Buchholz. Politische Mehrheit will Planverfahren für Bau der sechs Kilometer langen Umgehungsstraße starten. Es gibt auch kritische Stimmen.

Es ist das wohl meistdiskutierte Verkehrsprojekt von Buchholz: die Umgehungsstraße im Osten der Nordheidestadt. Sechs Kilometer lang soll sie werden und dafür sorgen, dass die täglichen Staus quer durch die Innenstadt künftig ein Ende haben.

Seit den 1970er Jahren wird über dieses Projekt diskutiert. Immer wieder wurden Pläne entwickelt und wieder verworfen. Jetzt soll damit endgültig Schluss sein. Die Stadt Buchholz will Nägel mit Köpfen machen. Am morgigen Dienstag entscheidet der Stadtrat, ob die Mittel für das weitere Planverfahren bereitgestellt werden sollen. Es geht um eine Summe von 4,3 Millionen Euro, die sich die Stadt Buchholz und der Landkreis Harburg teilen wollen.

Ostumfahrung von Buchholz: Klimaneutralität in Gefahr?

Kritiker von Grünen, Buchholzer Liste und Teilen der SPD befürchten, dass der Bau der neuen Kreisstraße im Osten der Stadt die Buchholzer Pläne zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2035 durchkreuzen werde. Sie gehen davon aus, dass mit der Ostumfahrung eine Straße geplant werde, die aufgrund veränderten Mobilitätsverhaltens in zehn Jahren keiner mehr brauchen wird (das Abendblatt berichtete). Trotz sinkender Verkehrszahlen unterstützt die Mehrheit im Buchholzer Stadtrat die Fortführung der Planungen. So wird nach Abendblatt-Recherchen die Mehrheit von CDU, SPD und FDP für die Finanzierung des weiteren Planverfahrens stimmen. Damit wäre von Seiten der Nordheidestadt der Weg für die weitere Planung der neuen Kreisstraße frei.

Die CDU-Fraktion im Buchholzer Stadtrat will ein klares Votum für die Finanzierung des Planfeststellungsverfahrens abgeben. „Hamburger Straße, Kirchenstraße und Canteleu-Brücke – das ist mit bis zu 23.000 Autofahrten pro Tag schon jetzt die bei weitem meistbefahrene Straßenachse im ganzen Landkreis außer den Autobahnen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Stefan Menk. Die Folge seien Staus mit entsprechendem Lärm, Abgasbelastung der Innenstadt und zusätzlichem Benzinverbrauch. Mit der Canteleu-Brücke bestehe zudem nur eine leistungsfähige Bahnquerung im Innenstadtbereich – die zudem etwa aus dem gleichen Baujahr stamme wie die Seevetaler Decatur-Brücke. „Im Fall einer längeren vollständigen oder auch nur teilweisen Sperrung wäre sowohl der Pkw-Verkehr als auch der ÖPNV und der Einsatz von Rettungsfahrzeugen in dem Bereich nicht mehr darstellbar“, fürchtet Menk.

Auch die Buchholzer SPD-Fraktion wird – trotz Kritiker in den eigenen Reihen – mehrheitlich zustimmen. Allerdings nur dann, wenn im Zuge der neuen Kreisstraße im Osten der Stadt zeitgleich ein neues Quartier entstehen wird. „Wir sehen die östliche Umfahrung als einen essenziellen Bestandteil zur Wohnraumentwicklung im Rahmen von Buchholz 2025plus“, sagt SPD-Fraktionschef Jan-Christian Dammann. „Diese Entscheidung ist das Ergebnis eines sehr intensiven Abwägungs- und Diskussionsprozesses zu einem sehr komplexen und vielschichtigen Sachverhalt.“ Das Stadtentwicklungsprojektes Buchholz 2025plus sieht für den östlichen Teil der Stadt den Bau von 1500 neuen Wohnungen vor. Dammann betonnt: „Nur zur Entlastung der Innenstadt würden wir den Bau einer solchen Straße nach wie vor ablehnen.“

Mögliche Änderung des Mobilitätsverhaltens zeichnet sich ab

Denn trotz gestiegener Einwohnerzahlen hätten die Verkehrsanalysen und -zählungen erfreulicherweise stagnierende bis leicht rückgängige Fahrzeugzahlen ergeben. Es zeichne sich hier seit mehreren Jahren eine mögliche Änderung des Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung ab. Um so wichtiger sei es, dass das neue Wohngebiet autoarm gestaltet, die Trassenführung der neuen Straße möglichst flächenschonend geplant werde. „Wir müssen Kompromisse finden, die sowohl dem Thema Wohnungsnot wie auch dem Klimaschutz zugutekommen“, so Dammann.

Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse (CDU) ist ein klarer Befürworter einer östlichen Umgehungsstraße für Buchholz – auch, weil sie aus städtebaulichen Aspekten für die Nordheidestadt von enormer Bedeutung ist. „Eine weitere bauliche Entwicklung der Stadt, sowohl südlich der Bahn auf der ehemaligen Rütgersfläche als auch im Osten der Stadt wird nur dann möglich sein, wenn die Kreisstraße um die Stadt herumgeführt und damit das Verkehrsproblem der Stadt gelöst wird“, sagte Röhse auf Abendblatt-Anfrage. Hinzukomme, dass der dadurch in der Innenstadt gewonnene Raum zugunsten von Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV genutzt werden könne.

