Harsefeld. Autorin Carolin George hat sich auf den Weg gemacht und stellt besonders interessante Wege vor. Heute: im Auetal bei Harsefeld
Spazieren unter grünen Dächern, wo es schattig ist und saftig. Die Füße auf sandig-erdige Wege setzen, die Ohren beschützt wissen vorm Lärm der Zivilisation. „Wandern hat für mich immer auch etwas Spirituelles“, sagt Siegfried Bernert. Zu sich kommen, das kann er besonders gut im Auetal und dem benachbarten Steinbecktal bei Harsefeld. Besonders angenehm für Fußgänger: Viele der Wege sind für Radfahrer nicht geeignet. Das macht das Gehen noch ruhiger, als es ohnehin schon ist.
Die Aue ist übrigens derselbe Fluss wie die Lühe – er heißt hier bloß anders. „Der Name wechselt in Horneburg“, erklärt Bernert. Dort, wo die Abbruchkante der Geest liegt. Hier, südlich der Kante, hat die Saale-Eiszeit das Gelände geformt, weiter nördlich die Weichsel-Eiszeit. Aus dieser Geschichte erzählt der „Garten der Steine“, der 500 Meter vom Parkplatz entfernt liegt und aus 170 Findlingen besteht, sortiert nach Herkunft und Gesteinsart.
Warum ein Tischler Wanderungen durchs Auetal anbietet
Doch wir machen uns erst einmal in eine andere Richtung auf den Weg: auf ins Auetal. „Ich wandere seit 40, 50 Jahren gern“, erzählt der 61-Jährige auf die Frage hin, warum er – gelernter Tischler und in diesem Beruf selbstständig tätig – eigentlich Wanderungen im Auetal und Umgebung anbietet. Außerdem wollte er den Gästen seiner Ferienwohnungen auf seinem Hof im Dörfchen Wohlerst ein paar Kilometer westlich von Harsefeld „etwas bieten“.
Er habe sich einmal mit Freunden über eine Kneipe in Australien unterhalten, die sie unabhängig voneinander besucht hatten. „Das Auetal aber kannten sie nicht – obwohl sie in Harsefeld wohnen“, erzählt der gebürtige Harsefelder. „Das hat mich, nun ja, erschrocken.“ Auch daher zeigt er so gerne seine Umgebung. „Denn es ist wirklich herrlich hier. Die Aue darf sich hier noch richtig schön schlängeln. Anderswo plant man groß angelegte Renaturierungen nach dem Vorbild der Aue.“
Einen Fuß nach dem anderen setzen wir auf den Sandweg, dann auf die erste Holzbrücke. Dort, wo bei den Winterstürmen eine riesige Pappel auf den Laufweg gekracht ist, sind die Latten bereits erneuert – von weitem schon an der sehr hellen Farbe erkennbar. Die Pappel gehört hier eigentlich gar nicht hin, erklärt Bernert im Vorbeigehen. Denn der Wanderweg führt auch durch alte, selten gewordene Bruchwälder: Das sind Wälder nahe einem Fluss, mit Weiden und Erlen, die Wasser an Stamm und Wurzeln mögen.
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Ein Teil des Weges zählt zu einem Jakobsweg, die berühmte Muschel weist die Richtung. Der Jakobsweg „Via Baltica“ kommt vom Lüheanleger in Steinkirchen (nun, ehrlich gesagt, kommt er von Usedom) und geht weiter über Bremen nach Osnabrück. Die „Via Jutlandica“, die im dänischen Pattburg beginnt, endet in Harsefeld, sodass sich hier zwei Jakobswege treffen.
Bernert bietet regelmäßig auch Pilger-Wanderungen an. „Da habe ich sogar mehr Anmeldungen als bei anderen Wanderungen. Dabei hat Wandern für mich immer etwas mit Pilgern zu tun, ob Pilgerweg oder nicht. Es stellt sich ganz automatisch ein.“
Pilgerweg führt in Harsefeld am ehemaligen Kloster vorbei
Wer tatsächlich dem Pilgerweg folgen mag, wird in Harsefeld am ehemaligen Kloster vorbeikommen – kleiner gedanklicher Abstecher: Dort führt ein etwa zwei Kilometer langer Rundweg inklusive Geocaching-Tour durch den Klosterpark, vom Klosterplatz bis zu den Klosterteichen. Archäologen haben den einstigen Klosterstandort in der 1980er Jahren ausgegraben.
Zurück ins Auetal. Weiter geht’s zwischen hellgrünen Buchen. Siegfried Bernert erzählt von einem just im Freilichtmuseum am Kiekeberg besuchten Kräuter-Kursus. „Ich mache Giersch in meinen Salat, und. . .“, er greift mit der linken Hand knapp über seinen Kopf, „. . .brate Buchenblätter in der Pfanne. Wenn sie noch so frisch sind wie zurzeit, sind sie einfach nur lecker – und reich an Vitamin C.“ Er steckt sich kurzerhand das frisch gerupfte Blatt in den Mund. Es schmeckt ihm also auch roh.
