Jesteburg/Hamburg. Vater (24) von zwei kleinen Jungen starb nach Arbeitsunfall. Die Mutter kämpft tapfer weiter. Wie es der jungen Familie heute geht.

.Anna Budras-Krüger kämpft mit den Tränen. „Wenn ich darüber nachdenke, was in diesem Jahr alles passiert ist....“ Sie schluchzt. Die 24-Jährige hat ihren Lebenspartner nach einem Betriebsunfall im Werk des Hamburger KupferproduzentenAurubis verloren, in dessen Folge drei Männer starben. Jüngstes Opfer war Florian, Vater ihrer beiden Söhne und Annas große Liebe. Er hatte die Unglücksschicht kurzfristig für einen Kollegen übernommen und starb wenige Stunden nach dem Unfall am 11. Mai in einer Klinik – in den Armen der Frau, die er heiraten wollte.

Auf diesem Foto war die Familie noch glücklich vereint.
Auf diesem Foto war die Familie noch glücklich vereint. © Privat | Privat

Denn das war der Plan: Hochzeit und im Sommer der Einzug ins neue Haus in Jesteburg, wo die beiden Söhne Levi und Milan die Kita besuchten. Doch der schweren Schicksalsschlag zerstörte das Glück der jungen Familie von einem Moment auf den anderen.

Die Weihnachtszeit ist für die junge Familie besonders emotional

„Die Weihnachtszeit ist sehr emotional für uns. Wir versuchen, uns bewusst mit positiven Menschen zu umgeben, die uns Kraft und Zuversicht für die Zukunft geben“, sagt Anna Budras-Krüger. Das erste Weihnachtsfest ohne Papa feiern sie und ihre Söhne an einem anderen Ort – weg von schmerzlichen Erinnerungen und Ritualen. Veränderungen waren für die Mutter ein Weg, mit der Trauer irgendwie zurecht zu kommen. „Wir haben das Leben, wie wir es kannten, komplett hinter uns gelassen“, sagt die junge Frau. „Wir sind direkt einige Tage nach dem Unfall in meine alte Heimat nahe Berlin zurückgekehrt und bei meinen Eltern eingezogen. Jetzt versuchen wir, unser Leben Stück für Stück selbstständig wieder aufzubauen.“ Die meisten Dinge seien aber noch nicht abschließend geklärt. „Auch das Haus in Jesteburg müssen wir leider verkaufen“, so Anna Budras-Krüger.

Inzwischen ist Anna Budras-Krüger wieder in den Sozialen Medien unterwegs und teilt, wie auf diesem Screenshot zu sehen, auf Instagram emotionale Videos.  
Inzwischen ist Anna Budras-Krüger wieder in den Sozialen Medien unterwegs und teilt, wie auf diesem Screenshot zu sehen, auf Instagram emotionale Videos.   © HA | Budras-Krüger/Lepél

Emotionale Videos mit der jungen Familie gehen viral und rühren zu Tränen

„Ich hoffe, dass wir die schlimmste Zeit überstanden haben“, sagt die 24-Jährige. Die Kinder verarbeiten den Verlust auf ihre Weise. „Der kleine Levi war zum Zeitpunkt des Unfalls ein Jahr alt. Er versteht noch nicht, was da passiert ist“, sagt Anna Budras-Krüger. Allerdings erkläre der vierjährige Milan ihm viel und erzähle ihm von ihrem Vater. „Er sagt Levi, dass Papa im Himmel ist und dass er ein Superheld ist. Und er erklärt dem kleinen Bruder, dass er immer mit Papa sprechen kann, wenn er möchte und dass der Papa sie sieht und stolz auf sie ist.“

Anna Budras-Krüger hat von Beginn an offen mit ihren Söhnen über den Tod des Vaters gesprochen. „Mir ist es wichtig, dass meine Kinder über ihre Gefühle sprechen dürfen und das Geschehene in Worte fassen können, wenn auch auf eine kindliche Art“, sagt sie: „Wir stärken uns gegenseitig.“

