Norderstedt. Neue Serie „Öko? Logisch?“: Abendblatt-Redakteur Andreas Burgmayer pendelt seit 2003 im Waggon der U-Bahnlinie 1 und zieht Bilanz.

Ich bin ja noch grün hinter den Ohren, was das Pendeln angeht. Ich mach das ja erst seit 2003, also gerade mal 16 Jahre lang. Schanzenviertel-Norderstedt und zurück, jeden Werktag und regelmäßig am Wochenende. Davor war mein Arbeitsplatz in Laufweite. Ja gut, ich gebe zu: Das war schon irgendwie optimaler. Und total klimaneutral.

Im Rückblick erscheint mir meine bisherige Pendlerkarriere in Teilen absurd. Denn anfangs, also 2003, fuhr ich tatsächlich jeden Tag mit dem Auto hin und her, genoss den Wahnsinn des Berufsverkehr-Nahkampfes am Morgen und am Abend. Ich verschwendete Lebenszeit mit dem Suchen nach Parkplätzen, Nerven beim Aufregen über selbstredend komplett idiotisch vor, hinter und neben mir fahrende Co-Pendler (die exakt genauso über mich dachten) und viel Geld für Benzin und Strafzettel und zwei Auffahrunfälle.

Grundsätzlich infrage gestellt habe ich das Auto-Pendeln damals aber nicht. Es war ja legitimiert durch die berufliche Notwendigkeit, mobil sein zu müssen. Und es hatte natürlich überhaupt nichts mit der ausgeprägten Bequemlichkeit meinerseits zu tun.

Umwelt-Zombie bleiben oder auf die Bahn umsteigen?

Nach dem Umzug der Redaktion des Hamburger Abendblattes 2011 von der Europa- an die Rathausallee änderte sich mein Denkmuster. Nicht nur, dass der Arbeitgeber mir mit einem kleinen Dienst-Smart für die gesamte Redaktion die Legitimierung für die Verwendung des eigenen Autos nahm. Ich konnte an meine neuen Arbeitsplatz an der Rathausallee auch nicht mehr ignorieren, dass die U-Bahnlinie 1 quasi direkt unter meinem Redaktionsstuhl ankam. Den U-Bahnhof Mitte hatte ich in Sichtweite.

Jetzt weiterhin mit einem alten Volvo 850 auf 100 Kilometer 12 Liter Super zu verbrennen, nur um weiterhin alte Gewohnheiten zu pflegen, das hätte mich zu einem mir gänzlich unsympathischen Umwelt-Zombie gemacht. Ich hatte die Wahl, entweder in den Club der Klimawandelleugner einzutreten oder endlich auf die Bahn umzusteigen.

Ich erinnere mich gut an den ersten Tag des Pendelns mit der Bahn. Ich stand extra früh auf. Weil ich dachte, ich brauche bestimmt länger. Erst die U3 ab Sternschanze bis Kellinghusenstraße. Dann U1 bis Norderstedt-Mitte. Endstation. Es soll Menschen in der Innenstadt von Hamburg geben, die würden sich für diese Tour ein Lunchpaket packen – man weiß ja nie was passiert, wenn man so weit raus muss.

Bullshit. Natürlich kam ich keine 40 Minuten später an der Rathausallee an. Ich kenne Menschen, die pendeln von Eppendorf jeden Tag mit dem Auto in die Innenstadt und brauchen dafür je nach Verkehr länger.

Schienenersatzverkehr – die härteste Probe für jeden Pendler

Die Bahnfahrt an sich hatte den unschlagbaren Vorteil im Vergleich zum Autofahren, dass ich einfach nur sitzen und gucken musste. Später begann ich Romane zu lesen. Manchmal mache ich Handyspiele, chatte oder telefoniere mit Freunden oder höre Musik. Und ja – es gibt betrunkene Idioten, die rumpöbeln in der Bahn. Obdachlose, die stark riechen und in der Bahn pennen. Und nervige Mitfahrer, die laut telefonieren. Das ist so im Leben – die Hölle sind immer die anderen. In der Bahn gehe ich einfach in den anderen Waggon und lasse die Hölle zurück. Deswegen liebe ich auch das U-Bahn-Modell T4. Und ich kann die neuen, klimaunterkühlten T5-Modelle nicht leiden – sie bieten auf langen Fahrten weder Komfort noch Rückzugsmöglichkeiten.

Die härteste Probe auf die man Pendler stellen kann, ist ein drei Monate dauernder Schienenersatzverkehr – wie derzeit zwischen Ohlsdorf und Langenhorn Markt. Zusammengepfercht in Expressbussen zwei Mal täglich durch die Rush-Hour zuckeln, das ist Folter. Ich gestehe – an manchen Tagen pendle ich mit einem Car-Sharing-Auto. Doch ich weiß, dass der Ausbau des Schienennetzes und der Stationen nötig und unumgänglich sind. Also halte ich durch. Und sehne Ende August herbei, wenn ich endlich wieder ungestört Bahnfahren darf.