt Lukas Schaefer gleich an mehreren Orten der Historie nach. Neben Schwarzenbek ist er in Lauenburg, Wentorf, Dassendorf und neuerdings für das Amt Lütau im Einsatz. Vier Standorte, fünf Archive, viele Aufgaben. Dazu gehören Fragen nach den Askaniern genauso wie Amtshilfe bei Familienforschungen und Erbenermittlung oder Informationsbeschaffung für die Verwaltung. Die wendet sich bei historischen Recherchen, Straßenbenennungen, touristischen Aktionen und Bauvorhaben an ihre Archivkräfte. Auch ein Archivar weiß nicht alles, sagt Schaefer, aber: „Er weiß, wo er suchen muss.“
Das gilt auch für frisch eingetroffene Akten, die neue Details zur jüngsten Geschichte der Region versprechen. In Schwarzenbek etwa die Akten des Bundesgrenzschutzes, der entlang der innerdeutschen Grenze mit vielen Aufgaben betraut war. Die Auswertung des fotografisch genau festgelegten Grenzverlaufs zwischen Zarrentin am Südende des Schaalsees und der Elbe sowie Protokolle über Fluchtversuche entlang des ehemaligen Grenzverlaufs bergen dramatische Geschichten. Entsprechend der geltenden Schutzfristen des Archivrechts ist das Material noch nicht öffentlich zugänglich. Aber es liegt vor und wird vom Stadtarchivar jetzt schon nach brauchbaren Suchbegriffen strukturiert.
Was findet man alles im Archiv?
Bis der nächste Vortrag lokale Besonderheiten zur deutsch-deutschen Geschichte ans Licht bringt, noch mal ein Sprung zurück ins späte Mittelalter: Wie kriege ich nun raus, ob ich von den Askaniern abstamme? „Schwierig“, sagt Schaefer, und öffnet den Schrank hinter sich. In Sachen Ahnenforschung können die kommunalen Archive nicht allzu weit in der Zeit zurückreisen. Die Suche endet 1876. In diesem Jahr wurden im preußischen Reich die Standesämter eingeführt und erst ab diesem Jahr geben Registerbücher Auskunft. Die Kladden von Schwarzenbek, je nach Geburt, Eheschließung und Sterbefall mit farbigen Banderolen versehen, hat Lukas Schaefer immer griffbereit im Rücken. Wer tiefer graben will, den verweist er an die Kollegin vom Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg.
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Dass das Interesse an der eigenen Geschichte und Herkunft groß ist, freut Lukas Schaefer. Genauso freut ihn die Dankbarkeit der Auskunftssuchenden. „Da wird es durchaus mal emotional. Viele wissen gar nicht, dass sie in der eigenen Kommune ohne großen Aufwand entscheidende Antworten finden können.“ Der Job im Archiv wird dabei nicht selten zu einer regelrechten Detektivarbeit. Das Klischee vom verstaubten Aktendeckeldrehen stimmt also so nicht.
Archivar Lukas Schaefer ist 40 Jahre jung und voller Ideen.
Ohnehin räumt der Besuch beim Schwarzenbeker Stadtarchivar mit einigen Klischees auf. Das Archiv befindet sich nicht im Keller, sondern in der obersten Rathausetage. Der Archivar ist kein pensionierter Lehrer, sondern 40 Jahre jung und voller Ideen. Außerdem sitzt Lukas Schaefer der 15-jährige Liam Gohlke gegenüber. Der Schüler, der sich schon immer für Geschichte interessiert, absolviert sein Praktikum im Archiv der Gemeinde. Auf die Frage, in welcher Zeit er am liebsten gelebt hätte, denkt Liam kurz nach und entscheidet sich dann für die Steinzeit. Okay, da muss Lukas Schaefer passen. Da bräuchten wir jetzt eher Spocks Kollegen Scotty zum Beamen.