Lüneburg/Harburg. Viele Ärzte und Pfleger sind in Quarantäne. Operationen werden wegen massiven Personalmangels verschoben. Kritik an Lockerungen.
Die fortschreitende Corona-Pandemie bringt die Krankenhäuser im Hamburger Süden an ihre Grenzen. Im Zuge der weiter steigenden Infektionszahlen – am Freitag lag die landesweite Inzidenz bei 1683 – bleibt die Zahl der Covid-19-Patienten zwar verhältnismäßig gering. Doch es bringt die Häuser in Bedrängnis, dass zahlreiche Mitarbeiter selbst erkranken, in Quarantäne sind oder sich um ihre Kinder kümmern müssen.
Fast 200 der etwa 1750 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fehlen aus diesen Gründen derzeit am Städtischen Klinikum Lüneburg. Betroffen ist der ärztliche ebenso wie der pflegerische Bereich, der medizinisch-technische Dienst, die Ausbildungsschule und die Verwaltung. „An so eine Krankheitsquote kann sich hier niemand erinnern“, sagt Geschäftsführer Dr. Michael Moormann.
Verschlimmert es sich weiter, müssen Patienten in andere Kliniken
Deshalb hat das Krankenhaus die Notbremse gezogen, sein Angebot eingeschränkt, Operationen werden verschoben und es werden weniger Patienten als sonst aufgenommen. 40 der 527 Betten können derzeit nicht belegt werden. Auch einer der sieben Operationssäle ist gesperrt, zudem ist der Betrieb in den drei OPs für Ambulanz und Kaiserschnitte eingeschränkt. Zwar sei die Gesundheitsversorgung und insbesondere die Behandlung von Notfällen jederzeit gewährleistet, versichert Moormann. Doch in allen Bereichen gebe es Einschränkungen. So müssten planbare Behandlungen, wie Hüftgelenksoperationen oder die Entfernung von Metalleinsätzen, verschoben werden.
Sollte sich die Lage weiter verschlimmern, müssten Patienten in andere Krankenhäuser verwiesen werden, auch wenn das Personal anderswo derzeit ähnlich knapp sei, sagt Moormann. „Doch in dieser Situation sind wir noch lange nicht.“ Durch die Einschränkungen komme niemand zu Schaden, zudem leisteten die Mitarbeitenden einen „Wahnsinnsjob“ und würden Sonderschichten schieben. Der Klinikchef appelliert daher an alle Besucher und Patienten, Verständnis für die Wartezeiten aufzubringen.
Personelle Ausfälle auch an kreiseigenen Kliniken in Buchholz und Winsen
Patienten in andere Krankenhäuser schicken? Da sieht es allerdings nicht viel besser aus. Auch an den Standorten der kreiseigenen Kliniken in Buchholz und Winsen gibt es personelle Ausfälle. Dabei handele es sich immer sowohl um Corona-positive (mit oder ohne Symptome) und um Eltern von Quarantäne-Kindern, die deshalb zu Hause bleiben müssten. „Aktuell sind es wieder überdurchschnittlich viele Ausfälle“, sagt Christian Pott als Ärztlicher Direktor auf Abendblatt-Anfrage.
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Die genaue Zahl kann er nicht beziffern, aber die Auswirkung: „Der normale Betrieb mit voller Bettenzahl ist auch bei uns nicht zu leisten.“ In beiden Krankenhäusern könnten sogar seit Wochen nicht die volle Bettenzahl betrieben werden, so dass man genauso wie Lüneburg sehr restriktiv mit „verschiebbaren“ Aufnahmen sei. Sprich: Es werden Operationen und Termine verschoben, wenn es möglich ist. „Notfälle werden behandelt“, betont Pott.
Schwierigste Phase sollte in ein bis zwei Wochen überstanden sein
Moormann geht davon aus, dass das Plateau in ein bis zwei Wochen überwunden und dann wieder mehr Personal zur Verfügung stehen wird. „Wahrscheinlich wird das Drama nicht noch größer, aber ich kann es auch nicht ausschließen.“ Aus seiner Sicht kommen die Lockerungen daher zu früh. Die Bundesregierung hat beschlossen, vom 20. März an nahezu alle Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen und in die Verantwortung der Bundesländer zu übergeben.
