Hitzacker. Serie „Unterwegs in der Region“: Autorin Carolin George hat sich auf den Weg gemacht und gibt Tipps für Ausflüge. Heute: Hitzacker

Es ist der Moment, in dem er den Motor ausmacht, den Bernd am liebsten mag. „Dann ist nur noch das Plätschern des Wassers zu hören“, sagt der Mann mit der Schirmmütze. „Und vielleicht ein paar Gänse“. Oder Störche. Oder Kraniche. Bernd heißt mit Nachnamen Rübsam-Wassong, doch wenn er über die Elbe schippert, stellt er sich den Gästen einfach so vor: „Ich bin Bernd, der Skipper.“

Skipper sind die verantwortlichen Boots- und Schiffsführer in der Freizeitschifffahrt. Ob die Definition auch Floße beinhaltet? Wer weiß das schon. Ist auch gar nicht so wichtig. Mit Bernd geht’s rauf aufs Wasser, und zwar per Sofafloß. Das Floß ist eine Art schwimmende Außenstelle des Museums Altes Zollhaus Hitzacker. „Wir wollen die Themen des Museums auf der Elbe fortsetzen“, erklärt der Tischler, der in seiner Freizeit ehrenamtlich das Sofafloß steuert. Und diese Themen sind in Hitzacker nicht nur vielfältig, sondern auch spannend.

In Hitzacker das „Grenze-Gucken“ fast ein Wirtschaftszweig

Die Elbe und ihre Auen sind hier als Biosphärenreservat besonders streng geschützt. Die Elbe hat die historische Altstadt aber auch schon komplett unter Wasser gesetzt, zuletzt beim Hochwasser im Jahr 2006. Seither gibt es eine Hochwasserschutzwand, ein Siel und ein Schöpfwerk mit drei Pumpen, die zusammen 60 Kubikmeter Wasser schaffen – pro Sekunde. Hitzacker war zwei Jahre lang die größte und teuerste wasserwirtschaftliche Baustelle Niedersachsens. Mit Erfolg: Bei den Hochwassern 2011 und 2013 blieb die Insel zwischen Elbe und Jeetzel trocken.

Dann war die Elbe hier auch noch jahrzehntelang Grenze zwischen Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Deutscher Demokratischer Republik (DDR). Auf der anderen Seite des Flusses war Sperrgebiet mit Zäunen und Grenztürmen, Familien wurden zwangsweise umgesiedelt. In Hitzacker war das „Grenze-Gucken“ fast schon ein Wirtschaftszweig. Menschen steuerten per Reisebus den höchsten Punkt der Stadt auf dem Weinberg an, um auf die andere Seite hinüber zu gucken.

Skipper Bernd Rübsam-Wassong ist Tischler und steuert das Sofafloß wie alle im Team ehrenamtlich.
Skipper Bernd Rübsam-Wassong ist Tischler und steuert das Sofafloß wie alle im Team ehrenamtlich. © Carolin George

„Eigentlich gibt es viel zu viel zu erzählen“, sagt der Skipper und lacht. „Die Themen ergeben sich je nach Interesse und den Fragen der Gruppe.“ Schauen die zum Beispiel viel gen Himmel, erklärt er ihnen den Unterschied zwischen Rotmilan und Schwarzmilan. Der Schwarzmilan stürzt sich ins Wasser, um seine Beute zu fangen. Der Rotmilan dagegen jagt nur an Land.

Doch nicht alle Gäste wollen bei ihrer Tour mit Informationen gefüttert werden, auch das hat Bernd Rübsam-Wassong gemerkt. „Wenn jemand einfach nur genießen möchte, dann ist das auch in Ordnung.“ Genießen geht nämlich gut hier auf der Elbe, gemütlich sitzend auf dem großen blauen Sofa mitten auf dem Floß. Das ist übrigens mit einem Motor ausgestattet, anders geht es bei einer Fahrt über den Fluss mit seiner starken Strömung gar nicht.

Cartoonist Wolf-Rüdiger Marunde gehört zur Floß-Crew

15 Skipper steuern insgesamt das Sofafloß. Unter ihnen ist übrigens auch der Cartoonist und Illustrator Wolf-Rüdiger Marunde, bekannt für seine Karikaturen zum Thema „Landleben“. Außerdem dabei sind Musiker aus dem Wendland, ein Feuerwehrhauptmann, ein Zauberer, ein Bankangestellter – und einer der Erbauer des Floßes. Wer während des gebuchten Törns am Steuer sitzt, ist Zufall. Eine Gruppe kann zwar Wünsche äußern, aber da den Job alle im Ehrenamt machen, kommt es eben darauf an, wer Zeit hat.

