Heidekreis. Sie sind so jung, dass ihre Eltern für sie unterschreiben. Doch ihr Plan steht. Zwei junge Gefreite über ihre ersten Monate beim „Bund“.
Laurina H. ist 19 Jahre alt, Soldatin bei der Bundeswehr und vom Dienstgrad her Hauptgefreite. Aktuell ist die junge Frau im Wald bei Munster mit dem zwölf Kilogramm schweren Gewehr G36 und der Panzerfaust 3 unterwegs. Sie absolviert auf dem Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide ihre Spezialgrundausbildung.
Ihren Dienst bei der Bundeswehr hat die 19-Jährige aus Bad Oldesloe im August 2022 angetreten. Zu diesem Zeitpunkt war sie just volljährig geworden. „Alles, was vorher an Formalien nötig war, mussten noch meine Eltern unterschreiben“, erzählt Laurina H. schmunzelnd. Was motiviert junge Leute, ihren beruflichen Weg bei der Bundeswehr zu beginnen?
Junge Menschen bei der Bundeswehr: „Man will doch auch sein eigenes Land schützen“
Der Weg zum Gefechtsplatz führt für Laurina H. und ihre Kameradinnen und Kameraden über weiches Moos. Sonnenstrahlen fallen durch die Kiefern, es duftet nach Tannennadeln, Baumrinde und Harz. Eine Märchenwaldidylle – wären da nicht diese bedrohlich nah wirkenden Schüsse und Explosionen, die immer wieder durch das Unterholz krachen.
Der Bundeswehr-Jeep in Tarnfarben hält an, nun geht es zu Fuß immer tiefer in den Wald hinein. Oberfeldwebel Hannah S. führt den Zug, der auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord die Ausbildungsmodule „Bau von Stellungen“ und „Feuerkampf“ übt. In voller Montur knien Soldatinnen und Soldaten der 5. Kompanie des Versorgungsbataillons 141 auf dem Waldboden und lauschen konzentriert.
Lüneburger Heide gilt als größter Heeresstandort in Deutschland
Sie tragen Gewehre und Panzerfäuste, die Konturen ihrer Gesichter sind mit Tarnfarbe unkenntlich gemacht. „Wenn ich nichts aufkläre, schieße ich auch nicht“, sagt ein Gruppenleiter. „Munition wird nicht verschwendet. Wer weiß, vielleicht braucht ihr sie, um ein paar Meter weiter Leben zu retten.“
Die Soldaten des Versorgungsbataillons befinden sich am größten Heeresstandort Deutschlands in der Spezialgrundausbildung. Das Bataillon stellt die logistische Unterstützung der Gefechtsverbände mit Verbrauchsgütern wie Munition, Kraftstoff, Ersatzteilen und Verpflegung sicher. Es ist auf die Standorte Neustadt (Rübenberge), Rotenburg (Wümme) und Munster verteilt und eines von sieben Bataillonen, die zur Panzerlehrbrigade 9 mit insgesamt 6000 Soldatinnen und Soldaten gehören.
Auch Soldatinnen trainieren mit schwerem Gewehr und Panzerfaust
Rund 18.000 Soldaten hat die Bundeswehr im vergangenen Jahr eingestellt. Dabei stieg der Anteil der Minderjährigen: Knapp 2000 Soldaten waren zum Zeitpunkt ihrer Einstellung erst 17 Jahre alt – das ist jeder zehnte neue Bundeswehrsoldat.
In Munster sprechen die Ausbilder augenzwinkernd von Soldaten mit „Muttischein“. 17-jährige Soldatinnen und Soldaten werden grundsätzlich nicht in den Einsatz geschickt und sie dürfen noch keinen Dienst mit der Waffe leisten.
Die Motivation: Was reizt junge Menschen an der Bundeswehr?
Was reizt junge Menschen an der Bundeswehr? Laurina überlegt. Ihr Vater sei beim Bund gewesen, sagt sie. Er habe spannende Geschichten erzählt. „Und man will doch auch sein eigenes Land schützen“, sagt sie mit festem Blick. Natürlich habe sie auch Angst. Vor einem Einsatz zum Beispiel, bei dem es ernst wird. Die Sicherheitslage habe sich verändert, das sei ihr bewusst. „Aber Angst zu haben, finde ich normal.“ Wenn es so weit ist, werde sie mit diesem Gefühl umgehen können, ist Laurina überzeugt.
Insgesamt dienten dem Online-Portal „Statista“ zufolge Ende Februar 2024 rund 181.500 Soldaten bei der Bundeswehr, etwa 13 Prozent davon waren Frauen. 1983, als die Wehrpflicht existierte, gab es mehr als zweieinhalbmal so viele Soldaten: fast 496.000. Für das Jahr 2031 hat das Bundesverteidigungsministerium sich das Ziel von 203.000 Soldaten gesetzt. In Deutschland sind die Themen Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit nach vielen Jahrzehnten wieder ins gesellschaftliche Bewusstsein gerückt.
Bis 2031 will die Bundeswehr um etwa 20.000 Soldaten wachsen
Diese Zielmarke sei nach Einschätzung der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) nur schwer zu erreichen. „Ich komme nicht umhin festzuhalten, dass auch im zweiten Jahr der Zeitenwende substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur auf sich warten lassen“, schreibt sie im aktuellen Wehrbericht. „Die Truppe schrumpft weiter – zwar schleichend, aber mit einer deutlichen Tendenz.“
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Grund sind dem Wehrbericht zufolge die Covid-19-Pandemie, die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel. Zudem zeige eine Befragung aus dem Jahr 2022, dass sich immer weniger junge Frauen und Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren vorstellen können, bei der Bundeswehr zu dienen.
Zur Bundeswehr gehen? Zustimmung von Familie und Freunden ist wichtig
Das gilt nicht für Brandon M. Der Obergefreite absolviert wie Laurina H. die Spezialgrundausbildung beim Versorgungsbataillon. Weder die marode Infrastruktur der Bundeswehr noch die Bedrohungslage in Europa haben den 26-Jährigen davon abgehalten, Bundeswehrsoldat zu werden. Im Gegenteil: „Ich möchte meinen Beitrag leisten.“
Leicht gemacht hat sich der gebürtige Bremer, der Bodybuilding und Ausdauersport liebt, die Entscheidung nicht. Jahrelang habe er darüber nachgedacht, ob er Soldat werden möchte. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Speditionskaufmann, sprach intensiv mit Freunden und seinen Eltern. „Ihr Segen war mir wichtig.“
Entscheidung nicht bereut: „Das hier ist eine ganz eigene Welt“
Dann war für den jungen Mann klar, dass er zur Bundeswehr gehen möchte. Im August 2023 begann er seine Ausbildung. Bereut hat er die Entscheidung nicht. „Das hier ist eine ganz eigene Welt, in der man tiefe kameradschaftliche Beziehungen aufbaut“, sagt Brandon. „Und es gibt einem ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man etwas Sinnvolles tut.“