Rosengarten. Tiere aus dem Wildpark Schwarze Berge sollen im Nordwesten Polens ausgewildert werden. Vorher müssen sie noch ein Training bestehen.

Bei den Luchsen vom Wildpark Schwarze Berge hat sich etwas getan: Von der fünfköpfigen Familie sind nur noch die Elterntiere Ronja und Finn übrig. Ihr im Mai 2022 geborener Nachwuchs Levi, Thore und Leandra, der viele Wildparkbesucher monatelang entzückt hat, wird allmählich erwachsen und hat eine besondere Mission zu erfüllen: Er soll den Bestand von ausgewilderten Artgenossen in Polen stärken.

Mittlerweile sind die Geschwister alt genug, um an einem wissenschaftlichen Wiederansiedlungsprojekt teilzunehmen. Sie reisten dafür ostwärts. Ziel des Projektes ist es, den Eurasischen Luchs in seinem früheren Verbreitungsgebiet im Nordwesten Polens wieder anzusiedeln und einen vermehrungsfähigen Bestand aufzubauen. Die drei halbstarken Harburger Pinselohren werden in ihrer neuen Heimat auf Artgenossen treffen: 2019 wurden in den Wäldern Nordwestpolens die ersten Luchsbabys in freier Wildbahn geboren, weitere Luchse aus einer Zuchtstation ergänzen den noch instabilen Bestand von einigen Dutzend Tieren. Um die Bestandsentwicklung und die Lebensweise zu verfolgen, tragen viele Tiere Halsbandsender. Zudem steht ein Rettungsdienst bereit, der kranke oder verletzte Tiere versorgt. Auch Levi, Thore und Leandra werden also nicht komplett ihrem Schicksal überlassen.

Ehestorfer Luchse sind für Auswilderung geeignet

„Wir freuen uns sehr, dass unser Luchsnachwuchs alle Anforderungen erfüllt, um das Projekt von der Westpommerschen Gesellschaft für Naturkunde zu unterstützen,“ erklärt Arne Vaubel, Geschäftsführer vom Wildpark Schwarze Berge. Denn nicht alle Tiere sind für eine Auswilderung geeignet. Sie müssen nicht nur gesund und kräftig sein, sondern auch unterschiedliche genetische Anforderungen erfüllen. Die Luchse werden an Standorten mit der höchsten Überlebenswahrscheinlichkeit von Jungtieren freigelassen – dort, wo sie nach einer Analyse den optimalen Lebensraum finden.

 Die jungen Luchse gehen in Transportboxen auf große Reise nach Polen
 Die jungen Luchse gehen in Transportboxen auf große Reise nach Polen © HA | WPSB

„Jeder Luchs, der in das Projekt einfließt, ist anders“, berichtet die Projektleiterin Aleksandra Smaga aus Polen. „Es gibt sehr verschlossene, vorsichtige und mehr oder weniger neugierige Individuen. Durch sorgfältige Beobachtung ist es möglich, diejenigen Luchse auszuwählen, die für die Freilassung geeignet sind, weil sie scheu und vorsichtig sind und den Kontakt zum Menschen meiden.“ Bevor die Luchse auf große Entdeckungsreise in die Wildnis geschickt werden, müssen sie ein Auswilderungstraining bestehen. Keine leichte Übung – sie lernen das Jagen und Leben in freier Wildbahn.

Lange war der Luchs aus deutschen Wäldern verschwunden

Bereits 2004 hatte sich der Wildpark Schwarze Berge mit zwei Luchsen an einem Auswilderungsprojekt im Harz beteiligt. Denn lange Zeit war der Luchs auch aus deutschen Wäldern komplett verschwunden. Inzwischen ist er durch Ansiedlungsprojekte in drei Regionen wieder heimisch. Der größte Luchsbestand erstreckt sich vom Harz (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) bis an die Weser und nach Nordhessen. Ein weiteres Vorkommen befindet sich in Ostbayern (Bayerischer und südlicher Oberpfälzer Wald). Eine dritte Population geht auf das 2016 im Pfälzerwald gestartete Wiederansiedlungsprojekt zurück.

Nach den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Naturschutz lebten im Jahr 2020 rund 200 Luchse in Deutschland. 2018 ließ sich ein Luchs mehrfach in der Lüneburger Heide sehen – bislang der nördlichste Nachweis der Tierart. Er streifte durch die Landkreise Uelzen und Lüneburg und war vermutlich ein junges Männchen aus dem Harz. Dann verloren sich seine Spuren.

„Wir sehen es als unsere Pflicht, regelmäßig verschiedene Artenschutz- und Arterhaltungsprojekte zu unterstützen,“ sagt Arne Vaubel. So werden im Wildpark Schwarze Berge auch Nerze und Wisente im europäischen Erhaltungszuchtprogramm mit Artgenossen über Ländergrenzen hinweg verpaart. „Das gewährleistet eine optimale Nutzung des vorhandenen Genpotenzials bei Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind und hilft damit, diese langfristig zu erhalten.“