In 2022 mehr Geld für Klimaschutz als jede andere Kommune im Landkreis

Die neue Kreisstraße stehe, so Röhse, nicht im Widerspruch zu den Klimazielen der Stadt – vielmehr befördere der Bau diese noch. „Die Verkehrswende im Bereich der Innenstadt kann zugunsten des Umweltverbundes nur gelingen, wenn die Anzahl der Fahrzeuge in diesem Bereich deutlich reduziert wird“, so Röhse. Nur ein pünktlicher und zuverlässiger Bus sei für den Nutzer attraktiv. Der enge Straßenraum werde infolge des reduzierten Fahrzeugverkehrs für Radfahrer wesentlich attraktiver und die Straße, die dann nicht mehr Kreisstraße sein werde, könne dem Rad- und Fußgängerverkehr Vorrang vor dem Auto einräumen. „Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen auch zukünftig mobil sein und gerade bei uns im ländlich geprägten Raum weiterhin auf das eigene Fahrzeug nicht verzichten wollen“, erklärt Röhse. „Deshalb müssen wir im Bereich der Kernstadt die Masse an Fahrzeugen auf die Umgehungsstraße bringen, anderenfalls wird der Radverkehr in diesem Bereich nicht signifikant zunehmen.“

Den Vorwurf der Kritiker, die Ausgaben für die Planung der Umgehungsstraße könnte dafür sorgen, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr finanziert werden könnten, wehrt Röhse ab. „Wir werden künftig wesentlich mehr Geld in verschiedene Bereiche des Klimaschutzes stecken“, verspricht er. „So haben wir trotz der pandemiebedingten Einnahmerückgänge den Klimaaktionsplan für einen sechsstelligen Betrag in Auftrag gegeben. Zusätzlich wurde eine unbefristete Vollzeitstelle für den Klimaschutzbeauftragten geschaffen und besetzt. Damit hat die Stadt Buchholz in diesem Jahr mehr Geld für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt, als jede andere Kommune im Landkreis.“

Über die Straße:

  • Das Thema Ostumfahrung spaltet die Stadt seit fast 40 Jahren. Seit den 1970er Jahren liegen für die rund sechs Kilometer lange Umgehungsstraße zwischen dem Ortsausgang
    Seppensen und Ortseingang
    Vaensen fertige Pläne vor.
  • Über die neue Kreisstraße soll sowohl der Verkehr aus Holm-Seppensen als auch aus den östlich von Buchholz liegenden Ortschaften zum Autobahnanschluss Dibbersen und in das Buchholzer Fachmarktzentrum an der B 75 fließen. Die Umfahrung wird zwei Bahnstrecken kreuzen und mit Kreisverkehren an die Lüneburger- und Bendestorfer Straße angebunden.
  • Die Planungskosten in Höhe von 4,3 Millionen Euro sollen sich die Stadt Buchholz und der Landkreis Harburg teilen. Über die Vereinbarung entscheidet der Kreistag abschließend in seiner Sitzung am 27. Juni.
  • Da die Planungsleistungen wegen der Höhe der Gesamtkosten europaweit auszuschreiben sind, rechnet die Kreisverwaltung mit der Vergabe der ersten Planungsaufträge nicht vor Februar 2023. Nach Schätzungen der Verwaltung würde die Straße nicht vor 2031 fertiggestellt sein.

Über das geplante Wohnquartier:

  • „Buchholz 2025plus“ sieht den Bau von 1500 Wohnungen für etwa 4500 Bewohner östlich des Finanzamts Buchholz sowie den Bau einer Ostumfahrung vor – dort, wo Weiden und Wiesen noch fast bis an den Stadtkern heranreichen. 50 Hektar Land benötigt das Projekt. Dafür hätte die Stadt nach der Fertigstellung ihre Einwohnerzahl um zehn Prozent erhöht.
  • Die Stadt hat in diesem Gebiet die Möglichkeit, auf eigenen Flächen eine moderne Stadtentwicklung mit klimagerechten Energie- und autoarmen Verkehrskonzepten sowie einer
    beispielhaften Grünplanung zu betreiben. Jedes Quartier ist städtebaulich in sich abgeschlossen. Vorgesehen ist maximal eine Bebauung mit drei Geschossen zuzüglich Staffelgeschoss.
  • Projekte wie das in Buchholz werden auch kritisch gesehen. Denn Deutschland wandelt derzeit täglich durchschnittlich 56 Hektar Land in Verkehrs- oder Siedlungsfläche um. Das entspricht rund 75 Fußballfeldern, macht 27.375 Fußballfelder im Jahr. In vergleichbarer Größenordnung ist das etwa die Stadtfläche von Hannover. Und das, obwohl die Bevölkerung insgesamt gar nicht wächst.