Buxtehude. Dieter Klar verzauberte Promis und Royals, geriet in die Gunst der Mächtigen. Was ihn fernab der Glitzerwelt jedoch am meisten beschäftigt.
- Kann ein Mensch, der in seinem Berufsleben die größten Stars und Promis vor der Linse hatte, noch ein normales Leben führen?
- Dieter Klar ist der lebendige Beweis, dass es geht: Der 86 Jahre alte Starfotograf lebt heute ganz normal in der Buxtehuder Altstadt
- Seine Aufmerksamkeit gilt heute nämlich einer komplett anderen Sache
Er zog mit Udo Lindenberg über den Kiez, fotografierte Hollywoodstars wie Liz Taylor und Gina Lollobrigida und spielte mit Clint Eastwood Fußball: Dieter Klar, Fotograf, Produzent Buchautor und Intendant des „International Music Festival“, fotografierte unter anderem Karl Lagerfeld und Jimi Hendrix.
Er pflegte in seinem bewegten Leben enge Kontakte in die europäischen Königshäuser und bezeichnet viele Prominente und Royals als „gute Freunde“. Mit dem ehemaligen spanischen König Juan Carlos war er über viele Jahre eng verbunden, mit Dänemarks ehemaliger Königin Margrethe und deren Mann machte er Urlaub in Frankreich.
„Linke Socke“ Dieter Klar: Mit König Juan Carlos verband ihn eine enge Freundschaft
Wenn Dieter Klar aus seinem Leben erzählt, verfliegen die Stunden wie Minuten. Er ist ein facettenreicher Mensch, ein selbsternannter „bunte Hund“, der sein Gegenüber in den Bann zieht. Der 86-Jährige war und ist hervorragend vernetzt – in der Werbeszene, bei den Filmleuten, im großen Sport und in der Musikwelt.
Nun erhält der weitgereiste Fotograf eine besondere Auszeichnung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlieh Dieter Klar jüngst für sein ehrenamtliches kulturelles Engagement in seinem Wohnort Buxtehude auf Vorschlag des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil das Bundesverdienstkreuz.
„Als ich las, worum es geht, war ich wie vom Donner gerührt“
„Ich war komplett überrascht von der Ehrung. Ich hatte keine Ahnung“, sagt der Buxtehuder. „Als ich dann las, um was es geht, war ich wie vom Donner gerührt.“ Gleichzeitig habe er sich riesig gefreut und sei auch ein bisschen stolz.
Die Auszeichnung erhält der bekannte Fotograf für sein Wirken in der Buxtehuder Kulturlandschaft, die er als Initiator und langjähriger Vorsitzender des Kulturzentrums am Hafen und als Ideegeber und Intendant des Internationalen Muikfestivals Buxtehude, Altes Land, Harburg und Stade vorangebracht hat.
„Dieter hat großen Anteil daran, dass der Name der Stadt in der Kulturszene und bei Künstlern in ganz Deutschland einen hervorragenden Klang hat“, sagt Christian Hermann. Der ehemalige Buxtehuder Stadtdirektor ist die treibende Kraft hinter der Ordensverleihung für seinen langjährigen Weggefährten.
Die Box-Legenden Max Schmeling und Bubi Scholz waren seine Freunde
Dieter Klar vermittelt einen selbstbewussten Eindruck, so als kenne er keine Menschenscheu. Diesen Mann können auch noch so wichtige Promis nicht einschüchtern. Er weiß sich auf sie einzustellen, ohne seine eigene Persönlichkeit an der Garderobe abzugeben.
So war er gleichzeitig mit den charakterlich sehr unterschiedlichen Box-Idolen Max Schmeling und Gustav „Bubi“ Scholz befreundet. Mit dem einen unterhielt er sich kultiviert in Schmelings Lieblingsrestaurant auf dem Lande, dem Hollenstedter Hof.