„Gemeinsame Momente sind unser wertvollstes Gut sind. Man neigt dazu, das im Alltag zu vergessen

Anna Budras-Krüger teilt solche gemeinsamen Momente inzwischen auch wieder in den Sozialen Medien. Ihre emotionalen Videos gehen viral und rühren viele Betrachter zu Tränen. Das helfe ihr, sich das Erlebte vor dem Jahresende noch einmal von der Seele zu schreiben. „Ich habe schon immer versucht zu vermitteln, dass man jeden Moment im Leben schätzen sollte. Dass man Erinnerungen schaffen sollte“, sagt sie. „Nach dem Unfall bin ich nun nach langer Bedenkzeit in die Sozialen Medien zurückgekehrt und möchte gern zeigen, wie es uns ergeht und noch deutlicher machen, dass gemeinsame Momente unser wertvollstes Gut sind. Leider neigt man dazu, das im Alltag zu vergessen.“

Inzwischen ist Anna Budras-Krüger wieder in den Sozialen Medien unterwegs und teilt, wie auf diesem Screenshot zu sehen, auf Instagram emotionale Videos.  
Inzwischen ist Anna Budras-Krüger wieder in den Sozialen Medien unterwegs und teilt, wie auf diesem Screenshot zu sehen, auf Instagram emotionale Videos.   © HA | Budras-Krüger/Lepél

Es sei so wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, was man im Leben Wundervolles hat und dass man es schätzen sollte, sagt Anna Budras-Krüger. „Wenn ich meine Kinder betrachte, weiß ich, welche Schätze ich noch habe.“ Außerdem trage jeder Mensch sein Päckchen: „Das sollte man im Umgang mit seinen Mitmenschen nicht vergessen. Ein Lächeln oder ein gutes Wort bergen Wärme für drei Winter“, meint die alleinstehende Mutter. Das Kostbarste auf der Welt sei gemeinsame Zeit: „Nutzt sie“, lautet ihr Appell.

Familie in Jesteburg: Dankbarkeit für die überwältigende Spendenbereitschaft ist groß

Kurz nach dem Unfall hatte Dr. Charlotte Peuschel, Kinderärztin aus Stelle, eine Spendenaktion auf der Plattform gofundme.com ins Leben gerufen. Peuschels Nachwuchs besuchte den gleichen Kindergarten in Jesteburg wie Levi und Milan. Die Spendenaktion läuft immer noch. Inzwischen sind dort rund 95.000 Euro zusammengekommen, die die kleine Familie nach dem Hauskauf und dem Verlust des Hauptverdieners dringend benötigt. „Ich hätte niemals damit gerechnet, dass wir solch eine Nächstenliebe und solch ein Mitgefühl erfahren. Ich bin überwältigt von der Anteilnahme der Menschen und bedanke mich aus tiefstem Herzen bei jedem einzelnen“, sagt Anna Budras-Krüger. Die Anteilnahme sei groß: „Auch wenn nichts in der Welt diese Tragödie erträglich machen könnte, hilft uns das Mitgefühl anderer, da wir uns dadurch gesehen und nicht so einsam und alleingelassen fühlen.“

Anna Budras-Krüger mit ihren Söhnen Milan (links) und Levi.
Anna Budras-Krüger mit ihren Söhnen Milan (links) und Levi. © HA | Budras-Krüger/Lepél

Hilfe findet die junge Frau auch bei Freunden und ihrer Familie. „Ohne die bedingungslose Unterstützung, hätten wir es mit Sicherheit nicht bis hierhin geschafft“, sagt die zweifache Mutter. Auch in Zukunft möchte sie sich mit Menschen umgeben, die ihr Kraft geben. „Ich hoffe, dass wir irgendwann wieder glücklich werden können und die Situation erträglicher wird“, sagt Anna Budras-Krüger. Denn Vorstellungen vom Papa, wie er von oben auf seine kleine Familie herunterschaut, mögen den Kindern helfen. Der Mutter helfen sie nicht: „Wenn ich zu sehr darüber nachdenke, bleibt einfach nur ein riesengroßes, schmerzliches ,Warum?‘.“