Buchholz. Mit Gebietsreform 1972 wuchs Kommune um acht Dörfer an. Über diese Zeit hat Götz von Rohr ein Buch geschrieben

Das Schreiben ist nur zwei Seiten lang. Albert Haupt, Stadtdirektor von Buchholz und Bürgermeister Adolf Matthies haben den Brief unterzeichnet. Per Bundespost geht das Amtliche Bekanntmachungsblatt an 7347 Menschen aus Dibbersen und Steinbeck, Sprötze, Trelde, Reindorf und Holm, Seppensen und Holm-Seppensen.

Es ist der 1. Juli 1972. Ein Sonnabend, an dem die Nordheidestadt im Zuge der Gebietsreform von 1747 auf 7448 Hektar anwächst und es statt 15.273 nun plötzlich 22.620 Buchholzer gibt. Acht Dörfer werden eingemeindet. Damit war die Ortschaft Buchholz quasi über Nacht zur größten Stadt im Landkreis Harburg geworden.

Uni-Professor und Diplom-Geograph schreibt Buch über Buchholz

Götz von Rohr hat das Amtliche Bekanntmachungsblatt vom Juli 1972 im Archiv der Stadt Buchholz gefunden. Genauso wie die vielen Dokumente und Skizzen, Fotos und Schriftstücke, die der Stadtplaner, Uni-Professor und Diplom-Geograph aus Buchholz in den vergangenen Jahren zusammengetragen hat. Entstanden ist daraus ein Buch über die Entstehungsgeschichte der Nordheidestadt. „Wie Buchholz eine richtige Stadt wurde“, heißt die Publikation, die der Autor am heutigen Mittwoch während einer Feierstunde anlässlich der Gebietsreform vor 50 Jahren in der Empore vorstellen wird. Die Reform sorgte dafür, dass sich die Anzahl der Gemeinden im Landkreis Harburg durch Zusammenschluss und Eingliederung verringerte.

Auf 130 Seiten nimmt Götz von Rohr den Leser mit auf eine Zeitreise durch die jüngere Geschichte der Stadt, erzählt, welche Auswirkungen die Gebietsreform auf die Kommune und ihre Entwicklung hatte, welche Hindernisse es gab und welche Chancen sie eröffnete. „1972 zog ich nach Buchholz und erlebte von Anfang an die neue Situation“, sagt der 77-Jährige. Es habe ihn gereizt, das Stichwort „50 Jahre Verwaltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen“ dazu zu nutzen, ein Buch mit dem Fokus auf Buchholz zu schreiben. Und zwar nicht mit Blick von oben herab, sondern aus der „Graswurzelperspektive“, also konsequent aus der Sicht von Buchholz und der umliegenden Gemeinden. „Diejenigen, die damals selbst dabei waren und die Reform bewusst miterlebt und -gestaltet haben, werden immer weniger“, sagt der Wahlbuchholzer. „Es war also höchste Zeit, zur Feder zu greifen.“

Diese alte Wochenendhütte, die am Kattenberge bis heute überdauert hat, war typisch für die Häuser, die in den 1920er und 1930er Jahren in Buchholz erbaut wurden.
Diese alte Wochenendhütte, die am Kattenberge bis heute überdauert hat, war typisch für die Häuser, die in den 1920er und 1930er Jahren in Buchholz erbaut wurden. © HA | Stadtarchiv

Das Buch ist keine akademische Abhandlung, kein Werk voller Fußnoten und Literaturhinweise, sondern eine populärwissenschaftliche Darstellung, die Geschichte lebendig und erlebbar werden lässt. Und die hilft, zu verstehen, warum in Buchholz vieles gänzlich anders ist als in anderen deutschen Städten. „So etwas wie Buchholz, eine Gemeinde, die so stark zersiedelt ist, gibt es kein zweites Mal in der Bundesrepublik“, da ist sich von Rohr sicher. Schließlich habe er im Rahmen seiner Arbeit unzählige Städte bereist.