Mit dem anderen trank er sich durchs Hamburger Nachtleben – und hat das Drama um den ehemaligen Europameister, der 1984 seine Frau Helga unter Alkoholeinfluss erschoss, hautnah miterlebt. „Die Tatwaffe hielt ich vorher schon einmal in den Händen und die Toilette, in der Helga erschossen wurde, habe ich bei meinen Besuchen oft aufgesucht“, erinnert sich Klar.
Er kennt Pomp und Paläste – aber auch die tiefsten Abstürze
Der Fotograf hat die höchsten Höhen und die steilsten Karrieren gesehen, er kennt Pomp und Paläste – aber auch die tiefsten Abstürze. Selbst hat er in den vergangenen acht Jahrzehnten überwiegend Glück gehabt, wie er bei einem Gespräch in seinem schönen Haus in der Buxtehuder Altstadt erzählt.
Hier lebt der Globetrotter mit seiner Frau Annemieke Kesselar-Klar, ebenfalls ein kreativer Kopf – und die Tochter von Fernseh-Legende Rudi Carrell. „Ich hatte nicht viel auszustehen“, sagt Rudis Schwiegersohn. Selbst als Kind in den Kriegsjahren sei es ihm eigentlich gut gegangen. Dennoch habe er erlebt, wie vorher zugewandte Mitmenschen im Nationalsozialismus reagierten, als bekannt wurde, dass seine Mutter einen jüdischen Vater hatte: mit plötzlicher Ablehnung.
Aktuell arbeitet er an einem Buch mit Fotos aus seinem riesigen Archiv
Es sind nicht die vielen Erlebnisse mit den Stars und Sternchen dieser Welt, nicht die Begegungen mit strahlenden Filmschönheiten, gekrönten Häuptern oder Supermodells, die den 86-Jährigen aktuell am meisten beschäftigen. Das könnte man denken – zumal er gerade an einem Buch arbeitet mit Fotografien aus seinem großen Archiv und mit Geschichten aus seinem bunten Leben.
Doch trotz der aufregenden Zeit als Werbe- und Pressefotograf sind es die Jahre seiner Kindheit, an die Dieter Klar aktuell viel denken muss. „Es ist die Zeit, die mich am meisten geprägt hat. Das merke ich jetzt, wo die Nazis überall wieder ihre Köpfe aus dem Sand recken“, sagt Dieter Klar. Er spürt eine Verantwortung: „Wir sind verpflichtet, uns für unsere Demokratie einzusetzen, für sie einzustehen. Wir haben es uns in der Demokratie viel zu lange viel zu bequem gemacht.“
Er stand der Studentenbewegung der 68er nahe, verachtete das Establishment
Heute wisse er zu schätzen, dass er in einem demokratischen Rechtsstaat leben darf, meint der Buxtehuder. Früher sei er eine „linke Socke“ gewesen, habe viel gemeckert und sich gegen Konventionen und Spießigkeit gestellt. Er habe der Studentenbewegung nahegestanden und wie viele „68er“ das „Establishment“ verachtet. „Und jetzt erhalte ich vom Bundespräsidenten eine so hohe Auszeichnung und freue mich auch noch wie Bolle darüber“, sagt Dieter Klar. Und kann es selbst kaum fassen.
Dass der umtriebige Kulturmanager jetzt das Bundesverdienstkreuzes erhält, geht vor allem auf das Konto von Christian Hermann. Mit weiteren Buxtehuder Weggefährten setzte sich der ehemaligen Stadtdirektor für die Ehrung von Dieter Klar ein. Er beschreibt den vielseitigen Fotografen als einen „Visionär mit unglaublich vielen Ideen“.
