Wulfsen. Magerrasenfläche wird mit Schafen beweidet und ist Rückzugsort für zahlreiche Schmetterlingsarten, Reptilien und seltene Vögel
Ronaldo hat alles im Blick. Neugierig schnuppert er kurz am Besucher, zieht einmal kräftig an den Schnürsenkeln. Dann setzt sich der drei Monate alte Kangal-Welpe unter die knorrige Eiche – und beobachtet aufmerksam die Schafe, die nur wenige Meter entfernt grasen. Zusammen mit seiner Schwester Rosie, seiner Mutter Ginnie und der neunmonatigen Pippi passt Ronaldo auf, dass die Schafe nicht auf Abwege geraten – und keiner der Herde zu nahekommt.
„Die nehmen die Schafe als ihre Familie an und schützen sie gegen alle“, sagt Schäferin Nicole Benning. So können die Schafe auch unbesorgt ihrer Aufgabe nachgehen – und die Flächen auf dem Langenberg bei Wulfsen pflegen.
Wichtiges Refugium für Schmetterlinge, Bienen, Vögel und Reptilien
Denn die Magerrasenflächen auf dem Langenberg sind ein wichtiges Refugium für Schmetterlinge, Bienen, Vögel und Reptilien. Damit das auch in Zukunft so bleibt, hat die Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg ein Naturschutzprojekt initiiert. Bereits im vergangenen Jahr haben Pflegearbeiten stattgefunden. Bäume, die zu dicht standen, wurden gefällt, Besenginster entnommen. Nun sind die Schafe gefragt: Als tierische Landschaftspfleger halten sie die nachwachsenden Bäume und Büsche dauerhaft in Schach und halten auf diese Weise die Flächen offen.
Der Langenberg bei Wulfsen blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Auf der markanten Anhöhe zwischen Wulfsen und Pattensen legten die Menschen schon in der Bronzezeit Grabhügel an. Sechs dieser auffälligen Erhebungen sind heute noch sichtbar. Doch fast wäre die Fläche vor gut 50 Jahren in dieser Form verloren gewesen: Nach jahrhundertelanger Nutzung als Heide und Ackerland sollte hier in den 1960er-Jahren eine Ferienhaussiedlung entstehen. Die Flächen wurden sogar schon kleinteilig parzelliert und an dutzende Privatpersonen verkauft, die hier ihren Traum vom eigenen Wochenendhaus verwirklichen wollten. Der Langenberg hätte damit für immer sein Erscheinungsbild verloren.
Die Natur eroberte sich die Anhöhe über die Jahre hinweg zurück
Diese Planung scheiterte jedoch. Es waren wohl gerade die komplexen Eigentumsverhältnisse, die den Langenberg gerettet haben. Großflächig intensive Landwirtschaft war nicht mehr möglich, und viele Eigentümer verloren mit den Jahren ihr Interesse an den Flächen. Die Natur eroberte sich die Anhöhe zurück. Auf den sehr nährstoffarmen Sandböden entwickelte sich ausgedehnter Magerrasen.
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Diese sonnenverwöhnten bunten Blütenmeere sind ein Paradies für Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und zahllose andere Insektenarten, aber auch für Vögel und Reptilien. Heuschrecken fühlen sich hier wohl, der Neuntöter findet sich hier ebenso wie die Heidelerche oder der Wendehals. Auch Reptilien wie die Zauneidechse sind auf den Erhalt von Magerrasen angewiesen. Im Laufe der Jahre hatten Büsche und Bäume bereits damit begonnen, die Magerrasenflächen zu überwuchern.
Naturschutzbehörde rief 2020 das „Langenberg-Projekt“ ins Leben
Die Naturschutzbehörde hat daher im Jahr 2020 das „Langenberg-Projekt“ ins Leben gerufen, das den Erhalt des Langenbergs bei Wulfsen als Lebensraum für Flora und Fauna zum Ziel hat. Gemeinsam mit großzügigen und naturbegeisterten Wulfsenerinnen und Wulfsenern, die ihre Flächen zur Verfügung stellten, gelang es dabei bereits im ersten Jahr, zentrale Bereiche des Magerrasens von dichtem Gehölzbewuchs zu befreien.
Sandmagerrasenflächen sind europaweit besonders gefährdet und stehen unter Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes. Im Landkreis Harburg ist der Langenberg einer der wichtigsten Magerrasen. Dabei ist der Langenberg aber nicht nur ein Refugium für die Fauna und Flora. Als beliebter Naherholungsraum für die Bürgerinnen und Bürger vor allem aus Wulfsen und Pattensen bleibt das Gebiet erhalten. Die Wanderwege bleiben offen, und auch neue Bänke sind geplant, damit jeder in Ruhe die Stille und Schönheit des Langenberges genießen kann.