Winsen. “Zäune halten sie nicht auf“: Schafhalter Wendelin Schmücker hält Schutzjagd auf Wölfe für notwendig. Eine umstrittene Forderung.

Die Gefahr durch Wölfe ist nicht gebannt. Herdenschutzhunde sind rar, ihr Unterhalt teuer und die elektrisch geladenen Schutzzäune für Weidetiere sind schwer, mühsam aufzustellen und oftmals nicht hoch genug. „Alle Zäune, auch in einer Höhe von 1,45 Meter, haben die Raubtiere schon überwunden“, sagt Wendelin Schmücker, Schafhalter aus Winsen und Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung, aus Erfahrung.

Bei einem Termin auf seinem Hof forderte er jetzt, dass der Bund Schutzjagden auf Wölf zulassen und damit einen weiteren Ausnahmetatbestand aus einer Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie der EU umsetzen solle. „Zäune und Hunde stoppen die Wölfe nicht.“

Tierhalter beklagen hoher Aufwand und Kosten

Für Hilfen für die Tierhalter ist das Land zuständig. Niedersachsen übernimmt die Materialkosten für die Zäune und zahlt den Preis für den Kauf von Hunden, der bei mehreren tausend Euro liegt. Bis zu 30.000 Euro pro Jahr können die Halter erhalten, um sich gegen Angriffe von Rudeln zu wappnen. „Wir schöpfen unser Instrumentarium voll aus, weil wir die Sorgen und Nöte der Weidetierhalter sehen“, sagt Christian Budde, der Sprecher des zuständigen niedersächsischen Umweltministeriums. Doch den Unterhalt der Tiere, die bei Angriffen von größeren Rudeln leicht von der Herde abgelenkt werden können, müssen die Höfe tragen. Zudem müssen ihre Mitarbeiter für die Stromaggregate sorgen, die die Abwehr erst wirksam macht.

Die Zäune mit ihren Dornen an den Pfählen sind zudem schwer. 50 Meter Zaun mit 1,45 Metern Höhe wiegen 16 Kilogramm. Dabei sind für eine 1,5 Hektar große Wiese mindestens 500 Meter Zaun nötig. Der ständige Auf- und Abbau ist schon deshalb notwendig, weil die Schäfer immer wieder auf freie Flächen ausweichen müssen, die ihnen nicht gehören. „Kein Schafhalter hat so viel eigenes Land, dass er nicht nach außen wechseln müsste“, sagt Schmücker. Er verfügt über 76 Hektar Grünland, von dem ihm 60 Hektar gehören und ist so einer der großen Schafhalter bundesweit.

Der Winsener hat bislang auf Hilfen verzichtet, keinen Hund angeschafft und verfügt inzwischen über 1,5 Kilometer mobile Zäune, die er zwischen Oktober und Februar aufstellt, wenn seine 1000 Tiere nicht auf seinen Flächen stehen. Hintergrund für seine Entscheidung: Wer die Förderung annimmt, muss sich verpflichten, für weitere fünf Jahre in der Schafzucht zu bleiben. Dadurch fühlt sich der Unternehmer eingeschränkt.

Durch Wolfsangriffe hat Halter Schmücker 28 Schafe verloren

Schmücker hat bisher 28 Schafe durch Wolfsangriffe verloren. Das war 2018 in Mechtersen in der Nähe von Lüneburg. Dort hat er seitdem keine Tiere mehr weiden lassen. Eine solche Gegenwehr lässt sich auf Dauer natürlich nicht fortsetzen. „Wir können nicht ewig vor den Wölfen davonlaufen.“

Eine Herde von gut 100 Schafen steht auf einer Weide am Hof von Schafhalter Wendelin Schmücker.
Eine Herde von gut 100 Schafen steht auf einer Weide am Hof von Schafhalter Wendelin Schmücker. © Rolf Zamponi

Nach vorläufigen Zahlen der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW)“ lebten im Monitoringjahr 2020/21 (zum 30. April) in Deutschland 113 Wolfsrudel, ein Paar und neun Einzelgänger. Besonders betroffen von Rissen sind Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Schafe werden dabei am häufigsten von Wölfen getötet. 3444 waren es im Jahr 2020, gefolgt von Gehegewild (248), Rindern (153) und Ziegen (92). Aber auch 13 Pferde, sieben Alpaka und zwei Herdenschutzhunde fielen Wölfen zum Opfer. Wurden 2018 noch insgesamt 2067 Nutztiere vom Wolf getötet, waren es 2019 schon 2894 und im vergangenen Jahr insgesamt 3959. Das entspricht einem Zuwachs von 92 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

In Niedersachsen sind derzeit 38 Rudel unterwegs

Ein erheblicher Schaden durch immer mehr Wölfe, ist Schmückers Fazit. „In Schweden mit einer deutlich größeren Fläche als Deutschland leben 300 der Raubtiere. Für Deutschland wäre 250 mehr als genug“, sagt der Fördervereinschef. In Niedersachsen sollten es nicht mehr als zwei Rudel sein. Derzeit wurden 38 gezählt, Tendenz steigend.

Neue Zahlen für die Diskussion soll bald ein Gutachten bringen, das die Universität Wien im Herbst vorlegen soll. Auftraggeber ist das Land Niedersachsen. „Es geht um die kritische Untergrenze für Wölfe, also die Zahl von Tieren, die in keinem Fall unterschritten werden darf“, erklärt Umweltministeriums-Sprecher Budde.

Mit Wolle lässt sich heute kein Geld mehr verdienen

Wirtschaftlich wird das Halten der Deutschen Schwarzköpfigen Schafe derzeit allein durch den Verkauf ihres Fleisches. Die drei Kilogramm Wolle, die in einem Jahr pro Schaf anfallen, bringen beim Verkauf gerade einmal 30 Cent. „Ein Scherer erhält dagegen pro Tier drei Euro“, erklärt Schmücker. Kein gutes Geschäft.

Dafür erhält der Hof am kommenden Dienstag nun Beistand aus Hannover. Umweltminister Olaf Lies reist an und soll Pate eines Lamms aus Schmückers Herde werden. Eine Aufgabe, die ihm der Schafhalter bei der Übergabe einer Umfrage zum Thema Wolf in Hannover angetragen hatte. Der Minister wird das Tier taufen. Auf den Namen darf man gespannt sein.