Buchholz ist eine Ansammlung an Wochenendhäusern

„Buchholz ist in vielen Teilen eine Ansammlung an Wochenendhäusern, die sich die Hamburger in den 1920er und 1930er in die Nordheide gebaut haben“, sagt er. Und zwar alle in unmittelbarer Nähe der Bahnhöfe bis zur „Quengelgrenze“. Eine Wortschöpfung, die deutlich machen soll, wo mit der Bebauung Schluss war. „Dort nämlich, wo die Kinder anfingen zu quengeln, wenn sie mit ihren Eltern vom Bahnhof zum Wochenendhaus liefen. Schließlich wurden damals die Wege zu Fuß zurückgelegt.“

Viele überraschende Inhalte hat der Autor, der nach dem Studium von 1969 bis 1992 in der Hamburger Verwaltung, später im Planungsstab der Senatskanzlei tätig gewesen ist und ab 1991 dem Ruf auf die Professur für Angewandte Geographie an der Universität Kiel folgte, für den Leser zusammengetragen. So ist Buchholz – trotz der bereits 1958 verliehenen Stadtrechte – im Grunde noch bis in die 1980er Jahre ein Dorf geblieben mit Wald- und Fachwerkhäusern, Obstgärten und einem Misthaufen im Zentrum. „Der Ort war ländlich geprägt, das Stadtzentrum abgrundtief hässlich“, sagt Götz von Rohr. Erst mit der Gebietsreform seien neue Ideen in den Rat einzogen, Bebauungspläne aufgestellt und schließlich in den 1980er Jahren mit dem Bau der Fußgängerzone und dem City-Center umgesetzt worden. 1991 kam mit der Empore eine Veranstaltungshalle mit Gastronomie hinzu.

Hamburger Straße in den 1960er Jahren gegenüber vom Rathaus. 
Hamburger Straße in den 1960er Jahren gegenüber vom Rathaus.  © HA | Stadtarchiv

Auch die Debatte um ein neues Rathaus mit 15 Stockwerken, die Wandlung der „Waldwohngebiete“ in Wohngebiete ohne Wald sowie die Entwicklung des Nahverkehrssystems greift das Buch auf. Am Ausbau des ÖPNV hat von Rohr, der von 1991 bis 1993 als Bürgermeister der Stadt Buchholz im Amt gewesen ist, maßgeblich mitgewirkt. „Wir haben das Stadtbussystem so ausgebaut, dass es den Buchholzern möglich ist, innerhalb von 30 Minuten per Nahverkehr an jeden Zipfel der Stadt zu gelangen“, sagt er. Die Idee für das „Äste-System“ hatte sich der Stadtplaner in Süddeutschland abgeguckt. Viele weitere Ideen für Buchholz hatte er damals in der Tasche. Umsetzen konnte er sie nicht. 1993 erkrankte er an Leukämie. Er entschied sich, das Bürgermeisteramt abzugeben, widmete sich voll und ganz seiner Tätigkeit an der Uni Kiel.

Viel Potenzial dank innenstadtnahen Reserveflächen

Die Entwicklung von Buchholz begleitet Götz von Rohr dennoch weiterhin. Er trägt mit seinen Betrachtungen der Stadtgeschichte dazu bei, die Entwicklungen in der Region besser verstehen zu können. „Buchholz ist auch 50 Jahre nach der Reform nicht zu einer geschlossenen Stadt zusammengewachsen“, lautet sein Fazit. „Dafür aber hat sie großes Potenzial.“ Denn die Stadt verfüge mit der Rüttgersfläche und dem Areal im Osten über erhebliche innenstadtnahe Entwicklungsreserven. „Beide Flächenareale bieten eine Chance, in Buchholz auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt ein großes Stück voranzukommen“, da ist sich der Stadtplaner sicher.

Das Beste: Beide Flächen lägen innerhalb der „Quengelgrenze“ – und wären damit zu Fuß sogar mit Kind und Kegel vom Bahnhof aus mühelos erreichbar.

Die Feierstunde mit Podiumsdiskussion ist am heutigen Mittwoch in der Empore (Breite Str. 10). Beginn: 19 Uhr. Eintritt ist frei.