Thelstorf. Am Rand der Lüneburger Heide teilt ein Paar Hof und Garten mit den Gästen. Kaffee und Kuchen gibt es zwischen Reetdach und Hühnern.
- Das Café wird seit 2018 betrieben
- Bei den Gästen ist der idyllische Garten beliebt
- Service wird hier groß geschrieben
Wäre das nicht schön: Eine Landpartie zu Freunden machen. In deren Garten sitzen und klönen, während frisch gebrühter Kaffee und selbst gebackener Kuchen serviert werden. Die Füße unter den Tisch strecken und angekommen sein im Paradies…
Im kleinen Thelstorf am Rande des Naturparks Lüneburger Heide macht Glenn Herdemann mit seinem Partner Rainer Matzke diesen Traum wahr. Seit 2018 betreiben die beiden das Café Waldperle. Ein Juwel der Jesteburger Gastronomie in einem reetgedeckten Niedersachsenhaus.
Café Lüneburger Heide: Hier teilt ein Paar sein Haus mit den Gästen
Hier kann sich der Besucher wirklich wie zu Hause oder bei sehr guten Freunden fühlen. Denn Herdemann, den alle nur Glenn nennen und der donnerstags bis sonntags hinter dem Buffet der kleinen Gastronomie steht, umsorgt seine Gäste rührend. „Das hier ist wie bei Oma, nur ohne Oma“, beschreibt er den Charme des Cafés.
Das Besondere: Glenn und sein Partner wohnen hier, direkt über den Gasträumen. Sie teilen mit ihren Besuchern einen Teil des Hauses und den gesamten Garten. Manikürter Rasen und sterile Stahlrohrmöbel? Nicht in der Waldperle.
Das liebevoll hergerichtete Fachwerkhaus gehört zum Pferdehof Cohrs. Es wurde mit alten Steinen und neuen Balken originalgetreu nach dem Vorbild der Häuslingskate aufgebaut, die hier vor Jahrhunderten schon stand und in der Hofmitarbeiter gemeinsam mit dem Vieh wohnten.
Das frühere Wohnzimmer ist jetzt ein origineller Gastraum
Unter dem Reetdach ist längst modernster Wohnkomfort eingezogen. Doch die ursprüngliche Atmosphäre ist geblieben. Glenn hat mit seiner Sammelleidenschaft das frühere Wohnzimmer in einen originellen Gastraum verwandelt, in dem sich auch kleine Festgesellschaften wohl fühlen.
Doch wer hierherkommt, will meist vor allem eines: raus in den Garten, ein verwunschenes Idyll: Holzmöbel mit weißen Wolldecken darauf, ein Sofa aus Paletten unter einem alten Obstbaum, ein Strandkorb mit Blick auf den angrenzenden Mühlenbach und weite Wiesen, auf denen Pferde grasen.
In dem Café in der Heide gibt es einen Hühnerstall, in dem ehemalige Käfighühner leben
Blühende Büsche, Bäume. Bambus und Buchsbaumhecken, überall Pflanztöpfe mit englischen Hortensien. Ein selbstgezimmerter Tisch, auf dem Kastanien in Tontöpfen heranwachsen, ein Hühnerstall, in dem ehemalige Käfighühner ihren Lebensabend genießen dürfen. Lautes Spatzengetschilpe. Gelegentlich das Trappeln von Hufen oder das Rufen eines Kuckucks.
Ansonsten: Stille. Absolute Stille, in der Gestresste zu sich kommen. Ein Ort des Friedens. Ein Kurzurlaub für die Seele. Eine Welt, in der jeder willkommen ist, auch bei den vier „Mitarbeitern“ des Cafés: Eine kunterbunte Hundemeute, deren Chefin Olivia jeden Gast freundlich beschnüffelt und ihm dann ohne Knurren Zutritt gewährt, um sich ausgiebig kraulen und streicheln zu lassen.
Herdemann führte ein Herrenausstattergeschäft am Hamburger Ballindamm
Auch die Besucher dürfen Hunde mitbringen. Nur selten gibt es Streit unter den Vierbeinern. „Die Hunde machen gut dreißig Prozent der Attraktivität dieses Cafés aus, der Garten weitere dreißig Prozent, ich selbst vielleicht zehn Prozent“, stapelt Glenn tief. Für ihn, der eine Ausbildung im Einzelhandel absolvierte und am noblen Hamburger Ballindamm ein Herrenausstattergeschäft führte, ist das Wohlbefinden seiner Gäste eine Herzensangelegenheit.
Schon 2016, kurz nachdem Glenn aus der Großstadt zu Rainer in die Heide gezogen war, wurde die Idee zu dem Café geboten. Zwei Jahre gingen ins Land, bis die Partner endlich alle baulichen Vorgaben erfüllt und alle Genehmigungen gesammelt hatten, um guten Gewissens eröffnen zu können.
Wenn ein Gast partout Schokotarte möchte, wird eben noch schnell einer gemacht
„Gegen diesen Behördenstress war die Corona-Krise, während der wir wie alle anderen schließen mussten, fast gar nichts“, kommentiert Glenn, dem seine vielfältigen Erfahrungen aus dem Einzelhandel geholfen haben, mühelos zu erspüren, wie seine Besucher ticken. „Glenn ist ein toller Gastgeber, der seine Gäste glücklich machen möchte“, lobt Stammgast Birgit.
Geduldig umtüddelt der 52-jährige alle, die zu ihm kommen, und macht manchmal sogar fast Unmögliches möglich: Wenn jemand partout Schokokuchen möchte, aber keiner mehr da ist, kann es sein, dass der Gastronom aus Leidenschaft in die Küche verschwindet, um zwanzig Minuten später stolz einen Teller zum Tisch zu tragen: Darauf: Schokotarte, warm, mit noch flüssigem Kern, Leckerschmecker nicht aus der Tüte, sondern aus dem Thermomix. Darauf ein Klacks frisch aufgeschlagener Schlagsahne und dazu ein Glas Latte Macchiato, zubereitet mit Wasser aus dem eigenen Brunnen. Ein Service, der eigentlich unbezahlbar ist.
Die Betreiber haben sich klar gegen Busse und Bierbänke entschieden
Glenn und Rainer balancieren mit ihrer Waldperle auf einem schmalen Grat, dem zwischen Wirtschaftlichkeit und authentischer Individualität. Sie haben sich klar gegen Busse und Bierbänke entschieden. Und selbst ein normaler Sonntagsnachmittagsbetrieb ist ihnen manchmal zu viel. Für Kenner haben sie deshalb eine spezielle Zeichensprache entwickelt, deren Medium zwei schlichte Tafeln sind.
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Stehen beide Tafeln an der Straße, sind Besucher willkommen, ist nur eine Tafel am Straßenrand zu sehen, die andere erst am etwas versteckt liegenden Parkplatz, könnte es voll werden in der Waldperle. Steht keine Tafel da, ist das „WP T 33“ entweder rappelvoll – oder geschlossen.
WP T 33? Glenn grinst, an Ratespielen hat er seinen Spaß: „Ist doch klar. Wald Perle, Thelstorf, Hausnummer 33“, erklärt er. Findig muss man schon sein, wenn man hierher will, in das Café-Paradies am Rande der Heide.