Buchholz. Nach vielen Verzögerungen weiht Blau-Weiss Buchholz die neueste Errungenschaft im Sportzentrum Holzweg ein.

„Ich bin seit 40 Jahren Rollifahrer. Ich kann das beurteilen. Dieser Parcours ist hundertzehnprozentig, besser geht‘s nicht. Hier kannst du als Rollstuhlfahrer ungestört und in aller Ruhe deine Selbsterfahrungen mit verschiedensten Hindernissen machen“, schwärmt Hans-Werner Süß, der frühere Trainer der Rollstuhl-Basketballer von Blau-Weiss Buchholz und aktive Behindertensportler.

Der neue Rollstuhl-Parcours auf dem Vereinsgelände am Holzweg ist ab sofort öffentlich zugänglich für jedermann, auch ohne Vereinszugehörigkeit. Und, wie es Jan Bauer, der stellvertretende Bürgermeister von Buchholz, sagte, „einmalig in Deutschland und für die Stadt Buchholz das i-Tüpfelchen der Inklusion“.

„Für die Stadt Buchholz das i-Tüpfelchen der Inklusion!“

Politikerin Steffi Menge war die Erste der geladenen Gäste bei der offiziellen Einweihung, die sich als sogenannte „Fußgängerin“ in einen Rollstuhl setzte und die Chance wahrnahm, den Parcours persönlich zu testen. Sie wollte praktische Erfahrungen machen mit dem so wichtigen Hilfsmittel für Menschen, die aufgrund einer körperlichen Behinderung in der Fähigkeit zum Gehen beeinträchtigt sind.

Hilfestellung erhielt sie dabei von Hans-Werner Süß. Später testete auch Jan Bauer den Parcours und machte eigene Erfahrungen mit den Tücken des Alltags für Rollstuhlfahrer. Diese beiden testenden Gäste waren schwer beeindruckt von der Anstrengung, die eine Fortbewegung im Rollstuhl von den Fahrern verlangt.

Barbara Erdrich war und ist Ideengeberin und treibende Kraft

Arno Reglitzky, langjähriger Vorsitzender von Blau-Weiss Buchholz, ließ in seiner launigen Ansprache die Entstehungsgeschichte dieser in Deutschland einmaligen Anlage Revue passieren. Sein besonderer Dank galt Barbara Erdrich. Die Abteilungsleiterin Behindertensport war schon Ideengeberin für die 6300 Quadratmeter große Freiluftanlage für Menschen mit und ohne Behinderungen mit diversen Spiel- und Sportgeräten gewesen – und jetzt auch treibende Kraft bei der Errichtung des Rollstuhl-Parcours.

Die integrative Sport- und Freizeitanlage war 2010 eingeweiht worden. Vier Jahre zuvor hatte sich der Sportverein mit dem Bau des barrierefreien Sportzentrums am Holzweg der Integration und dann auch der Inklusion verschrieben. Stets gab Barbara Erdrich wichtige Impulse. Reglitzky lobte sie für ihre immer wieder „wilden Ideen“, deren Umsetzung zwar meistens viel Geld koste, aber jede Mühe und jeden Euro wert seien.

Elemente aus Heidelberger Hotel sind auch in Buchholz zu finden

Die Idee für den Rolli-Parcours hatte Erdrich aus Heidelberg mitgebracht, wo sie in einem Hotel einige Elemente gesehen hatte, die nun auch im Buchholzer Rolli-Parcours zu finden sind. Eine wirkliche „Blaupause“ für eine derartige Anlage gab es allerdings nicht. Auch die spezielle Anlage für Unfallopfer in der Rekonvaleszenz am Unfall-Krankenhaus Boberg reiche bei weitem nicht an das Buchholzer Projekt heran, hieß es.

Einen edlen Tropfen als Dank für politische Unterstützung bei der Errichtung der Außenanlage überreichte der Vereinsvorsitzende Arno Reglitzky (rechts) an Heiner Schönecke.
Einen edlen Tropfen als Dank für politische Unterstützung bei der Errichtung der Außenanlage überreichte der Vereinsvorsitzende Arno Reglitzky (rechts) an Heiner Schönecke. © Günther Bröde

Reglitzky: „Wir haben nach intensiven Beratungen mit Fachleuten eigenständig eine Anlagenform entwickelt und aufgebaut, wo einerseits älteren Rollifahrern eine Trainingsmöglichkeit zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten auf Verkehrswegen gegeben wird und andererseits vor allem Jugendliche die Chance erhalten, ihre sportliche Leistungsfähigkeit weiterzuentwickeln.“

Werner-Otto-Preis und viele Spenden ermöglichten die Finanzierung

15 Hindernisse von einer Eingangspforte über eine Spiralbahn mit glatter Oberfläche und Kurven, unterschiedliche Wegoberflächen, Treppenanlagen, verschiedene Bodenöffnungen und diverse Kantsteine prägen den Parcours auf dem Blau-Weiss-Vereinsgelände. Maßgeblich zur schwierigen Finanzierung beigetragen haben die Preisverleihung durch die Alexander-Otto-Stiftung – der Werner-Otto-Preis war mit 15.000 Euro dotiert – , die Hoth-Stiftung aus Buchholz, die Fahron-Stiftung aus Lübeck, Bauunternehmer Steffen Lücking und der Förderverein von Blau-Weiss Buchholz.

„Die Kosten sind uns davongelaufen, die Eröffnung des Parcours musste immer wieder aufgeschoben werden“, sagte Arno Reglitzky. „Statt Frühjahr ist es jetzt Herbst geworden. Aber wir sind sehr froh, dass es endlich geschafft ist.“ Und das vor allem rechtzeitig zu den Special Olympics World Games im kommenden Jahr, bei denen erstmals in Deutschland vom 17. bis 25. Juni 2023 Athleten aus aller Welt mit geistiger und mehrfacher Behinderung in 26 Sportarten antreten werden.

Special Olympics World Games: Gastgeberstadt für Georgiens Sportler

Die Stadt Buchholz ist an dieser weltweit größten Inklusions-Sportveranstaltung im Rahmen des „Host Town Programs“ beteiligt. 216 Städte oder Landkreise werden im Vorfeld der Weltspiele Gastgeber für verschiedene Delegationen aus aller Welt sein, bevor diese zu den Wettkämpfen nach Berlin weiterreisen. Buchholz wird aller Voraussicht nach eine neunköpfige Sportler-Delegation aus Georgien empfangen. „Jetzt haben wir uns die Bezeichnung als ,Host Town’ für die Special Olympics auch verdient“, sagte Jan Bauer mit Blick auf den fertiggestellten Rollstuhl-Parcours.