„Angesichts täglich neuer Rekordzahlen bei den Corona-Neuinfektionen ist dieses Vorgehen für uns als Einrichtung der Kritischen Infrastruktur alles andere als hilfreich“, sagt Moormann. Anders als Wirtschaftsbetriebe, die auch unter Personalengpässen leiden, könne die Klinik nicht die Produktion runterfahren. In der derzeitigen Lage auf das Tragen von Masken und andere einfache Vorsichtsmaßnahmen zu verzichten, hält er für riskant. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Politik noch ein paar Wochen die Stringenz bei den Maßnahmen beibehalten hätte. Aber die Politik hat die Pandemie mehr oder weniger für beendet erklärt.“
Problem sind den Lockerungen bei gleichzeitig hohem Testniveau
Sein Kollege aus dem Landkreis Harburg sieht das Problem auch in den Lockerungen bei gleichzeitig hohem Testniveau. „Für die Krankenhäuser sind die Lockerungen deshalb schwierig, weil dadurch die Inzidenz steigt. Das betrifft auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deshalb fehlt Personal“, sagt Christian Pott. Wenn gleichzeitig aber nicht mehr routinemäßig getestet würde, sondern nur noch Kranke, dann würden gering-symptomatische corona-positive Mitarbeiter weiterarbeiten.
„Und dann hätten wir kein größeres Personalproblem“, sagt er. Er verweist darauf, dass die Erkrankungen derzeit mit der aktuellen Variante nicht mehr so schwer verlaufen würden, dass dadurch die Krankenhäuser mit vielen Corona-Patienten belastet würden. So liegen in Winsen und Buchholz jeweils ein Patient mit Corona auf der Intensivstation, wobei der eine nicht wegen Corona, sondern wegen Schlaganfall eingeliefert wurde. Das sei viel weniger als Anfang des Jahres.
Auch Hamburger Kliniken spüren hohe Inzidenz, aber keine Dramatik
Auch bei den Kliniken in Hamburg macht sich die hohe Corona-Inzidenz bemerkbar, dramatisch sei die Lage allerdings nicht, heißt es aus dem Asklepios-Klinikum Harburg und dem Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand. Die Presseabteilung des Krankenhauses Mariahilf war am Freitag für eine Anfrage nicht zu erreichen.
„Das Harburger Klinikum verzeichnet angesichts der hohen Inzidenz in der Region in überschaubarem Maße Personalausfälle infolge von Infektionen oder Quarantänemaßnahmen“, sagt Asklepios-Pressesprecher Matthias Eberenz. „Aber die Versorgung der Patienten ist durchgehend gewährleistet. Es werden coronabedingt auch keine OPs abgesagt oder verschoben.“ Allerdings würde Asklepios seinen Mitarbeitern derzeit viel Flexibilität abverlangen, damit alle Stationen und Schichten gleichmäßig und ausreichend mit Kräften belegt werden könnten, so Eberenz.
Asklepios-Konzern hatte frühzeitig mit Personal-Impfaktionen begonnen
Jetzt zahle sich aus, dass der Konzern frühzeitig mit Personal-Impfaktionen begonnen hatte. „Unseres Wissens kommt es angesichts der sehr hohen Impfquote in der Klinik in der Regel zu milden Krankheitsverläufen, wenn sich Mitarbeitende mit dem Coronavirus infizieren“, sagt er. Die Kolleginnen und Kollegen könnten sich nach sieben Tagen dann freitesten und wieder zum Dienst erscheinen.
Ähnlich äußert sich auch die Pressesprecherin des Krankenhauses Groß-Sand in Wilhelmsburg. „Die Personallage ist eine Herausforderung“, sagt Sprecherin Natalie Hebeler. „Aber das führt derzeit nicht zu Einschränkungen für die Patienten.“