Das Museum Altes Zollhaus erzählt die Geschichten des Flusses, der Stadt und ihrer Bewohner.
Das Museum Altes Zollhaus erzählt die Geschichten des Flusses, der Stadt und ihrer Bewohner. © Carolin George

Apropos Zeit: Die schönste Tageszeit für eine Floßfahrt ist für Skipper Bernd der frühe Morgen. „Dann sind noch die Biber aktiv, man sieht insgesamt viel mehr Tiere.“ Kollege Ronald Jatzkowski hat eine Alternative parat: „Ich mag es besonders, abends loszufahren und sich dann in den Sonnenuntergang treiben zu lassen. Ohne Motor, ohne Geräusche. Herrlich.“ Der 67-Jährige ist als ehrenamtlicher Stadtführer in Hitzacker engagiert, jeden Tag um 18 Uhr startet eine entsprechende Tour durch das historische Fachwerkstädtchen.

Wenn Floßführer Bernd aus der Hafeneinfahrt auf die Elbe trifft, entscheiden die Fahrgäste, ob er in Richtung Hamburg und Dresden tuckert. Doch auch der Wasserstand spielt zurzeit eine nicht unerhebliche Rolle. „Im Augenblick steht das Wasser sehr niedrig“, sagt der aus dem Rheinland stammende Wahl-Wendländer. „Wenn wir Richtung Hamburg fahren und auf eine Sandbank aufsitzen, laufen wir Gefahr, gegen die Strömung nicht wieder frei zu kommen.“

Wer sich dann über die schmalen, mit Steinen ausgelegten Landzungen wundert, dem erklärt der Skipper die Funktionsweise der künstlich angelegten Bauten. „Das sind Buhnen. Sie begrenzen das Flussbett und erhöhen die Fließgeschwindigkeit des Wassers.“ Ziel der nach dem Wiener Kongress 1820 beschlossenen Baumaßnahmen war, die Elbe schiffbar zu machen. Funktioniert hat das nicht: Der Fluss nimmt zu viel Sedimente mit.

Die Strecke geben Bojen und Kreuze vor, sie zeigen die Fahrrinne an. Boote, Schiffe und selbst Flöße müssen sich danach richten, weil sie ansonsten Gefahr laufen, aufzusetzen. Der Steuermann sagt: „Da die Fahrrinne nicht gerade verläuft, wird aus der Floßfahrt eine echte Fluss-Kreuzfahrt.“

Anreise & Tipps:

  • Hitzacker ist mit der Regionalbahn zu erreichen. Die Kur- und Touristinformation (Hitzacker ist anerkannter Kneipp-Kurort) liegt Am Markt 7, Kontakt: 05862/969 70. Dort gibt es E-Bikes zu leihen, die Kosten betragen 15 Euro pro Tag. Täglich um 18 Uhr beginnt eine Stadtführung. Die Teilnahme kostet vier Euro. www.wendland-elbe.de
  • Wer das Sofafloß chartern möchte, meldet sich beim Museum Altes Zollhaus unter 05862/88 38. Eine Stunde kostet pro Gruppe 95 Euro, die zweite Stunde 85 Euro. Bis zu zwölf Personen dürfen mit. www.museum-hitzacker.de
  • Die Personenfähre Hitzacker-Bitter nimmt auch Fahrräder mit. Die Überfahrt auf die andere Seite des Flusses kostet pro Person zwei Euro und pro Fahrrad 1,50 Euro. Infos:www.faehre-hitzacker.de
  • Wer sich für Archäologie interessiert und/oder Kinder dabeihat, kann das Archäologische Zentrum Hitzacker besuchen. Jeden Sonnabend von 14 bis 16.30 Uhr gibt es dort das offene Erlebnisprogramm „Abendteuer Bronzezeit“ für alle. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Außerdem finden verschiedene Ferienkurse statt, etwa im Weidenflechten oder Schmuckherstellen. www.archaeo-zentrum.de
  • Die Sommerlichen Musiktage sind vom 30. Juli bis 7. August in Hitzacker geplant, mit Konzerten unter freiem Himmel, in der Kirche und im Konzertsaal. www.musiktage-hitzacker.de