Hamburg/Mienenbüttel. Hunde von Menschen aus der Ukraine kommen im neuen Tierzentrum unter. Doch das ist für beide Seiten nicht die beste Lösung.
Wer Mienenbüttel im Zusammenhang mit Tieren hört, hat sofort die schrecklichen Bilder aus dem LPT Versuchslabor vor dem inneren Auge. Dort, wo früher Hunde, Katzen und Affen gequält wurden, ist mittlerweile ein Tierzentrum entstanden. Seit Mitte Februar liegt auch die Betriebserlaubnis vor, wie das Abendblatt berichtete. Gerade rechtzeitig.
Denn mit dem Krieg in der Ukraine kommen viele Flüchtlinge nach Deutschland, die ihre Haustiere nicht zurücklassen wollten. Das Tierzentrum nahm bereits erste Flüchtlingshunde auf und hilft so gut es geht in der Notlage. Denn in den meisten Erstaufnahmelagern in Norddeutschland ist die Mitnahme von Haustieren nicht gestattet.
Gemeinsam dem Bombenhagel entkommen, in Sicherheit getrennt
„Es kann doch nicht wahr sein. Da flüchten Mensch und Tier teilweise mehr als tausend Kilometer gemeinsam vor dem Krieg, um dem Bombenhagel zu entkommen. Und dann müssen die Menschen ihre Hunde vor der Flüchtlingsunterkunft abgeben“, sagt Kroete Bendt vom Institut für Hund und Mensch in Pinneberg. „Die Tiere sind für die Geflüchteten ein Teil der Familie. Die ankommenden Menschen haben alles zurücklassen müssen, teilweise sogar ihre Ehemänner und Söhne und dann wird ihnen das Haustier genommen. Diese Praxis ist unmenschlich und tierfremd.“
Viele in Deutschland lebende Hundehalter suchten sogar ihre Urlaubsreise danach aus, wohin sie ihre Tiere mitnehmen dürften. „Dann stelle man sich mal vor, wie es den geflüchteten Menschen und ihren Tieren geht. Die sind teilweise stark traumatisiert“, ärgert sich Bendt. Dabei könne ein Haustier bei der Traumabewältigung helfen. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass bereits der Blickkontakt, das Streicheln oder das Gassigehen Stress abbaue. „Die Tiere von ihren Halterinnen und Haltern zu trennen, ist unmenschlich und Tierquälerei“, kritisiert Bendt.
Krankheiten übertragen sich sehr selten vom Tier auf den Menschen
Die Behörden seien auf die Tiere nicht vorbereitet gewesen, aber jetzt müssten sie erstmal zusammen mit ihren Haltern untergebracht werden, auch in den Notunterkünften, fordert die Tierschützerin. Nach einer tierärztlichen Untersuchung wäre es problemlos möglich. Dass sich Krankheiten von Tier auf den Menschen ausbreiten, sei fast ausgeschlossen. Von Tier zu Tier sei dies weit wahrscheinlicher, so Bendt. Und genau hier liegt das Problem. Denn meist sind es Tierfreunde, die nun privat Tiere von Geflüchteten zusätzlich zu ihren eigenen aufnehmen würden.
Mittlerweile hat auch die Hamburger Sozialbehörde das Problem erkannt. Es werden aktuell zwar immer noch Privatunterkünfte über die Behördenseite beim ukrainischen Hilfsstab gesucht. Die Bezirksämter und die Justiz- und Verbraucherschutzbehörde arbeiteten nach Aussage von Senatssprecher Marcel Schweitzer aber bereits daran, das deutsche und das europäische Recht mit der Praxis in Einklang zu bringen, die sich für die Kriegsvertriebenen ergibt.
Tollwut-Impfung und Ausweispflicht für Tiere in der EU verpflichtend
Dabei gehe es um die in der EU vorgeschriebene Tollwut-Impfung und Ausweispflicht für Tiere. „Wir finden Lösungen“, verspricht Schweitzer. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hatte bereits Anfang der Woche den Senat aufgefordert, ukrainische Geflüchtete möglichst zusammen mit ihren Haustieren in den Unterkünften unterzubringen.
Solange dies nicht möglich ist, werden die Tiere von ihren Haltern getrennt. Das Tierheim Süderstraße hatte in der vergangenen Woche bereits einige Katzen aufgenommen. „Wir sind nur die Notlösung“, heißt es auch vom Hamburger Tierschutzverein. „Glücklicherweise waren die Katzen nur ein paar Tage bei uns und konnten bereits wieder von ihren Besitzerinnen abgeholt werden, da diese privat untergekommen seien“, berichtet Sven Fraaß, Pressesprecher des Hamburger Tierschutzvereins.
Erster Hund eines Geflüchteten kam am 3. März nach Mienenbüttel
Im neuen Tierzentrum Neu Wulmstorf wurden bereits vier Hunde von Geflüchteten abgegeben. Der junge Alaskan Malamute namens Eso war der erste. Er kam bereits am 3. März nach Mienenbüttel. Der Besitzer habe seinen Hund persönlich abgegeben, nachdem klar war, er könne ihn nicht mit in die Unterkunft nehmen. „Der Abschied war bei Hund und Mensch sehr emotional“, sagt Doris Firlus, Leiterin des Tierzentrums. Eso habe sich aber schnell im Tierzentrum zurechtgefunden.
„Am gleichen Tag haben wir noch die Schäferhündin Bonny an einer Sammelunterkunft für Geflüchtete abgeholt“, so Firlus. Der Hund sei stark traumatisiert. Bonny habe Bombeneinschläge und Granatenbeschuss erlebt. „In den ersten Tagen bei uns war sie sehr scheu und ließ keine Berührungen durch Tierpfleger oder Spielaufforderungen durch Eso zu“, so Firlus. Mittlerweile habe sie sich aber eingelebt.
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Neuankömmlinge gehen zunächst für zehn Tage in Quarantäne
Das Tierzentrum ist verpflichtet, dem Impfstatus zu prüfen und mit den Transpondern abzugleichen, erläutert Firlus, dadurch müsse man die Tiere zehn Tage in Quarantäne nehmen. Erst danach dürften Halter die Hunde wieder besuchen, soweit die Tiere in einem gemeinschaftlichen Bereich untergebracht werden.
„Wir hoffen natürlich, dass Hund und Mensch so schnell wie möglich wieder zusammenkommen. Bis dahin hält das Tierzentrum Neu Wulmstorf 50 ihrer 100 Plätze für Hunde und auch Plätze für Katzen aus dem Kriegsgebiet bereit“, so Firlus. Spenden sind hier gewünscht. Man brauche dringend alte Decken und Handtücher, auch über Futter- oder Geldspenden freue man sich.