Niederhaverbeck/Bispingen. Seit der Pandemie fehlen Fachkräfte: Das macht auch der Traditions-Gastronomie in der Heide zu schaffen. Nun setzt sie auf Roboter.
Es war am Anfang der Saison, da war Philipp Menke-Weselmann eines schon sehr klar: „Wenn das so weitergeht, falle ich um.“ Der Inhaber des Gasthofes Menke in Niederhaverbeck hatte so starke Personalprobleme, dass er am Ende fast alles selbst gemacht hat. Die Saison ist geschafft. Jetzt hat der Gastronom seinen Betrieb fürs erste geschlossen. Wie es weitergeht im neuen Jahr: wer weiß. Er ist nicht der Einzige in der Heide, der deutlich mehr Menschen bewirten könnte – wenn er denn das Personal hätte.
Denn nach zwei Corona-Jahren steht die Lüneburger Heide kurz davor, einen neuen Rekord zu melden. Bislang gilt das Jahr 2019 mit 5,95 Millionen Übernachtungen als das Jahr mit den meisten Gästen seit es elektronische Statistiken gibt. Das aber könnte sich nach Abschluss des Jahres 2022 ändern. Denn auch nach Ende der Heideblüte war die Nachfrage laut Tourismusagentur hoch, und die Experten der Lüneburger Heide GmbH wagten schon damals eine vage Vermutung: 2022 könnte 2019 übertreffen. Die Betreiber von Unterkünften konnten während der Hochsaison durchgängig „ausgebucht“ melden.
Gutes Saisonergebnis war ein Kraftakt für alle Beteiligten
Doch das gute Ergebnis sei ein Kraftakt für alle Beteiligten gewesen, sagte Tourismuschef Ulrich von dem Bruch damals. Die Gründe: Corona, steigende Einkaufspreise – und eben Personalmangel. Der Haverbeckhof in Schneverdingen zum Beispiel bewirtete in seinem Restaurant daher ausschließlich Hotelgäste, bat auf seiner Homepage um Reservierungen bis drei Tage vor Anreise. An den Wochenenden gab es für Ausflügler Eis, Getränke und Kuchen auf der Terrasse – in Selbstbedienung.
Mittlerweile ist das anders, Hotel und Restaurant waren bis Silvester geöffnet, nun sind Betriebsferien bis Februar. Philipp Menke-Weselmann war kurz davor, es einigen Kollegen gleichzutun, erzählt er. „Ich habe von 7 bis 22 Uhr gearbeitet. Hätte mir jemand ein Angebot gemacht, den Betrieb zu übernehmen, hätte ich verkauft.“
Familienfeiern, Gruppen und Busse musste Menke-Weselmann ablehnen
Die Saison hat er nur mit Unterstützung der Familie geschafft: Die Eltern sprangen ein, die Kinder und ihre Freunde halfen mit. „Auf Dauer geht das so aber nicht“, stellt der 52-Jährige klar. „Meine Eltern sind 74 und 81 Jahre alt, ihnen gehen auch irgendwann die Kräfte aus. Und wenn die Kinder selbst ihre Ausbildungen machen, können sie hier auch nicht mehr helfen.“
Natürlich, die Saison sei ein großer Erfolg gewesen. „Die Zahlen waren super.“ Sogar die Mindestbuchungsdauer von fünf Nächten in der Hauptsaison sei von den Gästen akzeptiert worden – das halte den Aufwand geringer. Doch Familienfeiern, Gruppen und Busse musste Menke-Weselmann ablehnen: nicht zu schaffen.
Gastronom schließt aufgrund von Personalmangel bis März
Die Ansprüche der Gäste habe Niederhaverbeck nicht immer erfüllen können. Eine Zeit lang fiel der kostenlose Heide-Shuttle aufgrund von Personalmangel aus, und wenn Gasthof Menke am Montag und Dienstag im Restaurant seine Ruhetage einlegte, „beklagten sich die Leute, dass sie nichts zu essen bekommen“.
Personal fand er das ganze Jahr über nicht ausreichend. „Es ist nichts auf dem Markt.“ Für den Winter zog der Gastronom in vierter Generation daher die Reißleine. Der 52-Jährige schließt Hotel, Restaurant und Café bis Ende März. „Wenn ich für nächstes Jahr wieder Personal finde, wäre das toll“, sagt er. „Wenn nicht, muss ich sehen. Plan c wäre irgendwann, tatsächlich nur noch Hotelgäste im Restaurant zu bewirten.“
In Bispingen bringt ein Roboter bis zu sechs Gerichte gleichzeitig zum Tisch
Personal der anderen Art hat das Restaurant Tafelhuus in Bispingen gefunden. Seit Juli arbeitet die Wilde Mathilde mit im Service: Der Roboter bringt bis zu sechs Gerichte gleichzeitig zum Tisch – ein Profi müsste dafür zwei Mal laufen. Zwei Meter vor dem Tisch stopp der Roboter. „Das Servieren übernehmen unsere Mitarbeiter“, erzählt Peter Reibold, Inhaber des Hotels Rieckmanns Gasthof, zu dem das Tafelhuus gehört.
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Denn von Herzen einen guten Appetit wünschen kann die Wilde Mathilde noch nicht. Aber: „Sie ist eine super Entlastung für unser Team, und die Gäste lieben sie, weil sie so niedlich ist.“ Und das menschliche Personal hat mehr Zeit für den Gast. „Mein Traum ist, dass die Servicemitarbeiter eines Tages nur noch am Gast sind, anstatt Teller zu tragen.“
Roboter war der erste seiner Art in ganz Europa
Als der Roboter der Bauart SwiftBot nach Bispingen kam, war er der erste seiner Art in ganz Europa. Das hat der Hersteller Digpanda Familie Reibold berichtet. Ähnliche Modelle wie etwa den BellaBot nutzen aber schon andere Kollegen in der Heide als Tellertaxi, weiß Reibold. Wer sich nicht sicher ist oder Bedenken hat, kann ihn gern besuchen kommen und nach seinen Erfahrungen befragen, lädt Reibold seine Gastronomie-Kollegen zu sich in den Kirchweg ein. Die Anschaffung ist mit rund 17.000 Euro zwar eine echte Investition. „Kaufmännisch gerechnet ist das aber vertretbar.“
Und weil es so gut läuft mit der Wilden Mathilde, hat Peter Reibold bereits eine Kollegin bestellt: Sie kommt Anfang des Jahres und verheißt Schönes. Schließlich wird sie Bella heißen.