Dieter Klar sei „ungeduldig“ und habe „ausgesprochen wenig Lust auf die Auseinandersetzung mit Institutionen“. Mit seiner radikalen Art, Pläne umzusetzen, ecke er schon mal an, habe aber auf seine unnachahmliche Weise vieles vorangebracht, sagt Hermann, der auf eine wichtige Person im Hintergrund verweist: „Ein großes Stück der Auszeichnung gehört Annemieke. Ich habe sie immer sehr bewundert. Sie hatte es nicht immer leicht mit ihrem Dieter und hat trotzdem alles stets mit viel Charme gemanagt.“
Vater Willi war Fotograf, Sohn Reto Klar ist es ebenfalls
Dennoch stand selten die ebenfalls sehr kreative Tochter von Rudi Carrell im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern meistens ihr willensstarker Ehemann. Dessen Vater Willi war schon ein angesehener Fotograf, sein Sohn Reto ist es ebenfalls. Der ist Cheffotograf der Funke Mediengruppe, zu der auch das Hamburger Abendblatt gehört.
Die Arbeiten der drei Fotografen aus der Familie Klar sind Dokumente der deutschen Zeitgeschichte und wurden mehrfach gemeinsam ausgestellt. So entstand unter dem Titel „Deutschland seit 1945“in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut die Wanderausstellung mit Fotografien von Willi, Dieter und Reto Klar. Sie wurde über mehrere Jahre weltweit gezeigt. Auch ein Buch mit dem Titel „Klar-Sichten“ beinhaltet Fotos der drei Künstler-Generationen.
„Ich lebte wie ein Hippie – nur, dass ich Geld hatte“
Dieter Klar ist stolz auf die Familientradition hinterm Sucher. Er wurde 1937 in Frankfurt am Main geboren und wuchs in einer Künstlerfamilie auf, bei der Theaterleute, Filmschauspieler und andere Kreative ein- und ausgingen.
Nach seiner Ausbildung zum Fotograf war Dieter Klar zunächst als Industrie- und Werbefotograf tätig. 1958 ging er als Modefotograf nach Helsinki, wurde aber schon ein Jahr später zum Wehrdienst in Buxtehude eingezogen. Dort blieb er der Liebe wegen hängen. Buxtehude wurde ein Basislager, von dem aus es den Fotografen in die Welt zog. Er lebte zeitweise immer wieder im Ausland, unter anderem hatte Dieter Klar eine Wohnung in New York.
Er fotografierte Mode in Paris und wurde 1965 Mitglied im Bund Bildender Künstler (BBK) mit internationalen Ausstellungen seiner Fotoarbeiten. Nebenbei fotografierte er für amerikanische Verlage auf der ganzen Welt Postkarten, Pin-ups und Kalender. „Ich zog durch die Welt und lebte wie ein Hippie – nur, dass ich Geld hatte“, erinnert sich der 86-Jährige.
Auch als Regisseur und TV-Produzent machte sich Dieter Klar einen Namen
In den 1970er-Jahren nahm er ein Angebot der Deutschen Presse-Agentur (dpa) an, als Fotoreporter zu arbeiten. In dieser Zeit traf er die meisten Stars. 1985 wechselte er zum Fernsehen. Gemeinsam mit seiner Frau Annemieke produzierte er Sendungen wie „Vorsicht, Kinder in der Kiste“ und Reportagen aus aller Welt. Außerdem arbeitete der Buxtehuder als Regisseur und Produzent für WDR, RTL, ARD und SAT1.
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Seit Sommer 2010 organisiert Dieter Klar jährlich das „International Music Festival Buxtehude, Altes Land, Harburg“, das bereits in der Elbphilharmonie gastierte. Er gründete das Festival gemeinsam mit dem chinesischen Pianisten Haiou Zhang.
Seither kommen junge Talente und gestandene Klassik-Größen aus dem In- und Ausland nach Buxtehude, um an mehreren Tagen und wechselnden Aufführungsstätten klassische Musik zu präsentieren. Das Festival bezieht Schulen in das Konzept mit ein. Die Idee dabei ist, die international erfolgreichen Künstler einem jungen Publikum nahezubringen. Auch für dieses Engagement erhält Dieter Klar jetzt die hohe Auszeichnung aus dem Schloss Bellevue, bei deren Verleihung Haiou Zhang für seinen Freund spielen wird.