Lüneburg. Organistenhaus am Nikolaihof ist fast fertig saniert. Beim Freilegen der alten Decken erleben die Fachleute eine Überraschung.

Sie kamen unter sieben Zentimeter Putz zum Vorschein: vier Frauen, die vier verschiedene Tugenden symbolisieren. Gemalt im 17. Jahrhundert, waren die Medaillons an der Holzdecke mehr als 250 Jahre lang versteckt. Jetzt sind sie freigelegt, restauriert und der neue Schatz im St. Nikolaihof in Bardowick. Denn die schönste Wohnung von allen in diesem Ensemble wird öffentlich zugänglich bleiben.

Die freigelegten Deckenmalereien stammen aus dem Jahr 1672.
Die freigelegten Deckenmalereien stammen aus dem Jahr 1672. © HA | Carolin George

Rund drei Jahre dauern die Arbeiten am sogenannten Organistenhaus bereits, für Mai rechnet das Team rund um Architekt Renee Kunz mit der Fertigstellung. „Der Sanierungsaufwand war erheblich, jetzt stehen wir kurz vor dem Abschluss.“

Pilgerwohnung in Bardowick wird öffentlich zugänglich bleiben

Sieben Wohnungen wird es in dem historischen Haus geben, sechs davon werden an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet. Die siebte trägt den Projekttitel „Pilgerwohnung“. Was genau mit ihr passieren wird, ob sie tatsächlich Pilgernden zur Verfügung stehen wird, ist noch nicht ganz klar. Fest steht aber schon jetzt: Sie wird öffentlich zugänglich bleiben. Denn hier fand Restaurator Markus Tillwick so besondere Deckenmalereien, dass diese für alle Interessierten zu sehen sein sollen.

Insgesamt sieben Wohnungen entstehen hier, die Kosten belaufen sich auf 3,6 Millionen Euro. Foto: Carolin George
Insgesamt sieben Wohnungen entstehen hier, die Kosten belaufen sich auf 3,6 Millionen Euro. Foto: Carolin George © HA | Carolin George

1672 während der Bauzeit dieses Gebäudeteils gemalt, waren die Bilder an der Decke schon im nächsten Jahrhundert nicht mehr en vogue. „Man wollte dann schöne glatte Wände haben, die Malereien aus dem vorherigen Jahrhundert waren nicht mehr modern genug“, erklärt Tillwick. Es war um 1750, als die Farben unter zentimeterdickem Putz verschwanden. Sie heute wiederum so vorsichtig davon zu befreien, dass sie dabei nicht zerstört werden, habe etwa zweieinhalb Monate gedauert, macht Tillwick den Aufwand deutlich.

Löcher, Wasserflecken, Putzschleier und Schadstellen mit Aquarellfarbe retuschiert

Mit rund 2000 Nägeln waren per Hand verdrahtete Rohrmatten an den Bohlen und Balken der Holzdecke befestigt. Die dadurch entstandenen Löcher sowie Wasserflecken, Putzschleier und anderen Schadstellen wurden mit Aquarellfarbe retuschiert, die Farbe außerdem gebunden. „Als wir die Medaillons entdeckten, hätten wir die Farbe wie Kreide mit den Fingern abwischen können. Das geht jetzt nicht mehr.“

Medaillons zeigen vier Frauen, die wiederum vier Tugenden symbolisieren sollen

Die vier Medaillons zeigen vier Frauen, die wiederum vier Tugenden symbolisieren sollen: vermutlich die Geduld, Nächstenliebe, Treue und Weisheit. Davon geht das Team jedenfalls aus. Ganz sicher sind sich selbst die Fachleute nicht, denn: „Es fehlen die oft üblichen eindeutigen Attribute oder Zuschreibungen mit Begriffen“, erklärt Tillwick. Und so haben die Fachleute ihre Folgerungen aus den Bildern gezogen: Übereinander geschlagene Arme werden als Zeichen für Geduld gedeutet, ein brennendes Herz für Nächstenliebe, eine Fackel für Weisheit und das Streicheln eines Hundekopfs als Symbol für den „guten Hirten“, also für Treue und Gemeinschaft.

In der einstigen Diele wurden zwei dunkle Medaillons freigelegt.
In der einstigen Diele wurden zwei dunkle Medaillons freigelegt. © HA | Carolin George

Dass diese Decke bis auf die Löcher der Nägel so unbeschadet blieb, ist ein „großes Glück“, so Architekt Renee Kunz. „Oft sind solche Malereien durch später gelegte Elektrokabel zerstört.“

Häuser wurden ab dem 13. Jahrhundert für die Leprakranken der Stadt Lüneburg gebaut

Entstanden ab dem 13. Jahrhundert für die Leprakranken der Stadt Lüneburg, wird das Gebäudeensemble an der Ilmenau in Bardowick noch heute von der Hansestadt Lüneburg verwaltet, Eigentümerin ist die Hospitalstiftung St. Nikolai. Seit 2009 wird der Komplex mit Hilfe von Städtebaufördermitteln aufwendig saniert, die Kosten belaufen sich auf bislang 16,7 Millionen Euro. Allein 3,6 Millionen entfallen auf das Organistenhaus.

Blick aus dem Fenster in den NIkolaihof.
Blick aus dem Fenster in den NIkolaihof. © HA | Carolin George

Nach Fertigstellung des Organistenhauses wird als nächstes Gebäude das sogenannte Provisorat saniert. Bis voraussichtlich 2030 zählt der Komplex in das Programm der Städtebauförderung von Bund und Ländern.

Weitere sieben Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein gibt es in den übrigen Häusern bereits, im sogenannten Männerhaus befindet sich die Bücherei der Samtgemeinde Bardowick. In der Kapelle finden unter anderem Gottesdienste statt, sie zählt zum Ev.-luth. Kirchenkreis Lüneburg.