Landkreis Stade. Zweifelhafte Berühmtheit für Guderhandviertel im Alten Land: Warum ausgerechnet dieser Ort ohne ÖPNV-Anbindung ist – und wohl bleibt.

Auf dieses Thema wird Marco Hartlef immer wieder angesprochen. „Eigentlich kann ich nur froh sein, dass die Sache gerade hochgekocht. Dann kommt hoffentlich Bewegung in die Angelegenheit.“ Eine gerade veröffentlichte Datenrecherche des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hat ergeben, dass Guderhandviertel die einzige Gemeinde ohne Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist – die einzige Gemeinde in ganz Niedersachsen.

Guderhandviertel: Zweifelhafte Berühmtheit für Gemeinde im Alten Land

Damit erlangt der Ort an der Lühe in der Samtgemeinde Lühe zweifelhafte Berühmtheit. Ihr Bürgermeister Marco Hartlef ist damit in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Er kann für die Sache seines 1200-Einwohner-Dorfes Werbung machen. „Seit rund zehn Jahren kämpfen wir darum, dass wir mit einem Linienbus an den ÖPNV angeschlossen werden. Aber der Landkreis Stade weigert sich, mir schriftlich zu geben, dass ein Bus kommen wird“, so der CDU-Bürgermeister.

Aus seiner Sicht hängt alles an einem schlichten Zweizeiler. Wenn ihm die Kreisverwaltung schriftlich geben würde, dass eine Buslinie den Ort Guderhandviertel an den ÖPNV anschließe, könne mit dem Bau der Haltestelle in der Straße Bergfried – hier soll der Bus durchfahren – begonnen werden.

Eine Haltestelle müsste aufwendig in den Lühedeich hinein gebaut werden

Hartlef: „Wir müssten auf der Höhe des Seniorenheimes auf beiden Seiten der Straße eine Haltestelle bauen lassen. Auf der einen Seite ist das nicht mal eben so gemacht. Da muss die Haltestelle in den Lühedeich gebaut werden. Baulich ist das schon anspruchsvoller.“ Das sei hoher Aufwand, den die Gemeinde betreiben müsse.

Marco Hartlef kämpft für die Anbindung seiner Gemeinde an den Öffentlichen Personennahverkehr. Er braucht mehr Sicherheiten, um mit dem Bau von zwei Haltestellen in Vorleistung treten zu können.
Marco Hartlef kämpft für die Anbindung seiner Gemeinde an den Öffentlichen Personennahverkehr. Er braucht mehr Sicherheiten, um mit dem Bau von zwei Haltestellen in Vorleistung treten zu können. © HA | Rachel Wahba

Zudem müssten jetzt Förderanträge gestellt werden. All das gehe nur mit einer schriftlichen Absichtserklärung des Landkreises, sagt der Bürgermeister. Rund 60.000 Euro sind bereits in den Haushalt der Gemeinde für die Baumaßnahme eingestellt.

Landkreis Stade sieht die geforderte Absichtserklärung als bereits gegeben an

In der Kreisverwaltung stößt Hartlefs Sicht der Dinge indes auf ein gewisses Unverständnis. Im Nahverkehrsplan (NVP) 2024 bis 2028 des Landkreises Stade sei bereits eine „Angebotsverbesserung und Linienwegsänderung“ für die Buslinie 2053 eingeplant. Das reiche als Grundlage dafür, dass die Gemeinde ihre Haltestellen bauen könne, sagt Kreissprecher Daniel Beneke.

Der 2053er bindet aktuell die Nachbargemeinden Mittelnkirchen und Neuenkirchen an die Kreisstadt Stade an. Menschen aus Guderhandviertel müssen über eine von drei Lühe-Brücken das Flüsschen überqueren, um eine der Haltestellen und damit den Bus in der Nachbargemeinde zu erreichen. Faktisch, so Beneke, sei der Ort Guderhandviertel also nicht ohne Busverbindung.

Busverbindung hätte positive Auswirkungen auf örtliches Seniorenheim

Vom Weg zur Bushaltestelle auf der anderen Seite der Lühe abgesehen, so Marco Hartlef, sei die Fahrt mit dem Bus von Steinkirchen nach Stade auch keine schnelle Angelegenheit, obwohl die Distanz nur wenige Kilometer betrage. Die Fahrt in die Kreisstadt dauere rund eine dreiviertel Stunde. Kinder, die in Stade zur Schule gingen, würden sowieso mit dem „Mama-Taxi“ gefahren.

Für die Mitarbeiter der Senioren-Wohnanlage Bergfried in Guderhandviertel wäre eine Bushaltestelle ein großer Schritt in Richtung Mobilitätswende.
Für die Mitarbeiter der Senioren-Wohnanlage Bergfried in Guderhandviertel wäre eine Bushaltestelle ein großer Schritt in Richtung Mobilitätswende. © HA | Rachel Wahba

Wenn sich Bürgermeister Hartlef stark für die Busanbindung macht, denkt er auch an das Seniorenheim in seiner Gemeinde. „Es geht um die Bewohner, die mit einer Haltestelle natürlich mobiler wären. Und die Angestellten, die dort arbeiten, könnten dann endlich ihren Arbeitsplatz bequemer mit dem Bus erreichen“, sagt er. Hartlefs Traum: eine Buslinie von Guderhandviertel nach Dollern zur S-Bahn. Aber das bleibt erstmal ein Traum.

Kommt der Bus, kommen auf die Kreisverwaltung 85.000 Euro Kosten zu

Für jedes ÖPNV-Angebot müssen die Entscheidungsträger im Kreishaus tief in die Tasche greifen. Für die zusätzlichen Fahrten der Linie 2053 zwischen den Haltestellen „Mittelnkirchen“, „Dollerner Straße“ und „Steinkirchen“, „Alter Marktplatz“ durch den Bergfried, hat der Landkreis Stade jährliche Kosten von rund 85.000 Euro in seinem VNP veranschlagt. Immer unter der Voraussetzung, die Gemeinde Guderhandviertel baut die Haltestellen.

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Das Vorhaben der Streckenverschwenkung verfolgt der Landkreis mit „mittlerer Priorität“. So steht es im VNP. „Mit dem Nahverkehrsplan 2024 bis 2028 hat der Landkreis Stade seine Absicht ausreichend deutlich dokumentiert“, so Daniel Beneke. Nach Darstellung des Kreissprechers könnte die neue Linienführung zum 1. Januar 2027 starten. Hartlef hält dagegen: „Ich kann viel in einen Plan schreiben. Aber ein Plan ist eben nur ein Plan.“

Neue Linienführung der Linie 2053 könnte in knapp drei Jahren starten

Allerdings, sagt der Sprecher des Landkreises Stade, sei es „am Ende immer eine politische Entscheidung, ob künftig einen Linienbus durch den Bergfried fahren wird oder nicht“. Zudem müsste es ein kleiner Bus sein, der durch diese Straße fahren könne.