Hannover (dpa/lni). Clankriminalität kann viele Straftaten umfassen. In Niedersachsen wurden im vergangenen Jahr deutlich mehr Fälle erfasst. Woran liegt das?

In Niedersachsen sind erneut deutlich mehr Straftaten der Clankriminalität zugeordnet worden. Im vergangenen Jahr waren es 3986 Straftaten, 2021 waren es noch 2841, wie aus dem am Montag vom Innenministerium und Justizministerium vorgelegten Lagebild Clankriminalität hervorgeht. 2020 wurden noch rund 2000 Fälle von Clankriminalität registriert.

„Der Anstieg der Fallzahlen um etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist ein Beleg dafür, dass wir bei der Zuordnung von Taten deutlich besser geworden sind. Er verdeutlicht aber auch, dass wir die Clankriminalität weiter sehr genau beobachten und entschieden bekämpfen müssen“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD).

Die Clankriminalität hat laut Innenministerium statistisch einen Anteil von weniger als einem Prozent aller polizeilich erfassten Kriminalität, stellt die Strafverfolgungsbehörden jedoch anhaltend vor große Herausforderungen.

Laut Lagebild ist ein Clan eine Gruppe von Personen, die durch eine gemeinsame ethnische Herkunft, überwiegend auch durch verwandtschaftliche Beziehungen, verbunden ist. Kriminelle Clanstrukturen seien gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere.

Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) sagte: „Aus einem Großteil der Straftaten von Clanmitgliedern spricht eine grundsätzliche Verachtung unserer offenen, demokratischen Gesellschaft und unseres Rechtssystems.“ Das nehme man nicht hin. „Das Gewaltmonopol liegt beim Staat; Parallelgesellschaften werden wir auch in Zukunft nicht dulden.“ Die niedersächsische Justiz habe auf das Phänomen der Clankriminalität reagiert und vier spezialisierte Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade eingerichtet. Diese wurden im Herbst 2020 eingerichtet.

Etwa jede dritte Straftat von Clanmitgliedern war laut Lagebild im vergangenen Jahr auf Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit gerichtet. Dabei handelte es sich etwa um Körperverletzungen (763 Fälle) oder 53 Raubdelikte. 18 Fälle der Zwangsprositution seien ursächlich für den Anstieg im Bereich des Menschenhandels. In Braunschweig sei dieser Anstieg maßgeblich auf drei Tatverdächtige zurückzuführen, deren nachgewiesen werden konnte, Frauen durch Prostitutionsausübung auszubeuten, hieß es.

3323 Menschen wurden den Angaben zufolge als Tatverdächtige erfasst, im Vergleich dazu waren es 2021 noch 2622 Tatverdächtige. Rund 82 Prozent der Tatverdächtigen im vergangenen Jahr waren männlich und 57 Prozent unter 30 Jahre alt. Etwa 55 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen haben die deutsche Staatsangehörigkeit.

Weitere Straftaten waren im vergangenen Jahr etwa Vermögens- und Fälschungsdelikte, Diebstahl oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Örtliche Hotspots der Clankriminalität gebe es in Niedersachsen nicht, sagte die Innenministerin. Diese Kriminalität sei über das gesamte Bundesland festzustellen. In dem Lagebild ergibt sich eine unterschiedliche Häufigkeit. In einigen Regionen des Landes wie dem Heidekreis, Celle oder Gifhorn wurden 1 bis 20 dieser Straftaten im vergangenen Jahr bekannt, in Göttingen, Diepholz, Osnabrück oder Cuxhaven zwischen 100 und 650.

AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe sagte zu dem Lagebild: „Statt regionaler Netzwerke brauchen wir endlich eine landesweite Konzeption, um des Phänomens Herr zu werden, denn Clankriminelle machen weder an Landes- noch an Kreisgrenzen halt.“ Als eine Ursache sieht er eine „völlig verfehlte Migrationspolitik“ seit 2015. „Zusätzlich müssen die Vermögensabschöpfung intensiviert und einschlägige Gewerbe intensiv kontrolliert werden.“

Bei der Vermögensabschöpfung geht es darum, die durch eine Straftat erlangten Vermögensvorteile zu entziehen. Das waren laut Lagebild im vergangenen Jahr rund 3,1 Millionen Euro in Niedersachsen.

Grünen-Politikerin Evrim Camuz sagte, das Lagebild zur Clankriminalität in Niedersachsen beweise, dass die Ermittlerinnen und Ermittler in Polizei und Justiz konsequent gegen Straftaten und kriminelle Strukturen vorgingen.

CDU-Rechtspolitiker Christian Calderone forderte, dass die Landesregierung das Personal für die Schwerpunktstaatsanwaltschaften und für die Vermögensabschöpfungen aufstocken müsse.