Drochtersen/Lüneburg. Betrug und Geldwäsche im großen Stil? Fahnder beschlagnahmen Luxusgüter im Wert von neun Millionen Euro. Anti-Mafia-Netzwerk ermittelt.
Bei einer der grüßten Razzien gegen organisiertre Betrüger in Norddeutschland sind am Freitagmorgen Vermögenmswerte in Höhe von neun Millionen Euro sichergestellt worden. Mindestens einer der Verdächtigen, die aus dem Clan-Milieu stammen sollen, ist festgenommen und in eine Haftanstalt überführt worden.
Die Durchsuchung fand mit internationaler Unterstützung des BKA, Europol, des Zolls sowie spanischen und polnischen Polizeibehörden statt. Es werden polizeiliche Maßnahmen an Orten im Landkreis Stade, Neu Wulmstorf, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Lodz (Polen), Barcelona und auf Mallorca im Kampf gegen ein Netzwerk von Personen wegen Untreue im besonders schweren Fall und anschließender Geldwäsche durchgeführt.
Clan-Razzia: Eine Festnahme in Drochtersen
Im Rahmen dieser Aktion wurden 29 Objekte durchsucht und ein Haftbefehl gegen eine Tätergruppierung von zwölf Beschuldigten vollstreckt. Dem Hauptbeschuldigten wird Untreue im besonders schweren Fall von einer Summe von mindestens sechs Millionen Euro und dadurch eine Schädigung einer Genossenschaft aus Drochtersen im Landkreis Stade sowie deren spanischer Tochterfirma mit rund 4000 Genossenschaftsmitgliedern, die in dem Fall die Geschädigten sind, zugeschrieben.
Den weiteren Beschuldigten wird unter anderem die Geldwäsche dieses veruntreuten Geldes vorgeworfen. Es wurden bisher zahlreiche Beweismittel und Vermögenswerte beschlagnahmt, darunter vor allem Datenträger, aber auch Luxusgüter. Die Auswertung der Beweismittel dauert an. In Drochtersen nahmen die Ermittler nach Abendblatt-Informationen zumindest eine Person vorübergehend fest.
Genossenschaft in Drochtersen um Millionen betrogen?
Die professionell und organisiert agierende, international vernetzte Tätergruppierung, so heißtes bei der Zentralen Kriminalinspektion Lüneburg und der Staatsanwaltschaft Stade, „nutzte gewerbliche Strukturen zur Veruntreuung von Mitgliedsgeldern der geschädigten Genossenschaft“. Es wurden offenbar Genossenschaftsgelder an extra dafür gegründete Firmen und Privatpersonen von einer spanischen Firma nach Deutschland überwiesen.
Einem Hauptbeschuldigten werden dabei unter anderem die Veranlassungen der Geldströme vorgeworfen. Ein weiterer Hauptbeschuldigter, der einer örtlichen Clanfamilie angehörig ist, veranlasste und begleitete die genannten Firmengründungen in Deutschland sowie Bargeldabhebungen und Weitergaben, um damit Immobilien, Luxusfahrzeuge und andere Luxusgüter zu finanzieren.
Ermittlungen laufen bereits seit 2020. Anti-Mafia-Netzwerk unterstützt die Behörden
Ziel der international abgestimmten Ermittlungen war neben der Überführung der Beschuldigten und der Beweissicherung die anschließende Aufklärung weiterer Geldströme und die Durchsetzung vermögensabschöpfender Maßnahmen zur Einziehung des widerrechtlich erlangten Vermögens. Im Klartext: Die Sicherstellung von Autos, Immobilien und Luxusgütern.
Der seit 2020 in der Zentralen Kriminalinspektion bestehenden Ermittlungsgruppe, die unter Leitung der zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stade agierte, gelang durch umfassende Ermittlungsarbeit der entscheidende Erfolg, der nunmehr zur Festnahme besagter Tätergruppierung führte. Die enge Zusammenarbeit zahlreicher Polizeibehörden mit der Justiz sowie spanischen und polnischen Ermittlungsbehörden hat diese erfolgreiche Bekämpfung der organisierten Kriminalität erst möglich gemacht, so die Staatsanwaltschaft.
Auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) lobte die „vorbildliche“ grenzübergreifende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Das Zusammenwirken der nationalen und internationalen Behörden beweise, dass die Konzepte zur Verbrechensbekämpfung funktionierzen und sich Kriminalität nicht lohne. „Hier legen wir einen Schwerpunkt im Kampf gegen die Clankriminalität in Niedersachsen“, so Behrens. „Ich freue mich, dass der Polizei Niedersachsen mit der heutigen Aktion ein weiterer großartiger Ermittlungserfolg gegen die Clankriminalität gelungen ist. Mein besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die die intensiven Ermittlungen auf nationaler und internationaler Ebene erfolgreich zum Abschluss führen konnten.“
Co.net agierte vor allem auf Mallorca. Hier hat der Firmenchef auch eine Finca.
Nach Informationen der „Mallorca Zeitung“ handelte es sich bei der Organisation, die in den Fokus der Ermittler geraten war um die Genossenschaft „Co.net“, die in Drochtersen ihren Hauptsitz hat und hauptsächlich auf Mallorca agiert, wo bis zu 100 Menschen für sie gearbeitet haben sollen. Gegründet wurde das Firmengeflecht demnach von dem deutschen Unternehmer Thomas Limberg. Co.net war zuletzt zweimal in die Insolvenz gegangen. Verbraucherschützer warten seit geraumer Zeit davor, Geld bei Co.net zu investieren.
Laut „Stader Tageblatt“ hatte es zuletzt am 25. Januar eine Gläubigerversammlung gegeben. Zahlreiche Menschen hätten auf ihr Geld gewartet. Seit bot seit 2001 Anlegern Geschäftsanteile an. Bei einer Mindestanlage von 2000 Euro sollten die Unterzeichner Ausschüttungen zwischen sechs und zehn Prozent erhalten, generiert vor allem aus Anlagen in Ferienimmobilien auf mallorca und andernorts. Zudem wurde mit Rabatten über ein Einkaufssystem geworben.
BKA unterstützt das Verfahren seit Beginn der Ermittlungen mit operativen Analysten
Die Ermittlungen der ZKI Lüneburg wurden vom @ON-Netz finanziell unterstützt, das von der EU-Kommission unter der Leitung der italienischen Direktion Antimafia (DIA) finanziert wird. Die europaweiten Kommunikationsplattformen wurden von Europol bereitgestellt und unterstützt. Das BKA unterstützt das Verfahren seit Beginn der Ermittlungen mit operativen Analysten und Verbindungsbeamten in Spanien und Polen, deren Engagement und Kontakte maßgeblich zum Erfolg beigetragen haben.
Bei der Durchführung der heutigen Maßnahmen sind insgesamt rund 230 Einsatzkräfte beteiligt. Hierzu zählen neben den Kräften der deutschen Behörden auch Angehörige der ausländischen Einheiten der Guardia Civil und der Polizei in Polen.
- Niedersachsen: Steigende Fallzahlen von Clankriminalität
- Bekämpfung von Clankriminalität
- Behrens: Null-Toleranz-Strategie gegen Clankriminalität
Lüneburgs Polizeipräsident Thomas Ring: „Der Zentralen Kriminalinspektion Lüneburg ist hier in beispielhafter internationaler Zusammenarbeit mit der Justiz und anderen Strafverfolgungsbehörden ein beeindruckender Ermittlungserfolg gelungen. Durch die Veruntreuung von mehreren Millionen sind viele Genossenschaftsmitglieder finanziell stark geschädigt worden. Durch den heutigen Schlag gegen die organisierte Tätergruppe konnte verhindert werden, dass sich der Schaden der Genossenschaftsmitglieder vergrößert und die Clanangehörigen weiterhin von dem Geldwäschenetzwerk profitieren. Bedanken möchte ich mich bei allen Beteiligten der heutigen Aktion und den ermittelnden Kräften, die diesen Erfolg durch ihre akribische Arbeit erzielt haben. Dank gilt auch unseren Kolleginnen und Kollegen der Guardia Civil in Spanien, der Stadtpolizei in Lodz/Polen, der Landespolizei Hamburg, der Landespolizei Rheinland-Pfalz, den Verbindungsbeamten in Spanien und Polen, Europol und dem BKA für die professionelle Zusammenarbeit.“