Buxtehude. Erste 30er-Zone entstand in der Hansestadt. Jetzt sind hier in der Altstadt nur 20 erlaubt und es soll noch langsamer werden
Der Anblick ist noch ungewohnt: In Buxtehude weist seit einigen Wochen ein Verkehrsschild große Teile der Altstadt als Tempo-20-Zone aus. Eigentlich will die Stadt noch weitergehen, Autos sollen hier nicht mehr als zehn Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Doch vor diesem Schritt schreckt die Verwaltung noch zurück.
Eine Vorreiterrolle hatte Buxtehude in Sachen Verkehrsberuhigung schon einmal inne. Am 14. November 1983 wurde hier das bundesweit erste Tempolimit 30 eingeführt. Mit einer Tempo-10-Zone will Buxtehude nun erneut Pioniergeist beweisen und hat mit Tempo 20 einen ersten Schritt gemacht in diese Richtung gemacht. Informationen aus dem Bundesverkehrsministerium lassen aber zweifeln, ob die Tempo-10-Zone kommen wird.
Buxtehude hatte die erste Tempo-30-Zone Deutschlands
Denn der Unterschied zu damals: 1983 wurde das Projekt durch den ADAC und die Politik begleitet. Der Modellversuch lief parallel in anderen Städten und sollte in der Bevölkerung ein neues Bewusstsein schaffen. Eine Erfolgsgeschichte.
Besonders die Tempo-10-Zone trifft dagegen auf konkreten Widerstand. Ein Vorstoß in Berlin-Mitte endete etwa mit einer Klatsche vor Gericht. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2019 erklärte das Tempo-10-Limit für unzulässig und gab einem Anwohner recht, der dagegen geklagt hatte. Die Oberverwaltungsrichter hielten fest: In der Straßenverkehrsordnung wird kein Schild für eine Tempo-10-Zone aufgeführt, also darf ein solches auch nicht aufgestellt werden. Eine Revision des Falls lehnte das Bundesverwaltungsgericht ab.
Vergebliche Hoffnung auf neues Verkehrszeichen?
De Stadt Buxtehude kündigte im Mai 2022 trotzdem offiziell an, dass „perspektivisch eine Tempo-10-Zone angestrebt wird.“ Voraussetzung dafür wäre zum Beispiel eine Änderung der Straßenverkehrsordnung. Das Bundesverkehrsministerium müsste also dafür sorgen, dass das Schild „Tempo-10-Zone“ in den Verkehrszeichenkatalog aufgenommen wird.
Zuletzt war aus Berlin keine öffentliche Debatte zu vernehmen. Johannes Kleber ist Verkehrsplaner bei der Stadt Buxtehude und sagt: „Kleinere Änderungen wie die Aufnahme oder Entlassung von Verkehrszeichen sind durchaus ohne vorherige weitreichende öffentliche Diskussionen denkbar.“
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Doch auf Abendblatt-Nachfrage im Bundesverkehrsministerium (BMDV) teilt eine Sprecherin mit: „Ein Zeichen ’Tempo-10-Zone’ ist aus Sicht des BMDV nicht erforderlich.“ Sie verweist auf vorhandene Schilder für Schrittgeschwindigkeit in „verkehrsberuhigten Bereichen“, „streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung“ von 10 km/h und „verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche“ mit Höchstgeschwindigkeit 20 km/h.
Experten rieten von flächendeckender Fußgängerzone ab
Auf dem Schild neben dem Zwinger am Eingang zur Buxtehuder Altstadt wird wohl auf absehbare Zeit damit eine große 20 zu lesen sein, denn die Stadt will Tempo 10 nur „bei Rechtssicherheit“ einführen. Das Tempolimit entspringt einem Kompromiss. Ursprünglich sollte der Autoverkehr im Sinne der Außengastronomie mit einer flächendeckenden Fußgängerzone ganz aus der Innenstadt verbannt werden. Das von der Stadt beauftragte Bremer Verkehrsplaner-Büro „Planersocietät“ kam jedoch zu dem Schluss, dass ein „verkehrsberuhigter Geschäftsbereich“ die verträglichste Lösung sei. Die Einrichtung einer Spielstraße oder einer umfassenden Fußgängerzone hätten demnach massive Umbauarbeiten mit sich gebracht.
Auch mit Tempo 20 gehört Buxtehude zu den Vorreitern in der Region. Daneben setzt die Gemeinde Neu Wulmstorf auf einen entsprechenden „verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ in der Bahnhofstraße zwischen Rathaus und der Straße Zur Heide. In Hamburg wurde das Konzept an verschiedenen Stellen getestet, in Stuttgart gab es zuletzt starken Widerstand aus der Bevölkerung gegen eine entsprechende Zone in der City.
Was bringt die Tempo-20-Zone in der Innenstadt?
Ob sich der Autoverkehr seit der Umsetzung der 20er-Zone in Buxtehude tatsächlich verlangsamt hat, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht bewertet werden. „Wir haben das noch nicht evaluiert, für eine Bilanz sei es noch zu früh“, so Verkehrsplaner Kleber. Gemerkt hat es auch nicht jeder. Angesprochen auf die verkehrsberuhigende Maßnahme ist Kerstin Askamp von der Rösterei am Fleth überrascht: „Das habe ich gar nicht mitbekommen.“ Und fragt: „Seit wann steht das Schild denn da?“ Das Geschäft am Ostfleth hat Sitzplätze und Tische vor dem Laden direkt am Wasser, als Angestellte überquert Kerstin Askamp täglich vielfach die dazwischenliegende Straße. „Die Leute rasen hier“, daran habe sich nichts geändert.
Das bemerkt auch Lena Dwenger. Sie betreibt das Café Pompom am Westfleth in der Altstadt und sagt: „Ich finde Tempo 20 sehr gut, aber die Leute fahren immer noch zu schnell.“ Im Alltag betrifft Dwenger die neue Regelung nur bedingt. Vor ihrem Geschäft verbannt zwischen 10 und 22 Uhr ohnehin ein Poller den Autoverkehr. Sie und ihre Angestellten können ihre Gäste auf der anderen Straße so tagsüber gefahrlos bewirten. Aber: „Eine meiner Mitarbeiterinnen wurde nach dem Feierabend letztens fast angefahren.“ Lena Dwenger hofft daher, dass sich das neue Tempolimit noch mehr herumspricht. „Und ich fände 10 km/h in der Innenstadt super.“
Verkehrsplanung: 20 soll nicht das neue 30 werden
Dass es durchaus Kritiker solcher Tempobeschränkungen gibt, zeigt das Beispiel der erfolgreichen Anwohnerklage in Berlin. Eine mögliche Sorge kann der Verkehrsplaner den Autofahrern aber nehmen: Zu „Schneckentempo“ in gesamten Buxtehuder Stadtgebiet werde es nicht kommen.
Weder die Tempo 10 noch Tempo 20 sollen sich sich nach dem historischen Beispiel der 30er-Zone ausweiten. Kleber verspricht: „Das Konzept ist auf die Altstadt beschränkt.“
Mit im Boot waren damals Berlin, Borgentreich (Nordrhein-Westfalen), Mainz, Ingolstadt und Esslingen.In Buxtehude war am 14. November 1983 die erste 30er-Zone errichtet worden, zum 30. Geburtstag im Jahr 2013 war Buxtehude Gegenstand zahlreicher überregionaler Medienberichte. Nun nähert sich der 40. Jahrestag.