An einem ungenutzten Storchenhorst sehen wir, dass der Storch tatsächlich ein Kulturfolger ist. Das angebotene, künstliche Nest nutzt niemand, zu weit weg vom Dorf liegt es. Störche sind den Menschen ganz offensichtlich gern nahe. Und bei einer Fläche voller Schilfrohr lernen wir: Schilf, auch Reet genannt, ist nicht nur das höchste Gras Deutschlands. Halm und Wurzeln besitzen auch viele Hohlräume – und einige Insektenlarven sorgen auf folgende Weise für Atemluft: Sie bohren den unter Wasser lebenden Wurzelausläufer an. Außerdem setzen sich am Schilfrohr Schwebteilchen aus dem Wasser ab. Die Folge ist, dass das Wasser sauberer wird.
Steinbecktal ist ebenso herrlich zum Wandern wie Auetal
Nach gut einem Kilometer biegen wir rechts ab, denn das Steinbecktal ist nicht bloß einen Abstecher wert. Der Weg dort führt so wunderbar entlang einer Abbruchkante, dass wir von hier, ein wenig erhöht, an den Baumstämmen vorbei hinunter aufs Wasser der Steinbeck blicken können und entscheiden, dass es sich hier, etwas oberhalb der Steinbeck und unter grünen Buchendächern, doch mindestens ebenso herrlich wandern lässt wie im Auetal.
Der Wanderweg führt bis Hohebrügge, dort gibt es übrigens ein Gasthaus, dann geht’s ein paar Meter an der Kreisstraße entlang und im Wald zurück zum Wanderparkplatz – vorbei am „Garten der Steine“.
Zurück am Parkplatz, hat Siegfried Bernert noch eine Überraschung parat – die er bei seinen Führungen gern gleich zu Beginn verrät. „Wir stehen hier auf einem riesigen Salzstock“, erzählt er. Entstanden vor etwa 250 Millionen Jahren, reicht das Sedimentgestein bis zu 2000 Meter tief in die Erde. Die Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH betreibt in Ohrensen das größte Aussolungsbergwerk Europas. Das gewonnene Salz wird per Pipeline bis nach Stade transportiert und dort in der chemischen Industrie genutzt. Zu ahnen ist das hier, zwischen Buchen, Birken und Flussbetten, freilich überhaupt nicht.
Informationen zu den Wegen, der Anfahrt und Gastronomie:
- Der Wanderparkplatz Auetal liegt am Ehrenberg-Friedhof und hat die Adresse Im Butendiek 28, Harsefeld. Dort beginnt ein zwei Kilometer langer Naturerlebnis-Pfad mit zahlreichen Informationstafeln über Flora und Fauna im Auetal.
- Die Runde entlang der Steinbeck führt vom Parkplatz durch das Steinbeck-Tal nach Hohebrügge (Bernerts Einkehr-Tipp: „Viebrocks Gasthaus“) und von dort an einem ehemaligen Tonwerk und dem Garten der Steine vorbei zurück zum Parkplatz. Beschrieben ist sie als „An der Steinbeck – Am Steinbach Runde von Harsefeld“ unter www.komoot.de und umfasst knapp sieben Kilometer.
- Wer nach Alternativen Ausschau halten mag, findet den Rundweg „Nekropole Daudieck“ mit ihren bis zu 5000 Jahre alten Großsteingräbern in der „Stadt der Verstorbenen“. Er liegt zwischen Issendorf und Gut Daudieck. Dort gibt es einen archäologischen Lehrpfad. Dieser ist etwa zwei Kilometer lang und führt entlang der Gräber am flachen Hang hinab zur Aue und wieder hinauf. Zu finden ist die Wegbeschreibung bei www.outdooractive.com.
- Eine Karte von Harsefeld, dem Auetal und dem angrenzenden Steinbecktal mit Informationen über Flora, Fauna und Geschichte gibt es im Rathaus Harsefeld. Herausgeber ist das Naturschutzamt des Landkreises Stade.
- Informationen, Tipps und Termine gibt es beim Stadtmarketing Harsefeld unter 04164/88 71 35 oder www.harsefeld.de
- Anfahrt: Harsefeld ist mit der Regionalbahn erreichbar. Außerdem verkehrt hier die Linie 1 des Elbe-Radwanderbusses. Auch in Issendorf gibt es eine Haltestelle, von dort erreicht man die Nekropole und den Auetal-Wanderweg. Ein Tagesticket kostet fünf Euro (Familien: zehn Euro). Linie 1 verkehrt zwischen Harsefeld und Balje Weitere Infos: www.urlaubsregion-altesland.de.
- Wer eine Führung bei Siegfried Bernert buchen möchte, erreicht ihn unter der Nummer 04166/79 87 oder per E-Mail an info@ferienhof-wohlerst.